Orthonairovirus

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Orthonairovirus
Systematik
Klassifikation: Viren
Realm: Riboviria[2][1]
Reich: Orthornavirae[1]
Phylum: Negarnaviricota
Subphylum: Polyploviricotina
Klasse: Ellioviricetes
Ordnung: Bunyavirales
Familie: Nairoviridae
Gattung: Orthonairovirus
Taxonomische Merkmale
Genom: (−)ssRNA segmentiert
Baltimore: Gruppe 5
Symmetrie: helikal
Hülle: vorhanden
Wissenschaftlicher Name
Orthonairovirus
Links

Orthonairovirus (früher Nairovirus) ist eine Gattung von Viren in der Familie der Nairoviren (Nairoviridae) aus der Ordnung der Bunyaviren (Bunyavirales), die Vertreter mit einem Genom aus segmentierter, zirkulärer RNA negativer Polarität umfasst. Der Name rührt hert von der Nairobi-Schafkrankheit, die den Magen-Darm-Trakt von Schafen und Ziegen betrifft.[3] Die überwiegende Mehrheit, wenn nicht alle Viren dieser Gattung werden durch Zecken übertragene, die Wirbeltiere und insbesondere auch den Menschen befallen.[4]

Aufbau

Die Virionen (Viruspartikel) der Viren dieser Gattung sind sphärisch (kugelförmig).[5] Sie haben einen Durchmesser von etwa 80–120 nm, wobei 50 % ihres Gewichts den Proteinen und 20–30 % ihres Gewichts den Lipiden zugeordnet werden. Das Ribonukleokapsid ist filamentös und hat eine Länge von etwa 200–300 nm und eine Breite von etwa 2–2,5 nm.[6]

Diese Nukleokapside sind von einer einzigen Hülle mit aus ihrer Oberfläche herausragenden Vorsprüngen aus Glykoproteinen. Diese Vorsprünge bedecken gleichmäßig die Oberfläche des Virions und sind etwa 5–10 nm lang.[6]

(a) TEM-Aufnahme von Virionen des Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber-Virus (b) Aufbau der Orthonairoviridae-Virionen: Darstellung eines Virions im Querschnitt. Die helikalen Nukleokapside sind kreisförmig und bestehen aus je einem der ssRNA-Segmente (L, groß; M, mittel; S, klein), die vom N-Protein eingekapselt und mit dem L-Protein verbunden sind.


Genom

Genom des Dugbe-Virus (DUGV, Spezies Dugbe orthonairovirus)

Das Genom der Viren in der Gattung Orthonairovirus besteht aus einzelsträngiger RNA mit negativer Polarität. Das vollständige Genom ist etwa 17.100–22.800 nt lang und ist in drei Segmente unterteilt: groß (L), mittel (M) und klein (S).[4] Das große Segment ist etwa 11.000–14400 nt lang und kodiert für die virale Polymerase.[6][5] Das mittlere Segment ist etwa 4.400–6.300 nt lang und kodiert für die Glycoproteine Gn und Gc.[5] Das kleine Segment ist etwa 1.700–2.100 nt lang und kodiert für das Nukleocapsid-Protein.[4][6][5]

Das Genom hat terminal redundante Sequenzen, wobei die Sequenzen an beiden Enden wiederholt werden. [6] Die Sequenzen sind am 5'-Ende: UCUCAAAGA und am 3'-Ende: AGAGUAUCU.[6]

Vermehrung

Orthonairoviren heften sich mit ihrem Gn-Gc-Glykoprotein-Dimer an den Wirtsrezeptor.[5] Das Virus wird dann über Vesikel in die Wirtszelle aufgenommen (Endocytose). Die Ribonukleokapsidsegmente werden in das Zytoplasma (Zellflüssigkeit) freigesetzt, wobei die Transkription beginnt.[5] Transkription und Replikation erfolgen innerhalb der Zelle, und die neu synthetisierten Virionen werden durch Knospung freigesetzt.

Übertragung

Mitglieder dieser Virusgattung infizieren viele verschiedene Wirbeltiere (Vertebrata) und werden durch Zecken übertragen.[6] Sie sind überall auf der Welt zu finden, wo sich Gliederfüßer (Arthropoden) als Überträger (Vektoren) und Wirbeltiere (als Wirte) gemeinsam einfinden.[5]

Infektion beim Menschen

Bisher wurden nur vier Viren dieser Gattung als humanpathogene Erreger erkannt:

Ein fünftes – das Erve-Virus (ERVEV) – könnte auch für den Menschen pathogen sein.[7]

Ein weiteres Virus – das Yezo-Virus (YEZV) – wurde 2021 bei zwei Patienten auf Hokkaido, Japan, gefunden.[8]

Systematik

Die Gattung wird herkömmlich in mindestens neun Serogruppen klassifiziert. Die Hughes- und Sachalin-Serogruppen scheinen Schwestergruppen zu sein. Eine phylogenetische Analyse hat gezeigt, dass diese Viren in zwei monophyletische Hauptgruppen fallen, die nach ihren Zecken-Vektoren (Überträgern) in die harten (Ixodidae) und weichen (Argasidae) benannt werden.[9] Fossile und phylogenetische Daten datieren die Aufspaltung in diese beiden Gruppen zwischen 92 und 120 Millionen Jahre zurück. Dies legt nahe, dass die Orthonairoviren seit über 100 Millionen Jahren mit diesen Zecken als Überträger in Verbindung stehen (Koevolution). Darüber hinaus bilden Nairoviren, die durch Zecken der Gattungen Argas, Carios und Ornithodorus übertragen werden, drei separate monophyletische Abstammungslinien, was ebenfalls den Vorschlag einer Koevolution stützt.

Als Typusspezies hat das Dugbe orthonairovirus inzwischen das Nairobi sheep disease orthonairovirus abgelöst. Die folgende Systematik der Spezies der Gattung Orthonairovirus entspricht der des International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) mit Stand November 2018;[10] Abkürzungen nach ViralZone haben einen Stand von 2016;[11][4][12] die Spezies sind zusätzlich nach Sreogruppen klassifiziert. Die Virusnamen (Subspezies etc.) folgen dem 9. Report des ICTV und dem Update von 2018:[13][14]

Das früher hier aufgeführte Khasan-Virus (auch Khazan-Virus, KHAV) wird heute meist in die Virusgattung Phlebovirus (Uukuniemi-Serokomplex um die Spezies Uukuniemi-Phlebovirus) gestellt.[18][19]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b ICTV: ICTV Taxonomy history: Akabane orthobunyavirus, EC 51, Berlin, Germany, July 2019; Email ratification March 2020 (MSL #35)
  2. ICTV Master Species List 2018b.v2. MSL #34, März 2019
  3. ICTV 9th Report (2011) Bunyaviridae (Englisch, html) In: International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) . Abgerufen am 11. Februar 2019: „Nairo: from Nairobi sheep disease, first reported disease caused by member virus.“
  4. a b c d M. B. Crabtree, R. Sang, B. R. Miller: Kupe virus, a new virus in the family bunyaviridae, genus nairovirus, kenya. In: Emerging infectious diseases. Band 15, Nummer 2, Februar 2009, S. 147–154, doi:10.3201/eid1502.080851, PMID 19193256, PMC 2657624 (freier Volltext).
  5. a b c d e f g Nairovirus, auf: ViralZone, Swiss Institute of Bioinformatics (SIB)
  6. a b c d e f g Büchen-Osmond, Cornelia. "00.011.0.03. Nairovirus." ICTVdb Virus Descriptions. 25 April 2006. International Committee on Taxonomy of Viruses. 17 Apr. 2009.
  7. a b Empfehlung der ZKBS zur Risikobewertung des Erve-Virus als Spender- oder Empfängerorganismus für gentechnische Arbeiten gemäß § 5 Absatz 1 GenTSV (PDF) Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Juli 2009
  8. a b Enrico de Lazaro: New Tick-Borne Virus Discovered in Japan, auf: sci-news vom 4. Oktober 2021.
  9. E Honig, JC Osborne, ST Nichol: The high genetic variation of viruses of the genus Nairovirus reflects the diversity of their predominant tick hosts. In: Virology, 318(1), 2004, S. 10–16, PMID 14972529
  10. Master Species List 2018a v1. ICTV, MSL including all taxa updates since the 2017 release. Fall 2018 (MSL #33)
  11. Viralzone: ICTV 2016 Master Species List #31 with Acronyms (Excel XLSX), SIB Swiss Institute of Bioinformatics
  12. John PM Clerx, Jordi Casals, David HL Bishop: Structural Characteristics of Nairoviruses (Genus Nairovirus, Bunyaviridae). In: Journal of General Virology, 55, 1981, S. 165–178, PMID 7299367.
  13. ICTV: Negative Sense RNA Viruses: Bunyaviridae (2011), in: 9. Report des ICTV (2011)
  14. Piet Maes, S. Adkind, S. V. Alkhovsky et al.: Taxonomy of the order Bunyavirales: second update 2018. In: Arch Virol, Springer, Wien (2019), doi:10.1007/s00705-018-04127-3, ISSN 0304-8608
  15. P27317 (NCAP_CCHFV). Nucleoprotein des CCHFV Isolate C68031. UniProtKB
  16. D. K. L’vov et al.: Genetic characterization of the Geran virus (GERV, Bunyaviridae, Nairovirus, Qalyub group) isolated from the ticks Ornithodoros verrucosus Olenev, Zasukhin and Fenyuk, 1934 (Argasidae) collected in the burrow of Meriones erythrourus Grey, 1842 in Azerbaijan. In: Vopr Virusol., 2014, 59(5), S: 13–18, PMID 25895205
  17. NCBI: Yezo virus (species)
  18. SV Al'khovskiĭ, DK L'vov, MIu Shchelkanov, AM Shchetinin, PG Deriabin, EI Samokhvalov AK, Gitel'man, AG Botikov: The taxonomy of the Khasan virus (KHAV), a new representative of phlebovirus genera (Bunyaviridae), isolated from the ticks haemaphysalis longicornis (Neumann, 1901) in the Maritime Territory (Russia). In: Vopr Virusol., September/Oktober 2013, 58(5), S. 15–18, PMID 24640166 (Artikel russisch, nur Abstract englisch)
  19. ICTV: ICTV Taxonomy history: Uukuniemi phlebovirus, EC 51, Berlin, Germany, July 2019; Email ratification March 2020 (MSL #35)