Pädokriminalität

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Pädokriminalität ist ein Sammelbegriff für verschiedene Arten sexueller Gewalt gegen Kinder.[1][2] Der Begriff wurde in den 1980er Jahren geprägt. Seine Verwendung ist umstritten, allerdings wird in diversen Schriftstücken des UNHCHR, der WHO sowie UNICEF[3] das Wort ,Pädokriminalität‘ (frz. pédocriminalité, engl. pedocriminality) zusammenfassend für den Themenkomplex rund um sexuellen Kindesmissbrauch, Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie verwendet.[4] Dabei steht der Aspekt des Handels mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern oder den Produkten daraus teils im Mittelpunkt.[5]

Begriffliche Abgrenzung zur Pädophilie

Kinderschützer argumentieren, dass der psychiatrische Begriff ,Pädophilie‘ unpassend sei, da er das Wort ,-philie‘ (etwa: Liebe zu; Zuneigung zu) beinhaltet.[2] Sexualstraftäter, die sich an Kindern vergehen, würden sich oft hinter diesem medizinischen Fachbegriff verstecken, obwohl in vielen Fällen die medizinische Indikation nicht gegeben sei. In den Augen der Befürworter des Begriffes ist 'Pädokriminalität' der einzig geeignete Begriff, da er anders als die anderen Begriffe den Sachverhalt insgesamt eindeutig bezeichne und nicht nur juristische oder medizinische Teilaspekte des Problems des sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Sophinette Becker – zu Lebzeiten Sexualwissenschaftlerin und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung – lehnte den Begriff ab: ansonste müsse man auch „Vergewaltigung Heterokriminalität nennen“.[6] Becker machte auf die „Fallen der Generationendifferenz“ und der „Infantilisierung des erotischen Ideals“ aufmerksam und hielt das „Verschwinden der Generationendifferenz“ für fatal, weil es, wenn sie wegfalle, keinen Grund mehr dafür gebe, „dass es keine intergenerationellen sexuellen Beziehungen geben sollte“.[6]

Strukturelle Pädokriminalität in Deutschland

In einer im Februar 2021 veröffentlichten Vorstudie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, in der die Vernetzungen, Organisationsformen und Strukturen Pädokrimineller in Westberlin seit den 1970er-Jahren dargestellt werden, wird deutlich, dass Westberlin bis zur Wiedervereinigung das Zentrum pädosexueller Netzwerke war und dass von diesem Standort aus versucht wurde, eine deutschlandweite Bewegung zu etablieren und international zu vernetzen.[7][8]

Literatur

  • Adolf Gallwitz, Manfred Paulus: Pädokriminalität weltweit. Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden 2009, ISBN 978-3-8011-0598-3 (Besprechung, PDF-Datei; 2,79 MB)

Einzelnachweise

  1. Andrea Buskotte 2010: Sexuelle Ausbeutung von Kindern. In: Bernd-Dieter Meier (Hrsg.) Kinder im Unrecht, Junge Menschen als Täter und Opfer, Band 27 von Kriminalwissenschaftliche Schriften, LIT Verlag Münster, ISBN 3643105053, S. 63.
  2. a b Adolf Gallwitz, Manfred Paulus 2009: Pädokriminalität weltweit: sexueller Kindesmissbrauch, Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie. VDP, Verl. Dt. Polizeiliteratur, ISBN 3801105989.
  3. Cathrin Schauer: Kinder auf dem Strich: Bericht von der deutsch-tschechischen Grenze. Hrsg. von Deutsches Komitee für UNICEF, ECPAT Deutschland
  4. Amt für soziale Sicherheit ASO, Kanton Solothurn: Grundlagenbericht Dezember 2005/April 2006@1@2Vorlage:Toter Link/www.so.ch (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 220 kB). S. 12
  5. Anita Heiliger 2003: Perspektiven der Beendigung von Männergewalt gegen Frauen. In: Antje Hilbig, Claudia Kajatin, Ingrid Miethe: Frauen und Gewalt: interdisziplinäre Untersuchungen zu geschlechtsgebundener Gewalt in Theorie und Praxis, ISBN 3826023625, S. 276
  6. a b Sophinette Becker, Julia König: »Sexualität, die stört« Ein Gespräch. In: Freie Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie. Band 19, Nr. 1, 2016, ISSN 1434-7849, S. 113–127 (psychoanalytischesozialpsychologie.de [PDF; 315 kB; abgerufen am 18. April 2022]).
  7. Programmatik und Wirken pädosexueller Netzwerke in Berlin. Abgerufen am 3. März 2021 (deutsch).
  8. Nina Apin: Pädosexuelle Netzwerke in Berlin: Man hat noch nicht mal weggesehen. In: Die Tageszeitung: taz. 27. Februar 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 3. März 2021]).