Enjott Schneider
Enjott Schneider (* 25. Mai 1950 in Weil am Rhein als Norbert Jürgen Schneider[1]) ist ein deutscher Komponist, Musikwissenschaftler und Hochschullehrer.
Leben und Wirken
Schneider wuchs in Weil am Rhein auf und ging hier zur Schule.[2] In seiner Jugend erlernte Schneider zahlreiche Instrumente, so unter anderem Violine, Klavier, Akkordeon, Trompete und Orgel. Im Alter von 19 Jahren nahm er im elsässischen Hüningen eine Organistenstelle an. Ebenso betätigte er sich als Keyboarder in der Popgruppe Kaktus. Ab 1975 war er als Kirchenmusiker in Hinterzarten (Schwarzwald) tätig. 1969 nahm er ein Studium der Musiktheorie, Schulmusik, Orgel und Trompete an der Musikhochschule Freiburg im Breisgau auf. Gleichzeitig studierte er an der dortigen Universität Musikwissenschaft, Germanistik und Linguistik und promovierte 1977 bei Hans Heinrich Eggebrecht zum Dr. phil. Schneider lebt und arbeitet in München, wo er seit 1979 eine Professur an der Musikhochschule bekleidet. Zunächst handelte es sich um eine Professur für Musiktheorie, die aber später in die erste Filmmusikprofessur in Deutschland umgewandelt wurde. Die Studierenden von Enjott Schneider werden als Filmkomponisten ausgebildet.
1988 richtete er das Tonstudio Augenklang ein, das 1997 durch das Greenhouse Studio abgelöst wurde. Um 1993 lehrte er am Staatlichen Filminstitut in Pune (Indien) und wurde 1996 an der Hochschule für Musik in München Professor für Komposition für Film und Fernsehen.
Schneiders kompositorisches Schaffen umfasst ein breites Spektrum: Werke für Orchester, Orgel, Kammermusik sowie Vokal- und Bühnenwerke. Seine zahlreichen Veröffentlichungen befassen sich mit Musiktheorie, Musikpädagogik, Neuer Musik und Musik in audiovisuellen Medien.
Enjott Schneider gehörte 2003 zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Filmakademie. Er ist außerdem Mitglied im Aufsichtsrat der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), ab März 2012 als Vorsitzender. Auf seiner privaten Webseite fasst er seine Philosophie in dem Satz zusammen „Musik ist Kunst, – kontra Kommerz und Kapitalismus.“[3] In einem Blogeintrag erläutert er: Wenn „heute ‚geistiges Eigentum‘ infragegestellt wird, dann geht es nicht ‚nur‘ um Komponisten- oder GEMA-Probleme, sondern es ist ein Indikator[,] dass wir wieder zu feudalen und diktatorischen Mentalitätsstrukturen zurückfallen, – unsere Freiheit des Ausdruck[s] und der Meinung geht in der aggressiv-kapi[t]alistischen Reglementierung der Menschen durch Konzerne, internationalisiertes Kapital und Profitmaximierung zugrunde.“[4] 2017 trat er vom Vorsitz zurück.[5]
Am 25. Juni 2013 wurde Schneider zum Präsidenten des Deutschen Komponistenverbands gewählt.[6] Im September 2020 trat er aus gesundheitlichen Gründen von dieser Position zurück.[7]
Ausgewählte Werke
Musik für Kinofilme
- 1989: Herbstmilch
- 1990: Rama dama
- 1991: Wildfeuer
- 1992: Leise Schatten
- 1992: Stalingrad
- 1994: Wachtmeister Zumbühl
- 1995: Schlafes Bruder
- 1998: 23 – Nichts ist so wie es scheint
- 2004: Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen
- 2007: Zum dritten Pol
Musik für Fernsehfilme und -serien
- 1992: Marienhof (Serie)
- 1994: Weißblaue Geschichten (Serie)
- 1994: Himmel und Hölle (Fernsehfilm)
- 1995: Jede Menge Leben (Serie)
- 1996: Polizeiruf 110: Kleine Dealer, große Träume (Fernsehreihe)
- 1996: Das Mädchen Rosemarie
- 1997–2002: Tatort (Fernsehreihe)
- 1998–2002: Vater wider Willen (Serie)
- 1999: Die Sekretärin des Weihnachtsmanns
- 2000: Jahrestage
- 2001: Das Schneeparadies
- 2003: Schwabenkinder
- 2004: Stauffenberg
- 2006: Glück auf vier Rädern
- 2006: Nicht alle waren Mörder
- 2007: Die Flucht
- 2007: Moppel-Ich
- 2008: Der Froschkönig
- 2008: Treuepunkte
- 2011: Laconia
- 2014: Ohne Dich
- 2016: Liebe bis in den Mord
Musik für Dokumentarfilme
- 2002: Stalingrad – Der Angriff
- Stalingrad – Der Kessel
- Stalingrad – Der Untergang
- 2004: Das Wunder von Bern. Die wahre Geschichte
- Hitlers Helfer: Gustav und Alfried Krupp. Die Waffenschmiede
- Das Große Drama von Dresden
- 2006: Das Verflixte Dritte Tor – Wembley 1966: Die Wahre Geschichte
- 2007: Der Olympia-Mord. München72 – Die wahre Geschichte
- Majestät! Die Deutsche und der König: Silvia und Carl Gustaf von Schweden
- 2008: Franz Josef Strauß – eine deutsche Geschichte
- Deichmann – Auf leisen Sohlen zum Erfolg
- Das göttliche Paar: Bhumipol und Sirikit von Thailand
- 2009: KRUPP – Mythos und Wahrheit
- Daniel Westling – Der Prinz von Ockelbo
- Wunder von Leipzig: Wir sind das Volk
- Das Weltreich der Deutschen
- 2010: Ein Prinz für Victoria
- 2011: KÖNIGLICHE AFFÄREN: Carl Gustaf und die Schweden
- 2012: Drei Leben: Axel Springer – Verleger – Feindbild – Privatmann
Bühnenwerke
- Das Salome-Prinzip (1983)
- Albert warum?, Kammeroper für sieben Sänger, Zuspielelektronik und neun Instrumentalisten (1998)
- Diana – Cry for Love, Memorial für Soli, Chor, Ballett und Orchester (2001/02)
- Bahnwärter Thiel, Oper in acht Bildern nach der gleichnamigen novellistischen Studie von Gerhart Hauptmann (2003)
- nullvier – keiner kommt an Gott vorbei, Musical zum 100. Jubiläum des Fußballvereins FC Schalke 04
- Fürst Pückler – Ich bin ein Kind der Fantasie, Oper in zwei Akten (2005)
Orchesterwerke
- Evolution, Konzert für Klavier und Orchester (1991)
- Teatrissimo, Ratatouille für Orchester (1997)
- Glocken-Sinfonie, „Lied an das Leben“ (1. Sinfonie) nach Texten aus dem Konzentrationslager Buchenwald (1998/99)
- Sisyphos (Sinfonie Nr. 2) (2000)
- Vivaldissimo, Konzert für zwei Trompeten, Streichorchester und Cembalo (2000)
- Echo, Konzert für Orgel und Streichorchester (2002)
- Veränderungen, Konzert für Sheng und Orchester (2002/03)
- The Tinguely Machine for 12 brass players and symphonic orchestra (2004)
- At the Edge of Time, Reflections on Mozarts Requiem KV 626 (2006)
- Hiob, Konzert für Orgel und Orchester (2007)
- Ikarus, Desire for Light, Concert for Piccolo Trumpet and Symphony Orchestra (2016) (geschrieben für Otto Sauter, World Ring Premiere: Opera Manaus, Brazil/ Philharmony Kiev and Dnipro Ukraine)
Sonstige Werke
- Toccata „Schlafes Bruder“ für Orgel (Musik zur Verfilmung des Romans Schlafes Bruder von Robert Schneider, 1994)
- Ali und der Zauberkrug, Ein musikalisches Märchen für Kinder, Text nach einem afrikanischen Märchen eingerichtet von Peter Andersen (2002)
- Begleitmusiken zu einigen Silhouettenfilmen wie Dr. Doolittle und seine Tiere, Cinderella – Aschenputtel, Thumbelina – Däumelinchen, Puss-in-Boots – Der gestiefelte Kater
- Eine Vertonung des Sonnengesangs des Franz von Assisi für gemischten Chor (Welturaufführung am 30. März 2008 in Inkamana (Südafrika), deutsche Erstaufführung am 25. Juli 2008 im Regensburger Dom, beide Male gesungen von den Regensburger Domspatzen)
- Oratorium Augustinus für Soli, Chor und Orchester, uraufgeführt am 15. November 2009 in der Pfarrkirche St. Augustin Ingolstadt
- Dominus resurrexit et ascendit, Oratorium zu Ostern und Himmelfahrt, uraufgeführt am 25. April 2011 in der Pfarrkirche St. Pantaleon Köln
- Missa Brevis „Surrexit Christus“
- Oratorium Ordo Amoris für Sopran, Tenor, Chor und Orchester, nach Texten des Bernhard von Clairvaux (2014)
- Der Ring des Nibelungen Bearbeitung und Erweiterung der Opernmusik von Richard Wagner für die zweistündige Sprechtheaterfassung der Augsburger Puppenkiste (2018)
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Kirchenmusik – Eine Kunstform stirbt aus? In: GEMA-Nachrichten, November 2005 (Ausgabe 172), S. 16–21 wiederveröffentlicht in: Forum Kirchenmusik, Mai–Juni 2006.
- Komponieren für Film und Fernsehen. Schott-Verlag 1997. 3. Aufl. 2005, ISBN 3-7957-8708-4.
- Die Kunst des Teilens. Zeit – Rhythmus – Zahl. 1991.
- Handbuch Filmmusik II. Musik im dokumentarischen Film. Ölschläger, München 1989, ISBN 3-88295-132-X.
Auszeichnungen
- 1990 Bayerischer Filmpreis für Filmmusik
- 1991 Filmband in Gold für Filmmusik
- 1996 Golden Score
- 2001 in Biarritz den „Fipa d’or“ (beste europäische Filmmusik „series et feuilletons“)
- 2007 Deutscher Fernsehpreis für beste Filmmusik
- 2019 Deutscher Filmmusikpreis – Ehrenpreis[8]
Literatur
- Jürgen Geiger / Dorothea Hofmann / Matthias Keller / Franzpeter Messmer: Enjott Schneider, Allitera Verlag 2020 (Komponisten in Bayern; 66), ISBN 978-3-96233-236-5.
Weblinks
- Offizielle Homepage von Enjott Schneider
- Werke von und über Enjott Schneider im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Enjott Schneider in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Munzinger: Komponisten der Gegenwart. Datenbank (abgerufen am 3. November 2014).
- ↑ http://www.verlagshaus-jaumann.de/inhalt.weil-am-rhein-mehr-als-500-filmmusiken-komponiert.4e6057be-c838-4e60-b5e1-599cdb1d5045.html
- ↑ Enjott Schneider: Enjott Schneider…. Website von Enjott Schneider, abgerufen am 27. Dezember 2013.
- ↑ Enjott Schneider: Keine Freiheit ohne Urheberrecht!!! Website von Enjott Schneider, 22. August 2012. Abgerufen am 27. Dezember 2013.
- ↑ GEMA-Mitgliederversammlung – Enjott Schneider vom Amt zurückgetreten. nmz.de vom 24. Mai 2017, abgerufen am 28. Mai 2017
- ↑ Deutscher Komponistenverband unter neuer Leitung und mit neuem Look. Deutscher Komponistenverband, 30. Juni 2013. Abgerufen am 27. Dezember 2013.
- ↑ MORITZ EGGERT ZUM NEUEN PRÄSIDENTEN DES DKV GEWÄHLT. In: Deutscher Komponistenverband. Abgerufen am 22. Januar 2021 (deutsch).
- ↑ Deutscher Filmmusikpreis für Enjott Schneider. In: klassik.com. 9. Oktober 2019, abgerufen am 9. Oktober 2019.
Personendaten | |
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NAME | Schneider, Enjott |
ALTERNATIVNAMEN | Schneider, Norbert Jürgen (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Komponist, Musikwissenschaftler und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 25. Mai 1950 |
GEBURTSORT | Weil am Rhein |