Orgel der Pfarrkirche St. Martin (Düdelingen)

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Blick auf die Orgel von St. Martin (Düdelingen)

Die Stahlhuth-Orgel ist eine von Georg und Eduard Stahlhuth in der Pfarrkirche St. Martin in Düdelingen, Luxemburg gebaute Orgel. Die Orgel gilt als eine der größten und schönsten in ganz Luxemburg.

Geschichte

Ausschreibung

Spieltisch der Orgel

Nach dem Bau der neuen im neogotischen Stil errichteten Pfarrkirche St. Martin beschlossen die Stadt Düdelingen und die Pfarrei, eine neue, dem Ort angemessene Orgel anzuschaffen. Eine Orgelkommission zum „Vorstudium des projektierten Orgelbaues“ wurde eigens zu diesem Zweck im Jahr 1911 eingesetzt. Nach einem heftigen Streit zwischen dem Stadtarchitekten, Mitgliedern des Stadtrates und der Orgelkommission schrieb man den Auftrag schließlich aus. Hervorzuheben ist hierbei, dass die Stadt Düdelingen als alleiniger Auftraggeber und Finanzier auftrat.[1] Dem Orgelbauer wurden hinsichtlich der Disposition der Orgel keinerlei Grenzen gesetzt, doch gab es strikte Vorgaben hinsichtlich der zu verwendenden Materialien und der allgemeinen Ästhetik.[2]

Kriterien

Auflistung der zu erfüllenden Kriterien:

  1. Ausschreibung nach dem Internationalen Regulativ für Orgelbau.
  2. Verwendung erstklassiger Materialien.
  3. Ein hoher Anteil an 16′- und 8′-Registern. Verwendung typisch deutsch-romantischer Klangelemente, z. B. Rollschweller, Kegelladen und Pneumatik
  4. Anleihen aus dem englischen Orgelbau: doppelte Prinzipalbesetzung, Tuba mirabilis, Oboe 8′ englischer Konstruktion und Wassermotoren.
  5. Explizit geforderte französische Eigenschaften im Hauptwerk: Trompete 8′ und Clarinette 8′.
  6. Ausstattung der Orgel mit zwei Schwellkästen.[3]

Auswahl und Fertigstellung

Sieben Orgelbauer reichten daraufhin Kostenvoranschläge bei der Gemeinde ein: Steinmeyer, Seifert, Schlag & Söhne, Walcker, Voit, Stahlhuth und Dalstein.[4] Steinmeyer und Seifert fielen aufgrund des hohen Preises weg. Bei Voit wurde die Qualität der Arbeit bezweifelt. Schlag und Söhne ignorierte die gestellten Bedingungen und wurde deshalb nicht in Betracht gezogen. Bei Walcker und Dalstein bemängelte man teilweise minderwertige Materialien, unzureichende Motorkraft und abgelehnte Garantieforderungen. Einzig Stahlhuths Kostenvoranschlag wurde als empfehlenswert angesehen.[5] Stahlhuth, ein Orgelvirtuose, der im deutschen wie im französischen Orgelbau gleich gut bewandert war und profunde Kenntnisse der englischen Orgeltechnik besaß, bekam schließlich den Zuschlag.[6] Am 11. August 1911 wurde Stahlhuth offiziell vom Stadtrat beauftragt.[7] Am 28. Juli 1912 wurde die Orgel mit einem Konzert in der Düdelinger Kirche feierlich eingeweiht.[8] Die Firma Stahlhuth sollte den Unterhalt der Orgel vertraglich übernehmen, doch ging der Betrieb nach dem Ersten Weltkrieg in fremde Hände über.[9]

Erweiterungen und Restaurierung

Im Sommer 1962 wurde die Orgel erstmals nach der damals vorherrschenden neobarocken Klangästhetik renoviert und vergrößert. Unter anderem wurde eine elektrische Traktur installiert, der historische Spieltisch ersetzt und massive Veränderungen am Pfeifenbestand vorgenommen. Nachdem die Orgel Mitte der 1990er Jahre kaum noch spielbar war, wurde die Orgel 2002 von der Firma Thomas Jann Orgelbau nochmals umfassend restauriert und erweitert. Hierbei wurden die Veränderungen von 1962 weitgehend rückgängig gemacht; das Instrument wurde auf 78 klingende Register mit deutsch-romantischen und französisch-symphonischen Klangfarben erweitert und anstelle des 1962 hinzugefügten, neobarocken Positives ein Bombardwerk mit 84 Horizontalzungen neu gebaut.

Disposition

Die Orgel hat aktuell 5261 Pfeifen und 69 Registern, verteilt auf vier Manuale und Pedal. Zusätzlich gibt es 6 Extensionen, 4 Transmissionen aus den Manualwerken in das Pedal und drei Gruppenzüge.[10]

I Grand Orgue C–c4
01. Prinzipal 16’ (h)
02. Bordun 16’ (h)
03. Majorprinzipal 08’ (h)
04. Minorprinzipal 08’ (h)
05. Seraphon Gedackt 0 08’ (h)
06. Fugara 08’ (h)
07. Gemshorn 08’ (h)
08. Rohrflöte 08’ (h)
09. Quinte 0513
10. Octav 04’ (h)
11. Flûte harmonique 04’ (h)
12. Terz 0315
13. Quinte 0223 (h)
14. Octav 02’ (h)
15. Terz 0135 (h)
Kornett V [A 1] 08’
16. Großmixtur III-IV 0223
17. Mixtur IV-V 02’
18. Bombarde 16’
19. Trompete 08’ (h)
20. Horn 08’
21. Clairon 04’
Tremulant
II Positiv expressif C–c4
22. Bordun 16’ (h)
Gamba (Ext. Nr. 25) 16’
23. Prinzipal 08’ (h)
24. Seraphon Flöte 08’ (h)
25. Gamba 08’ (h)
26. Vox coelestis 08’ (h)
27. Quintatön 08’ (h)
Lieblichgedackt (Ext. Nr. 22)0 08’ (h)
28. Octav 04’ (h)
29. Flauttraverso 04’ (h)
Gamba (Ext. Nr. 25) 04’
30. Nasard 0223
31. Quintgamba 0223
32. Piccolo 02’ (h)
Gamba (Ext. Nr. 25) 02’
33. Tierce 0135
34. Terzgamba 0135
Gambenchor V [A 2] 08’
Kornett V [A 3] 08’
35. Plein-jeu V-VI 0223
36. Cor anglais 16’
37. Tuba mirabilis 08’ (h)
38. Trompete 08’ (h)
39. Clarinette 08’ (h)
Tremulant
III Récit expressif C–c4
40. Quintatön 16’
41. Geigenprinzipal 08’ (h)
42. Flûte harmonique 08’ (h)
43. Violine 08’ (h)
44. Unda maris 08’ (h)
45. Zartgedackt 08’ (h)
46. Salicional 08’ (h)
47. Octav 04’
48. Rohrflöte 04’ (h)
49. Fugara 04’ (h)
50. Flageolet 02' (h)
51. Progressio harmonique III-V 0223
52. Bombarde 16’
53. Trompette harmonique0 08’
54. Basson Hautbois 08’ (h)
55. Oboe 08’ (h)
56. Vox humana 08’ (h)
57. Clairon harmonique 04’
Tremulant


IV Clavier bombarde C–c4 [A 4]
58. Bombarde en chamade 0000 16’
58. Trompette en chamade 08’
58. Trompette en chamade 0513
58. Clairon en chamade 04’
Pédale C–g3
59. Untersatz 32’ (h)
60. Majorbass 16’ (h)
Minorbass (= Nr. 1) 16’ (h)
61. Subbass 16’ (h)
Gamba (Ext. Nr. 25) 16’
Bordun (= Nr. 22) 16’ (h)
62. Oktavbass 08’ (h)
63. Gedacktbass 08’
64. Cello 08’ (h)
Zartgedackt (Ext. Nr. 22) 08’
65. Flûte 04’
Choralbass (Ext. Nr. 62) 04’
Contrabombarde (Ext. Nr. 66)0 32’
66. Posaune 16’ (h)
67. Fagott 16’
68. Tuba 08’ 0 (h)
69. Clairon 04’ (h)
  • Koppeln:
    • Normalkoppeln: P/I, II/I, III//I, IV/I, III/II, IV/II, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P
    • Suboktavkoppeln: II/I, III/I, II/II, III/II, III/III
    • Superoktavkoppeln: II/I, III/I, II/II, III/II, III/III, I/P, II/P, III/P
  • Spielhilfen:
    • Setzeranlage: mit 4995 Speicherplätzen, Tutti
    • ein 3. Balanciertritt dient wahlweise als Registerschweller (mit 2 verschiedenen Programmierungen: C1, C2) oder als Tritt für das separat schwellbare Horn (20)
    • der Spieltisch besitzt eine Midi-Schnittstelle, mit der das Orgelspiel aufgezeichnet und wiedergegeben werden kann.
  • Anmerkungen
(h) Register von 1912, restauriertes oder rekonstruiertes Register
  1. Gruppenzug für die Register Nr. 8, 11, 13, 14, 15.
  2. Gruppenzug für Register Gamba 16’ + 8’ + 4’ + 2’ + Nr. 31 + 34.
  3. Gruppenzug für Lieblichgedackt 8’ und Nr. 29, 30, 32, 33.
  4. Die 4 Register des Bombardwerks werden aus einer Pfeifenreihe (84 Pfeifen) gebildet.

Concours international d’orgue de Dudelange

Im Rahmen des Musikfestivals Festival International de Musique d’Orgue Dudelange (FIMOD) wird seit 2007 an der Stahlhuth-Orgel in Düdelingen der internationale Orgelwettbewerb Concours international d’orgue de Dudelange ausgetragen.[11] Dieser Wettbewerb findet alle zwei Jahre statt. Es werden jeweils drei Preisträger in den Kategorien „Improvisation“ und „Interpretation“ ermittelt.[12]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Amis de l´Orgue Saint-Martin, Conseil de la fabrique d´Église de la paroisse Saint-Martin: Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhut-Orgel, Imprimerie Saint-Paul, 2002.
  2. Amis de l´Orgue Saint-Martin, Conseil de la fabrique d´Église de la paroisse Saint-Martin: Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhut-Orgel, Imprimerie Saint-Paul, 2002, S. 293.
  3. Amis de l´Orgue Saint-Martin, Conseil de la fabrique d´Église de la paroisse Saint-Martin: Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhut-Orgel, Imprimerie Saint-Paul, 2002, S. 293–294.
  4. Amis de l´Orgue Saint-Martin, Conseil de la fabrique d´Église de la paroisse Saint-Martin: Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhut-Orgel, Imprimerie Saint-Paul, 2002, S. 303.
  5. Amis de l´Orgue Saint-Martin, Conseil de la fabrique d´Église de la paroisse Saint-Martin: Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhut-Orgel, Imprimerie Saint-Paul, 2002, S. 303–304.
  6. Amis de l´Orgue Saint-Martin, Conseil de la fabrique d´Église de la paroisse Saint-Martin. Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhut-Orgel, Imprimerie Saint-Paul, 2002, S. 305.
  7. Amis de l´Orgue Saint-Martin, Conseil de la fabrique d´Église de la paroisse Saint-Martin: Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhut-Orgel, Imprimerie Saint-Paul, 2002, S. 327.
  8. Amis de l´Orgue Saint-Martin, Conseil de la fabrique d´Église de la paroisse Saint-Martin: Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhut-Orgel, Imprimerie Saint-Paul, 2002, S. 337–338.
  9. Amis de l´Orgue Saint-Martin, Conseil de la fabrique d´Église de la paroisse Saint-Martin: Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhut-Orgel, Imprimerie Saint-Paul, 2002, S. 341.
  10. Informationen zur aktuellen Disposition
  11. Concours international d’orgue de Dudelange. Deutsches Musikinformationszentrum (Miz), 8. Dezember 2021, abgerufen am 9. Februar 2022.
  12. Résultats Concours passés: Orgue Dudelange. In: orgue-dudelange.lu. Abgerufen am 9. Februar 2022 (französisch, Jurymitglieder und Preisträger 2007–2015).