padeluun
padeluun, der öffentlich nur unter diesem Pseudonym auftritt,[1] ist ein deutscher Künstler und Netzaktivist, der für digitale Bürgerrechte eintritt[2] und Sachverständiger in der Internet-Enquete-Kommission des Bundestags war.[3]
Er gründete 1984 zusammen mit Rena Tangens das Kunstprojekt und die Galerie Art d’Ameublement. Er ist Mitbegründer und Vorsitzender des Grundrechte- und Datenschutzvereins Digitalcourage (vormals FoeBuD), Mitarbeiter im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und einer der Organisatoren sowie Jurymitglied der deutschen Big Brother Awards, die seit dem Jahr 2000 jährlich in Bielefeld verliehen werden. Er lebt in Bielefeld und Berlin.
Projekte und Ehrungen
Ende der 1970er Jahre war padeluun in der Düsseldorfer New-Wave- und der Berliner Punk-Szene als Performancekünstler und als Super-8-Filmer aktiv. Er war sporadisches Mitglied von Minus Delta t und ist einer der Protagonisten in Jürgen Teipels Roman Verschwende Deine Jugend.[4] 1976 legte padeluun seinen bürgerlichen Namen ab: „Ich habe mich mit 18 Jahren entschieden, mein altes Leben wegzulegen und neu anzufangen – als Künstler. Um diesen Neuanfang darzustellen, habe ich einen neuen Namen angenommen“, so padeluun zu dem Grund der Namensänderung.[5] 1981 trat er beim Festival Genialer Dilletanten im Berliner Tempodrom auf. Seit 1984 arbeitet er in Bielefeld und wurde durch eine Reihe von Aktivitäten und Projekten bekannt. Sein Projekt Art d’Ameublement (gemeinsam mit Rena Tangens) wurde 1984 mit dem Sonderpreis des Marler Video-Kunst-Preises ausgezeichnet. 1987 nahm er zusammen mit der Gruppe ASA am Performanceprogramm der documenta 8 teil.[6] Zwei Jahre später gehörte padeluun zu einer Gruppe von Künstlern und Pionieren der elektronischen Kunst, die zur Ars Electronica in Linz 1989 Van Gogh TV vorstellten. 1990 zeigten sie auf der Ars Electronica das Projekt Hotel Pompino.[7]
padeluun ist Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs.
Im April 2018 wurde beschlossen, Rena Tangens und padeluun die Ehrennadel der Stadt Bielefeld zu verleihen. Zur Begründung hieß es, sie hätten sich mit ihrem Einsatz für den Datenschutz und Menschenrechte um das Wohl und Ansehen der Stadt Bielefeld verdient gemacht.[8][9][10]
Tätigkeit
Parallel zu seinem künstlerischen Engagement gründete er das Unternehmen Zerberus GmbH und beschäftigte sich mit der Weiterentwicklung der gleichnamigen Software für das Z-Netz und das CL-Netz. Diese beiden Mailbox-Netze dienten in den 1980er und verstärkt in den 1990er Jahren der elektronischen Kommunikation einer Gegenöffentlichkeit von Initiativen und Aktivisten aus Umweltschutz, Menschenrechten und anderen Themenfeldern. Für den Betrieb der Mailbox BIONIC als einem der Knotenpunkte des Z-Netzes gründete er 1987 den Verein FoeBuD e. V. (2012 umbenannt zu Digitalcourage) mit. Im Zuge der Jugoslawienkriege ging FoeBuD als Akteur in die Kriegsregion und baute eine elektronische Vernetzung auf der technischen Basis der Zerberus-Software über die Fronten hinweg zwischen Menschen der kriegsführenden Völker auf. Dabei entwickelte er sich zu einem Friedens- und politischen Aktivisten. Der Verein und er wurden in der Folge zu einem bedeutenden Akteur in der netzpolitischen Debatte, insbesondere über Datenschutz. 1995 trat er auf der Veranstaltung „Interfiction“ in Kassel auf und stellt die Netzthesen[11] zur Diskussion. Seit 2000 vergibt FoeBuD, heute Digitalcourage, die deutschen Big Brother Awards.
Forderung nach Abschaffung der Geheimdienste
Gemäß padeluun seien Geheimdienste kontraproduktiv. Statt einer BND-Reform stellt er die Geheimdienste allgemein in Frage. Die Reform erlaube es dem Geheimdienst noch mehr als bislang, Internetknotenpunkte in Deutschland anzuzapfen. In Bezug auf den Verfassungsschutz sagte er: „Das können Institute machen, da recherchiert die Antifa besser über die rechte Szene.“[12]
Stellungnahme zu Internet-Monopolen und zu sozialen Medien
Im April 2019 nahm padeluun im Zusammenhang mit der Urheberrechtsreform der Europäischen Union für das Internet folgendermaßen Stellung: „Wir haben zugelassen, dass sich im Netz die Googles und Facebooks dieser Welt breitgemacht haben. Wir haben völlig versagt, die Netze so zu gestalten, dass sie funktionieren können. Es gibt dort nichts Soziales, auch wenn wir von sozialen Medien sprechen. Es geht darum, möglichst viele Daten von den Nutzern zu erzeugen und zu Geld und Macht zu machen.“[13]
Statt ein „deutsches oder europäisches Google“ zu fordern, hält er einen europäischen Suchindex für sinnvoll.[14]
Schriften
- Alle Macht der Super 8, DVD, 1981/2005.
- padeluun und die publicity band O.N.M „Deutschland über alles/Nazis are no fun“, Single 7″, Rondo Fit 5, 1980.
- Schwarzbuch Datenschutz. Ausgezeichnete Datenkraken der BigBrotherAwards. Edition Nautilus 2006, ISBN 3-89401-494-6.
Weblinks
- Rena Tangens und padeluun: Art d’Ameublement – Pour Les Bourgeois Nouveaux.
- Rena Tangens und padeluun: Big Brother – der Kampf gegen die Überwachung. In: Wem gehört das Internet? Dokumentation zum Kongress „VT Jahre Vernetzung“ 16. und 17. November 2007, München. Verlag Dr. Gabriele Hooffacker, München, 2008, ISBN 978-3-9805604-3-6, S. 37–41 (padeluuns Werk in einem 20-jährigen Überblick; pdf, 938 kB).
- Tilman Baumgärtel: Die Künstler als Katalysatoren. In: Telepolis. 26. Juni 1997 .
Einzelnachweise
- ↑ Steffen Kraft: „Ich habe mein altes Leben weggelegt“. In: der Freitag. 28. Dezember 2012, abgerufen am 4. April 2019.
- ↑ Nils Weisensee: Angriff auf die Ahnungslosen. In: Spiegel Online. 5. Juli 2007, abgerufen am 4. April 2019: „Der Netzaktivist padeluun vom Computerverein FoeBuD, seit Jahren unterwegs für digitale Bürgerrechte und in Deutschland Verleiher des Schnüffler-Preises Big Brother Award […]“
- ↑ Steffen Kraft: „Ich habe mein altes Leben weggelegt“. In: der Freitag. Das Meinungsmedium. 28. Dezember 2012, abgerufen am 25. April 2019.
- ↑ Steffen Kraft: Verschwende Deine Jugend. Ein Doku-Roman über den deutschen Punk und New Wave. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2001, ISBN 3-518-39771-0.
- ↑ Steffen Kraft: „Ich habe mein altes Leben weggelegt“. In: der Freitag. Das Meinungsmedium. 28. Dezember 2012, abgerufen am 25. April 2019.
- ↑ Elisabeth Jappe: Performance, Ritual, Prozess: Handbuch der Aktionskunst in Europa. Prestel, München 1993, ISBN 3-7913-1300-2.
Documenta, Teil 8, Band 3: Künstlerbuch. Weber und Weidemeyer, Kassel 1987. ISBN 3-925272-11-9. (Offizieller Katalog.) - ↑ Projekt / Hotel Pompino: fernsehen zum Mitspielen. (pdf, 757 kB) In: Ars Electronica Linz. 6. Juli 2004, archiviert vom Original am 4. Januar 2015; abgerufen am 4. April 2019.
- ↑ Ehrennadel für Tangens und padeluun. In: Radio Bielefeld. 18. April 2018, abgerufen am 4. April 2019.
- ↑ Rena Tangens und padeluun erhalten Ehrennadel. Presseamt Stadt Bielefeld, 19. April 2018, archiviert vom Original am 23. April 2018; abgerufen am 4. April 2019.
- ↑ Verleihung der Ehrennadel der Stadt Bielefeld. Stadt Bielefeld, Juni 2018, abgerufen am 13. September 2020.
- ↑ padeluun: Netzthesen: Thesen für eine vernetzte Welt [1995]. In: ameublement.de. 13. April 2017, abgerufen am 4. April 2019.
- ↑ padeluun im Gespräch mit André Hattung: "Wofür brauchen wir eigentlich Geheimdienste?" In: Deutschlandfunk Kultur. 21. Oktober 2016, abgerufen am 25. April 2019.
- ↑ Peter Welchering: Urheberrecht: "Bundesregierung muss Nein sagen". In: zdf.de m. 15. April 2019, abgerufen am 25. April 2019.
- ↑ Svenja Bergt: padeluun über mächtige Tech-Konzerne: „Man muss Google zerschlagen“. Nur ohne Tech-Giganten ist eine Gesellschaft möglich, in der die digitale Vernetzung nicht zu einer permanenten Gefahr wird, sagt Digitalexperte padeluun. In: taz.de. Die Tageszeitung, 9. Oktober 2021, abgerufen am 10. Oktober 2021 (padeluun im Interview).
Personendaten | |
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NAME | padeluun |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Künstler und Netzaktivist |
GEBURTSDATUM | 20. Jahrhundert |