PVS-RIPO

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PVS-RIPO, auch PVSRIPO, ist ein genetisch verändertes Poliovirus, das als Wirkstoff gegen bestimmte Krebsarten untersucht wird. Es gehört zu den krebszellabtötenden (onkolytischen) Viren und wurde in Studien schon vereinzelt zur Behandlung eines bösartigen Hirntumors (Glioblastom) eingesetzt.

Eigenschaften

PVS-RIPO ist ein attenuiertes und kaum pathogenes onkolytisches Virus. Es leitet sich vom oral wirksamen Polioimpfstoff (Serotyp 1 bzw. Sabin-Stamm des Poliovirus) ab. Im Virusgenom wurde mittels rekombinanter DNA-Technologie die interne ribosomale Eintrittsstelle (IRES) durch eine aus menschlichem Rhinovirus Typ 2 (HRV-2) ersetzt, wodurch keine Replikation in Neuronen mehr vorkommt.[1][2]

Das Acronym PVS-RIPO entstammt dem englischen Namen poliovirus (Sabin) rhinovirus IRES poliovirus open reading frame.

Wirkmechanismus

PVS-RIPO repliziert selektiv in Tumorzellen, die das CD155 („Poliovirusrezeptor“) exprimieren. CD155 ist ein Transmembranprotein der Immunglobulin-Superfamilie und ein Tumorantigen. CD155 spielt eine Rolle bei Tumorzellmigration, Invasion und Metastasierung. Aufgrund der heterologen HRV2-IRES wird PVS-RIPO nur in anfälligen, nichtneuronalen Zellen repliziert.[1] Normale Zellen werden dadurch im Gegensatz zur Chemotherapie kaum angegriffen. Man geht davon aus, dass eine Wirksamkeit weniger über die Zelllyse als vielmehr über die Auslösung einer antineoplastischen Immunantwort zustande kommt.

Potentielle Anwendungsgebiete

Bei Versuchen mit Rhesusaffen, die mit verschiedenen Krebsarten infiziert worden waren, konnte das Virus den Krebs vernichten, wobei die Versuchstiere keine Folgeschäden davontrugen. PVS-RIPO wurde 2012 von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA für Studien an Menschen zugelassen.[3]

Mediale Aufmerksamkeit[3][4] erlangte PVS-RIPO 2015 nach einer Reportage im US-amerikanischen Nachrichtenmagazin 60 Minutes, in der über frühe Ergebnisse in der experimentellen Behandlung des Glioblastoms berichtet worden war. PVS-RIPO wurde dabei über einen Katheter durch die Schädeldecke des Patienten direkt in den Tumor verabreicht. Im Mai 2016 vermeldete die Duke University im US-Bundesstaat North Carolina, wo die Therapie entwickelt wird, die FDA habe dem Mittel den Status einer Breakthrough Therapy („bahnbrechende Therapie“) verliehen.[5]

Da CD155 nicht nur in Hirntumorzellen verstärkt exprimiert wird, sondern auch in etlichen anderen Typen von Tumorzellen, zum Beispiel Brustkrebs, Lungenkrebs, kolorektalem Karzinom und Leberkrebs, können auch diese Zellen mit PVS-RIPO infiziert werden.[6] Die Wirkung wird in Xenograft-Tiermodellen untersucht.[7]

Weblinks

  • Michael C. Brown, Matthias Gromeier: Oncolytic Immunotherapy Through Tumor-specific Translation and Cytotoxicity of Poliovirus. In: Discovery Medicine, Nr. 19 (2015), S. 359–365. PMID 26105699. PMC 4780852 (freier Volltext).

Einzelnachweise

  1. a b NCI Drug Dictionary - recombinant oncolytic poliovirus PVS-RIPO
  2. J. Ylä-Pelto, L. Tripathi, P. Susi: Therapeutic Use of Native and Recombinant Enteroviruses. In: Viruses. Band 8, Nummer 3, Februar 2016, S. 57, doi:10.3390/v8030057, PMID 26907330, PMC 4810247 (freier Volltext).
  3. a b PVS-RIPO heilt Krebs laut rponline vom 2. April 2015, abgerufen am 11. Dezember 2016
  4. Onkolytische Therapieansätze laut deutschlandfunk.de vom 14. Juni 2015, abgerufen am 11. Dezember 2016
  5. Poliovirus wins breakthrough status, Duke Today, 16. Mai 2016.
  6. C. Goetz et al.: Oncolytic poliovirus against malignant glioma. Future Virology, Vol. 6, Nr. 9 (2011), S. 1045–1058. doi:10.2217/fvl.11.76, PMC 3187927 (freier Volltext)
  7. Eda K. Holl et al.: Recombinant oncolytic poliovirus, PVSRIPO, has potent cytotoxic and innate inflammatory effects, mediating therapy in human breast and prostate cancer xenograft models. Oncotarget, Nr. 7 (2016); S. 79828–79841. doi:10.18632/oncotarget.12975, PMC 5346754 (freier Volltext)