Pachtbahn

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Pachtbahn bezeichnet eine Eisenbahnstrecke des öffentlichen Verkehrs im ehemaligen Königreich Bayern. Diese Bahnen wurden mit privatem Kapital errichtet und an die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen verpachtet. Erste Pachtbahn war die Strecke von Neuenmarkt nach Bayreuth.

Geschichte

Rechts die Pachtbahn kurz vor dem Hauptbahnhof Bayreuth, links die Strecke von Warmensteinach, 1987

Die ersten bayerischen Bahnstrecken wurden von privater Hand gebaut, so auch die erste deutsche Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth und die 1840 eröffnete Bahn von München nach Augsburg.

Ende 1840 beschloss König Ludwig I. den Bau einer ersten staatlich finanzierten Bahn. Sie sollte von Augsburg über Nürnberg zur nördlichen Staatsgrenze bei Hof führen, wobei die Stadt Bayreuth hoffte, in die Streckenführung einbezogen zu werden. Zum Leidwesen der Stadtväter wurde die Trasse durch das Rotmain- und Trebgasttal zugunsten der kürzeren Variante von Kulmbach nach Neuenmarkt verworfen. Neuenmarkt wurde von Lichtenfels her am 15. Oktober 1846 erreicht[1] und erhielt aufgrund seiner Lage am Fuß der Schiefen Ebene umfangreiche Bahnanlagen.

Auch die Bahnstrecke München–Augsburg wurde ab 1844, als Teil der Ludwig-Süd-Nordbahn, vom Staat betrieben. Eine – nicht nur auf Bayern beschränkte – Finanzkrise Mitte 1846 ließ aber die vom Staat in Anspruch genommenen Darlehensquellen ein Jahr später versiegen. Alle Bahnbauten wurden für mehrere Monate auf Eis gelegt. Danach wurden alle verfügbaren Mittel auf den Bahnbau im nordbayerischen Raum konzentriert.[2] In diesem Rahmen wurde am 1. November die topografisch anspruchsvolle Strecke nach Hof vollendet. Für weitere Bahnbauten hatte die Krise zur Folge, dass wieder nach Privatinitiativen Umschau gehalten wurde.

Ohnehin ging die Erschließung des landwirtschaftlich geprägten Bayern nur zäh voran. Ludwig I. betrachtete die „stählernen Straßen“ als unliebsame Konkurrenz für sein liebstes Projekt, den Donau-Main-Kanal, den er als Verkehrsmittel der Zukunft sah. Unter Maximilian II. war die Staatskasse leer und an staatlichen Eisenbahnbau nicht zu denken. Dessen Sohn Ludwig II. investierte später lieber Millionen in Traumschlösser als in die Infrastruktur des Landes. Die Rückständigkeit Bayerns, wo die erste deutsche Eisenbahn fuhr, war im 19. Jahrhundert bittere Realität.[3]

Vor diesem Hintergrund entstand das Konzept der Pachtbahnen. Bayreuth hatte, nach der Ablehnung seines Anliegens, bereits am 31. Januar 1845 um die Erlaubnis zur Errichtung einer Aktiengesellschaft für den Bau einer Zweigbahn von Neuenmarkt ersucht. Diesem Wunsch wurde zunächst nicht stattgegeben, erst ein zweites Gesuch von 1850 brachte neues Leben in das Projekt. Eine „Königliche Entschließung“ vom 25. Juli des Jahres lautete wie folgt: „Wir gestatten, daß in den geeigneten Fällen von den betreffenden Staatsministerien Anträge auf Pachtung des Betriebs von Privat-Eisenbahnen für Rechnung des Staates an Uns gebracht werden.“[4]

Der in der Folge zwischen der Stadtgemeinde Bayreuth und der „Königlich Bayerischen Staatsregierung“ geschlossene Vertrag beinhaltete die Finanzierung und den Bau der Bahn einschließlich aller Hochbauten durch die Stadt. Der Betrieb wurde für die Dauer von 50 Jahren der Staatsregierung zur Pacht überlassen, bei einem am Ende jedes Etatjahres zu entrichtenden „Pachtschilling“ von 55.000 Gulden. Die Regierung verpflichtete sich zum Betrieb der Bahn und behielt sich ein Kaufrecht gegen Entrichtung des Baukapitals vor. Auf dieser Grundlage wurde die erste bayerische Pachtbahn ab Oktober 1852 gebaut und am 28. November 1853 eröffnet.

Mit der „Pachtbahnverordnung“ vom 20. Juni 1855 wurde die Grundlage für weitere derartige Projekte geschaffen. Sie sah eine fünfprozentige „Rente“ für die Tilgung und Verzinsung des Anlagekapitals vor. Das rollende Material stellte von Anfang der Staat, die Bahnanlagen sollten ihm nach einer vertraglich vorbestimmten Pachtzeit überlassen werden.[5]

Nach der Bayreuther Pachtbahn wurden in Bayern noch sieben weitere Strecken nach diesem Konzept geschaffen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den privat gebauten und betriebenen Strecken wie dem umfangreichen Netz der Bayerischen Ostbahn und den zahlreichen privaten Lokalbahnen der LAG und weiteren Betreibern.

Strecken

Nach der Bahn von Neuenmarkt nach Bayreuth entstanden als weitere Pachtbahnen die folgenden Strecken (mit Eröffnungsdatum):

Die Strecke wurde von den Zechenbesitzern des Steinkohlenreviers bei Stockheim gebaut und anschließend vom bayerischen Staat gepachtet und betrieben.[9]

Pachtbahnen in Baden

Baden führte als einziger deutscher Staat ebenfalls Pachtbahnen ein. Das Konzept wich vom bayerischen ab, auch wurde die Bezeichnung „Pachtbahn“ nicht üblich, man sprach stattdessen von „Privatbahnen“ oder „Privaten Seitenbahnen“. Erste derartige Bahn war die 1862 eröffnete, 22 Kilometer lange Wiesentalbahn von Basel über Lörrach nach Schopfheim. Bis Mitte der 1870er Jahre wurden neun weitere Strecken konzessioniert.[10]

Literatur

  • Robert Zintl: Bayreuth und die Eisenbahn. Gondrom, Bindlach 1992, ISBN 3-8112-0780-6.
  • Manfred Bräunlein: Fränkische Eisenbahnen. Lorenz Spindler, Nürnberg 1996, ISBN 3-88929-076-0.
  • Bernhard Ücker: Die Bayerische Eisenbahn. Süddeutscher Verlag, München 1985, ISBN 3-7991-6255-0.
  • Dieter Ziegler: Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung. Franz Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 978-3-515-06749-2.

Einzelnachweise

  1. Robert Zintl: Bayreuth und die Eisenbahn, S. 18
  2. Bernhard Ücker: Die Bayerische Eisenbahn 1835-1920, S. 24/25
  3. a b Lok Magazin 6/2007, S. 74 f.
  4. Robert Zintl: Bayreuth und die Eisenbahn, S. 19
  5. Manfred Bräunlein: Fränkische Eisenbahnen, S. 144
  6. Dieter Ziegler: Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung, S. 321
  7. a b c d e f g Robert Zintl: Bayreuth und die Eisenbahn, S. 25
  8. a b c Dieter Ziegler: Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung, S. 323
  9. 100 Jahre Frankenwaldbahn in: Eisenbahn Magazin 1/1986, S. 21 ff.
  10. Dieter Ziegler: Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung, S. 325ff