Palastschule Karls des Großen
Als Palastschule Karls des Großen oder Gruppe des Krönungsevangeliars wird eine Malerschule der karolingischen Buchmalerei bezeichnet, dessen Hauptwerk das Krönungsevangeliar darstellt.
Sie ist wohl in Aachen zu lokalisieren,[1] weicht aber deutlich von den Illustrationen der Hofschule ab und steht eher in hellenistisch-byzantinischer Tradition und gruppiert sich um das Wiener Krönungsevangeliar, das um 800 hergestellt wurde. Der Legende zufolge fand Otto III. die Prachthandschrift bei der Öffnung des Grabes Karls des Großen im Jahr 1000. Seitdem war das auch künstlerisch bedeutendste Manuskript dieser Werkgruppe Bestandteil der Reichsinsignien, und die deutschen Könige legten den Krönungseid auf das Evangeliar ab. In Abgrenzung zur Hofschule werden die Handschriften der Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars einer Palastschule Karls des Großen zugerechnet. Ihr gehören vier weitere Manuskripte an: Das Schatzkammer-Evangeliar, das Xantener Evangeliar und ein Evangeliar aus Aachen,[2] die alle Anfang des 9. Jahrhunderts anzusetzen sind.
Die Manuskripte der Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars haben in ihrer Zeit im nördlichen Europa keine Vorläufer. Die mühelose Virtuosität, mit der die spätantiken Formen realisiert wurden, müssen die Künstler in Byzanz, vielleicht auch in Italien erlernt haben.[1] Im Vergleich mit der Ada-Gruppe der Hofschule fehlt ihnen insbesondere der horror vacui. Die durch dynamische Schwünge bewegten Figuren der Evangelisten sind in der Haltung antiker Philosophen dargestellt. Ihre kraftvoll modellierten Körper, luftige und lichtdurchflutete Landschaften sowie mythologische Personifikationen und andere klassische Motive verleihen den Werken dieser Gruppe den atmosphärischen und illusionistischen Charakter der hellenistischen Malweise.
Zu Lebzeiten Karls scheint die Palastschule ein relativ isolierter Sonderfall der Buchmalerei gewesen zu sein, die im Schatten der Hofschule stand.[1] Nach Karls Tod war es jedoch diese Malschule, die sehr viel stärkeren Einfluss auf die karolingische Buchmalerei ausübte als die Ada-Gruppe.
Einzelnachweise
- ↑ a b c Hans Holländer: Die Entstehung Europas. In: Belser Stilgeschichte. Studienausgabe, Band 2, herausgegeben von Christoph Wetzel, Belser, Stuttgart 1993, S. 249
- ↑ Brescia, Biblioteca Queriniana, Ms. E. II. 9.