Standardlastprofil

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Standardlastprofil H0 nach VDEW. Der genormte Kurvenverlauf stellt das repräsentative Verbrauchsverhalten der Strom-Haushaltskunden an verschiedenen Wochentagen im Winterhalbjahr dar.

Ein Standardlastprofil (SLP) ist ein repräsentatives Lastprofil, mit dessen Hilfe der Lastgang einer Marktlokation ohne registrierende Leistungsmessung prognostiziert und bilanziert wird (Strom bzw. Gas).

Die Anwendung der Standardlastprofile stellt dabei eine Vereinfachung dar. Nicht jede als H0, also Haushalt, eingestufte Marktlokation wird jeden Tag einen ihrem Standardlastprofil entsprechendes Abnahmeprofil aufweisen. Vielmehr geht man dabei davon aus, dass das jeweilige Profil durchschnittlich von der jeweiligen Verbrauchergruppe abgenommen wird. Die Qualität einer auf Standardlastprofilen beruhenden Lastprognose hängt also vom Zutreffen eben genannter Annahme ab. Dabei verbessert eine größere Gruppe von einem bestimmten Standardlastprofil zugeordneten Abnahmestellen die Qualität der Prognose gegenüber einer kleineren Gruppe.

Anwendung der Standardlastprofile

In der Regel finden Standardlastprofile für Strom- und Gasmarktlokationen mit einem voraussichtlichen Jahresverbrauch bis zu 100.000 kWh Elektrizität bzw. weniger als 1,5 Mio. kWh Gas Anwendung. In der Praxis werden hierfür häufig die Standardlastprofile des BDEW (bis 2007 VDEW) verwendet, bei denen nach Kundengruppen mit ähnlichem Abnahmeverhalten unterschieden wird.

Jeder Verteilnetzbetreiber (VNB) legt für alle mit Standardlastprofilen in einem Bilanzierungsgebiet zu bilanzierenden Marktlokationen ein Standardlastprofil fest. Diese Eingruppierung nimmt er nach Art der Marktlokation vor. Zusätzlich gibt der VNB eine Prognose über den erwarteten Jahresverbrauch der Marktlokation an. Diese Prognose ist in der Regel der Verbrauch der vorhergehenden Jahresablesung. Der VNB sollte dabei ein Eigeninteresse haben, diese Eingruppierung und Prognose richtig vorzunehmen, da er aus großen Abweichungen des Profils zum tatsächlichen Verbrauch wirtschaftliche Nachteile erleidet.

Mit der Kenntnis von Standardlastprofil und Jahresverbrauchsprognose kann jeder Lieferant die Energie für eine Marktlokation, welche der Netzbetreiber bilanziert, ermitteln und in seinen Bilanzkreis einstellen. Ein Strom-Standardlastprofil des BDEW ist auf ca. 1.000.000 kWh Jahresverbrauch normiert (ausgenommen sind die Profilscharen für das TLP-Verfahren [Tagesparameterabhängiges Lastprofil], welches auf einen Jahresverbrauch von 1.000 kWh normiert wird). Um das Lastprofil einer Marktlokation zu ermitteln wird das Standardlastprofil mit der Prognose des Jahresverbrauches skaliert. Der VNB (Synthetiker) bilanziert auf Basis der Standardlastprofile die exakt gleichen Energiemengen aus dem Bilanzkreis die Energie für diesen liefernden Lieferanten. Abweichungen der Jahresenergiemenge, die durch eine turnusmäßige Ablesung festgestellt werden, werden zwischen VNB und Lieferanten im Zuge der Mehr- und Mindermengenabrechnung ausgeglichen.

Die sich aus der Anwendung des Standardlastprofilverfahrens ergebenden Differenzen zwischen bilanzierter und tatsächlich messtechnisch festgestellter Energiemenge für jede 1/4-Stunde in einem Bilanzierungsgebiet müssen vom VNB durch entsprechende Differenzenergie ausgeglichen werden.

Standardlastprofile (Strom) des BDEW

[1]

Profiltyp Beschreibung Erläuterung
G0 Gewerbe allgemein Gewogener Mittelwert der Profile G1-G6
G1 Gewerbe werktags 8–18 Uhr z. B. Büros, Arztpraxen, Werkstätten, Verwaltungseinrichtungen
G2 Gewerbe mit starkem bis überwiegendem Verbrauch in den Abendstunden z. B. Sportvereine, Fitnessstudios, Abendgaststätten
G3 Gewerbe durchlaufend z. B. Kühlhäuser, Pumpen, Kläranlagen
G4 Laden/Friseur
G5 Bäckerei mit Backstube
G6 Wochenendbetrieb z. B. Kinos
G7 Mobilfunksendestation durchgängiges Bandlastprofil
L0 Landwirtschaftsbetriebe allgemein Gewogener Mittelwert der Profile L1 und L2
L1 Landwirtschaftsbetriebe mit Milchwirtschaft/Nebenerwerbs-Tierzucht
L2 Übrige Landwirtschaftsbetriebe
H0 Haushalt

Weitere von der E-Control für Österreich festgelegte Standardlastprofile

Zusätzlich zu den oben angeführten VDEW-Standardlastprofilen wurden von der E-Control in den Sonstige Marktregeln – Kapitel 6 – Zählwerte, Datenformate und standardisierte Lastprofile folgende Standardlastprofile für Strom (auch für Stromeinspeisung) festgelegt.[2]

Profiltyp Beschreibung Erläuterung
B1 öffentliche Beleuchtung
E0 Einspeisung aus Wasserkraft, Windkraft- und Biogasanlagen   für Einspeisung < 100.000 kWh oder < 50 kW Anschlussleistung  
E1 Einspeisung aus Photovoltaikanlagen für Einspeisung < 100.000 kWh oder < 50 kW Anschlussleistung
ULA Warmwasserspeicher ohne Tagnachladung für unterbrechbare Lieferungen – ganzjährig
ULB Warmwasserspeicher mit Tagnachladung für unterbrechbare Lieferungen – ganzjährig
ULC Nachtspeicherheizung ohne Tagnachladung für unterbrechbare Lieferungen – Übergangszeit, Winter
ULD Nachtspeicherheizung mit Tagnachladung für unterbrechbare Lieferungen – Übergangszeit, Winter
ULE Mischanlage ohne Tagnachladung für unterbrechbare Lieferungen – Sommer, Übergangszeit, Winter
ULF Mischanlage mit Tagnachladung für unterbrechbare Lieferungen – Sommer, Übergangszeit, Winter

Die derzeit in Österreich zur Prognose und Abrechnung des Strombezugs nicht leistungsgemessener Kunden verwendeten Standardlastprofile wurden vor etwa 20 Jahren auf Basis von Messungen des VDEW in Deutschland generiert und sind deshalb sowohl aufgrund des unterschiedlichen Bezugsgebiets als auch wegen der mangelnden Anpassung an aktuelle Entwicklungen nicht mehr geeignet. Durch die geplante flächendeckende Einführung von Smart Metern besteht die Möglichkeit, die Smart-Meter-Daten auszuwerten, um die verwendeten Profile zu evaluieren und gegebenenfalls neue Profile zu generieren.

Dazu wurden in einer Studie der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft im Auftrag der E-Control verschiedene Verfahren hinsichtlich Aufwand und Nutzen untersucht. Die Untersuchung erfolgte auf Basis von bereits vorliegenden Smart-Meter-Daten, die im Rahmen von Smart-Meter-Pilotprojekten in Haushalten dreier ausgewählter Regionen erhoben wurden. Im Vergleich des derzeit verwendeten Standardlastprofils mit dem realen Haushaltsverbrauch kommt es dabei zu Abweichungen.[3]

Standardlastprofile für Gas

Im Rahmen einer Dissertation der TU München[4] wurde auf den Einsatz von Lastprofilen basierend auf einer Sigmoidfunktion zur Nachbildung des Bezugsgangs von Kleinkunden im liberalisierten Gasmarkt eingegangen. Hierbei werden seit 2005 14 Verbraucherlastprofile unterschieden, 11 für den Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungssektor, zwei für Haushaltskunden (Unterscheidung zwischen Ein- und Mehrfamilienhaus) und ein Summenlastprofil.

Bei diesem Verfahren treten folgende Probleme auf:

  • zu niedrige Allokation bei sehr kalten Temperaturen
  • zu niedrige Grundlast
  • zu niedrige Allokation bei warmen Temperaturen
  • hohe Abweichungsrate
  • saisonale Abweichung

Aufgrund dessen wurden im Rahmen eines Statusberichts[5] die Ursachen sowie mögliche Weiterentwicklungsmaßnahmen[6] zur Behebung dieser Probleme untersucht. Zur Behebung der identifizierten Schwachstellen wurde ein Modellansatz zur Überarbeitung der Profilfunktionen mittels einer teilweisen Linearisierung sowie die Ergänzung über datumsabhängige Saisonalfaktoren empfohlen. Die neue SLP-Profilfunktion besteht aus einer Kombination von Sigmoidfunktion und linearen Anteilen und wird als SigLinDe bezeichnet. Diese Funktion ermöglicht weiterhin eine einfache und transparente Abwicklung im Standardlastprofilverfahren. Die teilweise Linearisierung reduziert die Unterallokation bei sehr kalten bzw. warmen Temperaturen und gleicht daher die Funktion dem tatsächlichen Verbrauchswert näher an. Des Weiteren wird die Anwendung eines saisonalen Korrekturfaktors empfohlen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Standardlastprofile Strom. In: bdew.de. Abgerufen am 3. April 2019.
  2. Sonstige Marktregeln - Kapitel 6 - Zählwerte, Datenformate und standardisierte Lastprofile - Version 3.3 e-control.at, abgerufen am 22. März 2013
  3. "Studie der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft" Website der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft. Abgerufen am 6. Oktober 2015.
  4. Leitfaden zur Abwicklung von Standardlastprofilen Gas der BDEW/VKU/GEODE
  5. "Statusbericht der Standardlastprofile" der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft. Abgerufen am 7. Oktober 2015
  6. "Studie zur Weiterentwicklung der Standardlastprofile für Gas" der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft. Abgerufen am 7. Oktober 2015

Weblinks