Outing
Outing ist ein aus dem Englischen übernommener Begriff der Schwulen- und Lesbenbewegung, der sich zu Beginn der 1990er-Jahre auch in der deutschen Sprache durchsetzte. Das reflexive Verb „sich outen“ bezeichnet einen selbstbestimmten Akt (siehe Coming-out). Demgegenüber wird das transitive Verb „jemanden outen“ verwendet im Sinne von „jemanden einer Sache bezichtigen, die bis dahin geheim war“ (und die Betroffene gerne geheim halten wollen). Oft geht es dabei um sexuelle Themen (Beispiele: „outete ihn als Fremdgänger“ oder „… als Bordell-Stammkunden“), aber nicht nur (Beispiele: „outete ihn als Mitglied einer Geheimsekte“ oder „… als Medikamentenabhängigen“).
Begriffsherkunft und -entwicklung
Outing umschrieb ursprünglich das erzwungene Coming-out öffentlicher Personen durch bekennende und politisch aktive Homosexuelle. Die Praxis des „Outens“ ist vor dem Hintergrund der Act-Up-Bewegung entstanden und wurde als bewusst provokative Aktion eingesetzt, um durch das Benennen von homosexuellen Prominenten diese dazu zu zwingen, sich auch in der Öffentlichkeit zu ihrer Homosexualität zu bekennen. Bekannte englischsprachige Outing-Ziele waren u. a. die Schauspielerin Jodie Foster oder der Popsänger Boy George. Outing wurde ausdrücklich nicht als Diffamierung verstanden, sondern als offensiver Befreiungsschlag der Gay Liberation Community, der besonders homosexuelle Jugendliche dabei unterstützen sollte, ihr Selbstbewusstsein zu entwickeln sowie prominente Identifikationsfiguren zu finden.
In verschiedenen Teilen der europäischen Lesben- und Schwulenbewegung wurde diese Praxis kontrovers diskutiert. Ein gewichtiges Gegenargument war, niemandem stehe zu, über die Bereitschaft anderer zu befinden, ihre sexuelle Orientierung offenzulegen. Angesichts der eigenen Forderung, der Staat, also die Allgemeinheit, habe sich aus dem Privatleben, der Privatsphäre herauszuhalten, sei es unvertretbar, dass Menschen mit Privilegierten unter den Mit-Diskriminierten gezielt so verfahren. Darauf präzisierte die britische Organisation OutRage! die Kriterien für ihre Vorgangsweise Mitte der 1990er-Jahre: zu outen seien demnach Prominente, die ihre eigene gleichgeschlechtliche Orientierung geheim halten, sich jedoch öffentlich homophob äußern oder verhalten – ob aus Neid auf andere, denen ein offenes Leben (leichter) möglich ist, oder zur Ablenkung. Das Argument beschrieb also sozusagen Verräter – das medial spektakulärste Beispiel waren Bischöfe. Die meisten Organisationen jedoch kamen nach eingehender Debatte (auch innerhalb der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) zu dem Schluss, die Achtung der Privatsphäre müsse aus ethischen Erwägungen Vorrang haben, zudem solle nicht anderen Beispielen von Präzedenzfällen für die Aushöhlung von Menschenrechten gefolgt werden.
Duden
Der Online-Duden erklärt das Outing nur kurz als „das Outen, Sichouten“. Die Bedeutung des Verbs outen wird angegeben als „1. jemandes homosexuelle Veranlagung (besonders die einer prominenten Person) ohne dessen Zustimmung bekannt machen; 2. sich öffentlich zu seinen homosexuellen Veranlagungen bekennen“. Bereits im Rechtschreibduden von 1996 wird outen geführt.[1]
Die Bezeichnung „outing“ im Englischen
In der englischen Sprache bezeichnete outing ursprünglich eine Exkursion, beispielsweise einen Schul- oder Firmenausflug und wird bis heute meist in dieser originären Bedeutung verwendet. Erst Ende des 20. Jahrhunderts kam die neue Bedeutung analog zur deutschen Bezeichnung hinzu, und schließlich ebenso – zeitlich verzögert – ihre Verwässerung.
Abgrenzung Fremd- und Selbstouting
1995 vermengte der Bericht eines auflagenstarken Magazins über eine punktuelle Outing-Aktion von vier österreichischen Bischöfen die Ausdrücke Coming-out, Going Public (siehe äußeres Coming-out) und Outing. Dieser streng genommen falsche Wortgebrauch verbreitete sich im bestehenden Begriffsvakuum sehr schnell.[2]
In den meisten deutschsprachigen Medien (etwa österreichische Zeitungen, ORF, Der Spiegel) wurde Outing als Oberbegriff für alles verwendet – vom freiwilligen Deklarieren bis zum unfreiwilligen Geoutet- oder Bloßgestelltwerden. Da Letzteres Seltenheitswert behielt, blieb der Begriff – im Widerspruch zum auch auf Englisch noch recht neuen Wortsinn – nunmehr mit dem freiwilligen Schritt verbunden. So wurde der Schritt des regierenden Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit („… und das ist auch gut so!“) medial als „Outing“ gewürdigt.
Verselbständigung des Begriffs
Nicht lange davor hatte sich der Terminus erst im englischen Sprachraum als Synonym dafür etabliert, andere Menschen öffentlich an den Pranger zu stellen, inzwischen aber bereits unabhängig vom Thema der Bloßstellung, und wurde in diesem Sinn von der Sensationspresse und den Boulevardmedien eingesetzt. Somit wirkten das Ausblenden des thematischen Zusammenhangs mit sexueller Orientierung einerseits und der Bloßstellung andererseits (auch das strahlte nach und nach auf den englischsprachigen Raum aus) zusammen.
Nur bei präziserem Sprachgebrauch wird als Outing weiterhin die Veröffentlichung privater Gewohnheiten der Betroffenen zumindest gegen deren Willen, womöglich mit der Absicht einer gezielten Rufbeschädigung, bezeichnet.
Unabhängig von sexuellen Vorlieben oder von der sexuellen Orientierung wird der Begriff in einem gleichartigen Sinn – also gegenüber der Öffentlichkeit zu sich selbst zu stehen – auch häufig im Zusammenhang mit transgender oder Transsexualität verwendet.
Dass auch das Bekanntwerden eines privaten Engagements im Bereich BDSM noch immer zu erheblichen beruflichen Problemen führen kann, zeigt exemplarisch der Outing-Fall des UN-Waffeninspekteurs Jack McGeorge im Jahr 2003.
Outing in Deutschland
In Deutschland wurde diese umstrittene Praxis durch den Filmemacher Rosa von Praunheim praktiziert. Großes Aufsehen erregte er im Dezember 1991, als er den Moderator Alfred Biolek und den Komiker Hape Kerkeling in der RTL-plus-Sendung Explosiv – Der heiße Stuhl ohne deren Einwilligungen öffentlich als schwul bezeichnete.
Behauptet jemand wissentlich fälschlich, eine Person sei homosexuell, so gilt das in den Rechtsordnungen mehrerer Länder als Verleumdung (zu Deutschland siehe Verleumdung § 187 StGB).
Beispiele
- Harden-Eulenburg-Affäre (Kontroversen um homosexuelles Verhalten um 1909)
- Blomberg-Fritsch-Affäre (im Nationalsozialismus 1938)
- Kießling-Affäre (Kontroverse 1984 um Vier-Sterne-General)
Siehe auch
- #ActOut (Coming-out von 185 „Schauspieler*innen“ im Februar 2021)
- #OutInChurch (Coming-out von queeren Angehörigen der katholischen Kirche im Januar 2022)
- gemischtorientierte Ehe (ein Partner heterosexuell, der andere homosexuell oder bisexuell)
Literatur
- Jody Skinner: Bezeichnungen für Homosexuelle im Deutschen. Band 2: Ein Wörterbuch. Blaue Eule, Essen 1999, ISBN 3-89206-903-4.
- Donald Webster Cory: The Homosexual in America: A Subjective Approach. Greenfield, New York 1951 (englisch).
- Wayne Dynes (Hrsg.): Encyclopedia of Homosexuality. Garland, New York/London 1990 (englisch).
- Larry Gross: Contested Closets: The Politics and Ethics of Outing. University of Minnesota Press, 1993, ISBN 0-8166-2179-9 (englisch).
- Warren Johansson, William Armstrong Percy: Outing: Shattering the Conspiracy of Silence. Park Press, Harrington 1994 (englisch).
- Michelango Signorile: Queer In America: Sex, Media, and the Closets of Power. 1993, ISBN 0-299-19374-8 (englisch).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Worteinträge: Outing, das + outen. In: Duden online. Abgerufen am 3. März 2022.
- ↑ Homosexuelle Initiative Wien (HOSI), Presseaussendung: HOSI Wien zum Outing Haiders als Homosexueller. In: HOSIwien.at. 22. März 2000, abgerufen am 13. Februar 2022.