Nuklearanlage Marcoule
Nuklearanlage Marcoule | ||
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Nuklearanlage Marcoule | ||
Lage | ||
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Koordinaten | 44° 8′ 34″ N, 4° 42′ 22″ O | |
Land | Frankreich | |
Daten | ||
Eigentümer | Areva/CEA | |
Betreiber | Areva/CEA |
Die Nuklearanlage Marcoule ist eine kerntechnische Anlage an der Rhone, etwa 30 Kilometer nördlich von Avignon in der französischen Region Okzitanien.
Auf dem Gelände der Anlage waren vormals drei Reaktoren des Kernkraftwerk Marcoule (bis 1984), zwei Schwerwasserreaktoren für das französische Wasserstoffbombenprogramm (bis 2009), sowie der Brutreaktor-Prototyp Phénix (bis 2010) in Betrieb. Heute finden dort noch Reinigung und Rückbau der Anlagen, Wiederaufarbeitung von Brennelementen und Forschung statt. Nach der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ist jene in Marcoule das zweitgrößte französische Zentrum für die Behandlung von radioaktivem Abfall.
Betreiber
Mit der Entscheidung Frankreichs zur Zeit de Gaulles, Atommacht zu werden, mussten Methoden zur Herstellung von Plutonium entwickelt werden. Dafür gründete das Commissariat à l'énergie atomique (CEA, frz. für ‚Kommissariat für Atomenergie‘) im Jahre 1955 ein Produktionszentrum, auf dem in den Folgejahren zunächst zwei Reaktoren gebaut wurden. Betrieben wurden sie vom Energiekonzern Électricité de France (EDF).[1]
1976 ging die Firma Cogema (Silbenkurzwort aus Compagnie Générale des Matières Nucléaires, deutsch: ‚Allgemeine Gesellschaft für Nuklear-Material‘) aus einem Teil der CEA hervor und übernahm den Betrieb der Nuklearanlage. 2001 entstand aus Cogema und anderen Firmen die Gruppe Areva, die als industrieller Partner eng mit der CEA zusammenarbeitet. Areva selbst gehört über mehrere Beteiligungen dem französischen Staat.
Einzelne Einrichtungen
Kernkraftwerk Marcoule
1956 ging der erste UNGG-Reaktor dieses Kernkraftwerks in Betrieb, 1959 und 1960 folgten je ein weiterer. Sie dienten der Produktion von waffenfähigem Plutonium für die ersten französischen Kernwaffen und lieferten auch Strom ins kommerzielle Stromnetz.
1968 und 1980 erfolgte die Abschaltung des jeweils ältesten Blocks, 1984 wurde auch der dritte Reaktor stillgelegt.[2]
Wiederaufbereitungsanlage UP 1
Von 1958 bis 1992 trennte die Wiederaufarbeitungsanlage UP1 per Lösungsmittelextraktion waffenfähiges Plutonium aus den Brennelementen der drei Reaktoren des Kernkraftwerkes Marcoule ab. Der Gesamtertrag wurde auf mehr als 2,5 Tonnen geschätzt. Der Rückbau der Anlage begann 1998.[3]
Celestin-Reaktoren
1967 und 1968 gingen die beiden Schwerwasserreaktoren Celestin 1 und 2 in Betrieb, die Tritium für das französische Programm zur Entwicklung von Wasserstoffbomben produzierten, und auch Plutonium waffenfähig herstellen konnten (Siehe auch: Force de dissuasion nucléaire française).[4] Sie wurden 2009 abgeschaltet.[5]
Kernkraftwerk Phénix
Seit Dezember 1973 war in diesem Kraftwerk ein Brutreaktor in Betrieb, ab 1990 mit mehrjährigen Unterbrechungen. Dieser schnelle Brüter war der Prototyp für den später erbauten, mehrere hundert Kilometer flussaufwärts gelegenen Superphénix und wurde nach dessen Abschaltung wieder zu Forschungszwecken umgebaut und 2004 bis zur Stilllegung im Februar 2010 betrieben.
MOX-Brennelemente
Die ab 1985 geplante, ab 1990 gebaute und 1995 in Betrieb gegangene Recyclinganlage für Brennelemente Melox hat sich bis heute zum Weltmarktführer in diesem Segment entwickelt. Sie liefert für französische, deutsche und weitere ausländische Leichtwasserreaktoren die MOX-Brennelemente. Das dafür benötigte Plutonium kommt heutzutage aus der Wiederaufbereitungsanlage La Hague.
Verglasungsbetrieb Marcoule
In diesem Betrieb wurden von 1978 bis zur Schließung 1999 insgesamt 1900 m³ hochradioaktiver Abfall (HAW) in Glaskokillen gepackt (siehe auch HAW-Verglasung).
Weitere Einrichtungen
Außerdem gibt es in der Nuklearanlage noch das Forschungslabor Atalanta sowie das Werk Centraco (Silbenkurzwort aus centre nucléaire de traitement et de conditionnement des déchets faiblement radioactifs, zu deutsch ‚Nuklearzentrum für Behandlung und Wiederaufbereitung von schwach radioaktivem Material‘) der Gesellschaft für Verpackungsabfälle und industrielle Abwässer (Socodei).[6]
Bekannte Vorfälle
Am 12. September 2011 explodierte ein Schmelzofen, auf dem Gelände des Centraco-Werks innerhalb der Nuklearanlage, bei der laut der französischen Atomsicherheitsbehörde ASN ein Mensch ums Leben kam und vier weitere verletzt wurden. Radioaktivität sei keine frei geworden.[7] Von den Medien wurde fälschlicherweise verbreitet, dass der Unfall mit dem Atomreaktor auf dem Gelände in Verbindung steht.[8][9] Die Ursache der Explosion war unbekannt.
Siehe auch
Weblinks
- Greenpeace Frankreich: Dossier Marcoule, Februar 2003 (PDF; 75 kB)
- CEA zur Nuklearanlage Marcoule (französisch)
- Greenpeace Frankreich: Dossier Marcoule, Februar 2003 (online)
Einzelnachweise
- ↑ Areva-Webseite: History plant of Marcoule (englisch)
- ↑ Power Reactor Information System der IAEA: France (French Republic): Nuclear Power Reactors (englisch)
- ↑ nuclearweaponarchive.org: France Facilities (englisch)
- ↑ Roland Kollert: Die Politik der latenten Proliferation: militärische Nutzung "friedlicher" Kerntechnik in Westeuropa, DUV, 1994, Seite 221f.
- ↑ http://www.areva.com/EN/operations-3130/history-the-plant-of-marcoule.html
- ↑ Süddeutsche Zeitung: Gemischtwarenladen für Atomtechnik, 12. September 2011
- ↑ Autorité de Sûreté Nucléaire: Zwischenfall in Centraco (Gard) beendet (Pressemitteilung vom 12.09.2011). Archiviert vom Original am 12. Oktober 2011; abgerufen am 30. Dezember 2019 (englisch).
- ↑ Tagesschau: Explosion in Atomkraftwerk. 12. September 2011, abgerufen am 2. Januar 2020.
- ↑ FOCUS.de: Atomaufsicht gibt Entwarnung nach Explosion. 12. September 2011, abgerufen am 2. Januar 2020.