Papias von Hierapolis

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Papias von Hierapolis (altgriechisch Παπίας Ἱεραπόλεως/ὁ Ἱεραπολίτης) (um 60 bis etwa 163 n. Chr.[1][2]) war einer der frühen Kirchenväter sowie Bischof und Theologe in der phrygischen Stadt Hierapolis (heute eine Ruinenstätte bei Pamukkale im Westen der Türkei). Seine nur bruchstückhaft überlieferten Fünf Bücher der Darstellung der Herrnworte entstanden etwa 100 n. Chr. Sein Werk ist die früheste Quelle, die über die Autorenschaft und Entstehung der christlichen Evangelien des Neuen Testaments der Bibel berichtet.

Leben

Sein Geburtsdatum wird von vielen Autoren auf 70 geschätzt, von einigen jedoch auf 60 oder sogar 50.[3] Andere lehnen die Angabe von Lebensdaten als spekulative Mutmaßungen ab.[4] Irenäus von Lyon berichtet (ca. 180), dass Papias ein Freund und Gefährte Polykarps, des Bischofs von Smyrna, war.[5] Wie Polykarp selbst[6] war Papias laut Irenaeus ein Schüler des Apostels Johannes.[7] Eusebius von Caesarea fügt hinzu, dass Papias Bischof von Hierapolis und Zeitgenosse des Ignatius von Antiochia war.[8] Eusebius assoziiert Papias mit Clemens von Rom und impliziert, dass Papias während der Regierungszeit von Trajan (98–117) aktiv war, vermutlich bereits vor dem Martyrium von Ignatius (107).[9]

Papias erwähnt, dass er die Töchter von Philippus, der seine letzten Lebensjahre in Hierapolis verbrachte, persönlich gekannt habe und von ihnen über die Apostel hörte.[10]

Informationsquellen von Papias

Papias bezeichnet als seine wichtigsten Informanten Aristion und Johannes den Presbyter, die er beide, ebenso wie die Apostel, als Jünger Jesu bezeichnet:

Papias schrieb:

Ich zögere aber nicht, für dich auch das, was ich von den Presbytern genau erfahren und genau im Gedächtnis behalten habe, mit den Erklärungen zu verbinden, mich verbürgend für dessen Wahrheit. Denn nicht hatte ich, wie die meisten, Freude an denen, die vieles reden, sondern an denen, welche das lehren, was wahr ist; auch nicht an denen, die die fremdartigen Gebote im Gedächtnis haben, sondern an denen, die die vom Herrn dem Glauben gegebenen und von der Wahrheit selbst kommenden (Gebote im Gedächtnis haben).
Wenn aber irgendjemand kam, der den Presbytern nachgefolgt war, erkundigte ich mich [Papias] nach den Lehren der Älteren – was hat Andreas oder was hat Petrus gesagt, oder was haben Philippus oder Thomas oder Jakobus oder Johannes oder Matthäus oder irgendein anderer von den Jüngern des Herrn gesagt; und was sagen Aristion und der Presbyter Johannes, ebenfalls Jünger des Herrn. Denn ich war der Ansicht, dass die aus Büchern (stammenden Berichte) mir nicht soviel nützen würden wie die (Berichte) von der lebendigen und bleibenden Stimme.[11]

Richard Bauckham, der in den beiden Namensnennungen eines Johannes zwei verschiedene Personen sieht, liest aus dieser Formulierung, dass die Apostel, deren Aussagen er von Ältesten erfährt, zur Zeit als Papias sein Material sammelt, nicht mehr am Leben sind, dass jedoch die beiden Jünger Aristion und Johannes für Papias als lebende Augenzeugen einen besonderen Wert haben.[3]

Werner de Boor ist hingegen Vertreter der Auffassung, dass es sich bei beiden Nennungen des Johannes um dieselbe Person handelt: „Beide sind ‚Alte‘ und beide sind ‚Jünger des Herrn‘. So wird es sich in beiden Sätzen des Papias um die gleiche Person handeln.“ Ihm zufolge ist Johannes der Presbyter mit dem Apostel und Evangelisten Johannes identisch.[12]

Schriften von Papias

Papias verfasste fünf Bücher mit der Überschrift Auslegung der Worte des Herrn (griech. λογίων κυριακῶν ἐξηγήσεις), die jedoch nur fragmentarisch in Zitaten durch spätere Kirchenväter erhalten sind.[13]

Das Werk Papias’ wird auf etwa 95–110 nach Christus datiert.[14][15][16]

Spätere Datierungen (um 120–160 n. Chr.) wurden bis ins 20. Jahrhundert angenommen, beruhten aber auf zwei Quelleninterpretationen, die heute als Missverständnis gelten. Eine Interpretation, die Papias’ Tod zeitgleich mit Polykarps Tod um das Jahr 164 datierte, beruhte auf einer Stelle im Chronicon Paschale, dessen Autor allerdings wahrscheinlich Papias mit Papylas verwechselt hatte.[17] Die andere unzuverlässige Interpretation, die Papias mit der Regierungszeit Hadrians (117–138 n. Chr.) in Verbindung brachte, beruhte anscheinend auf einer Verwechslung zwischen Papias und Quadratus.[18]

Seine Bücher sind vor allem aufgrund der Fundamentierung auf die mündliche Überlieferung der Apostel von theologischer Bedeutung. Papias ist die erste erhaltene Quelle, die den Markus als Dolmetscher des Petrus und Verfasser des diesem zugeschriebenen Evangeliums, und Matthäus als Autor des Matthäusevangelium nennt.[19]

Laut Eusebius von Caesarea schrieb Papias über Markus:

„Auch dies lehrte der Presbyter: Markus hat die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau, allerdings nicht ordnungsgemäß, aufgeschrieben. Denn nicht hatte er den Herrn gehört und begleitet; wohl aber folgte er später, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, dass er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Es ist daher keineswegs ein Fehler des Markus, wenn er einiges so aufzeichnete, wie es ihm das Gedächtnis eingab. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder sich im Berichte keiner Lüge schuldig zu machen.“

Laut Eusebius von Caesarea schrieb Papias über Matthäus:

„Matthäus hat in hebräischer Sprache die Reden zusammengestellt; ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte.“

Die Meinungen späterer christlicher Autoren der Antike über Papias gingen auseinander; einige lobten ihn, während insbesondere Eusebius von Caesarea ihn wegen seiner chiliastischen Positionen kritisierte.

So schrieb Eusebius von Caesarea über Papias:

„Papias bietet aber auf Grund mündlicher Überlieferung auch noch andere Erzählungen, nämlich unbekannte Gleichnisse und Lehren des Erlösers und außerdem noch einige sonderbare Berichte. Zu diesen gehört seine Behauptung, dass nach der Auferstehung der Toten tausend Jahre kommen werden, in denen das Reich Christi sichtbar auf Erden bestehen werde. Nach meiner Meinung hat Papias diese Anschauung den ihm mitgeteilten Erzählungen der Apostel untergeschoben; das, was die Apostel in Bildern und Gleichnissen gesprochen hatten, hat er nicht verstanden. Obwohl er, wie man aus seinen Worten schließen kann, geistig sehr beschränkt gewesen sein muss, hat er doch sehr vielen späteren Kirchenschriftstellern, die sich durch das Alter des Mannes verleiten ließen, wie dem Irenäus und denen, die sonst noch solche Ideen vertreten, Anlass zu ähnlichen Lehren gegeben.“

Literatur

Quellenausgabe
Sekundärliteratur
  • Ulrich H. J. Körtner: Papias von Hierapolis. Ein Beitrag zur Geschichte des frühen Christentums. Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments. Bd. 133. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1983, ISBN 3-525-53806-5 (älteres Standardwerk).
  • William R. Schoedel: Papias. In: ANRW. Reihe II. Bd. 27.1. de Gruyter, Berlin/New York 1993, S. 235–270, ISBN 3-11-010372-9.
  • Josef Kürzinger: Die Aussage des Papias von Hierapolis zur literarischen Form des Markusevangeliums. In: Biblische Zeitschrift 21 (1977), S. 245–264, ISSN 0006-2014.
  • Michael Oberweis: Das Papias-Zeugnis vom Tode des Johannes Zebedäi. In: Novum Testamentum 38 (1996), S. 277–295, ISSN 0048-1009.
  • Armin Daniel Baum: Papias als Kommentator evangelischer Aussprüche Jesu. Erwägungen zur Art seines Werkes. In: Novum Testamentum 38 (1996), S. 257–276, ISSN 0048-1009.
  • Armin Daniel Baum: Papias, der Vorzug der Viva Vox und die Evangelienschriften. In: New Testament Studies 44 (1998), S. 144–151, ISSN 0028-6885.
  • Charles E. Hill: What Papias Said about John (and Luke). A „New“ Papian Fragment. In: Journal of Theological Studies 49 (1998), S. 582–629, ISSN 0022-5185.
  • Armin Daniel Baum: Der Presbyter des Papias über einen 'Hermeneuten' des Petrus. Zu Eusebius, Historia ecclesiae 3,39,15. In: Theologische Zeitschrift 56 (2000), S. 21–35, ISSN 0040-5701.
  • Armin Daniel Baum: Ein aramäischer Urmatthäus im kleinasiatischen Gottesdienst. Das Papiaszeugnis zur Entstehung des Matthäusevangeliums. In: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 92 (2001), S. 257–272, ISSN 0935-9257.
  • Robert H. Gundry: The Apostolically Johannine Pre-Papian Tradition concerning the Gospels of Mark and Matthew. In: Robert H. Gundry: The Old Is Better. New Testament Essays in Support of Traditional Interpretation (= WUNT; 178). Mohr Siebeck, Tübingen 2005, S. 49–73, ISBN 3-16-148551-3.
  • Richard Bauckham: Papias on the Eyewitnesses. In: Jesus and the Eyewitnesses. Grand Rapids (MI) 2006, 2007, ISBN 0-8028-3162-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://oyc.yale.edu/sites/default/files/canon_0.pdf
  2. http://www.documentacatholicaomnia.eu/03d/0070-0130,_Papia_Hierapolitanus,_Fragmenta_[Schaff],_EN.pdf
  3. a b Richard Bauckham: Jesus and the Eyewitnesses, 2006.
  4. Ulrich H. J. KörtnerPapias von Hierapolis. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 25, de Gruyter, Berlin/New York 1995, ISBN 3-11-014712-2, S. 641–644.
  5. Irenäus: Adversus haereses V.33.4.
  6. Eusebius, Kirchengeschichte 5,20,6
  7. Irenäus: Adversus haereses V.33.4.
  8. Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte 3,36,2.
  9. Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte 3,36,1–2.
  10. Eusebius, Kirchengeschichte 3,39,9.
  11. Eusebius, Kirchengeschichte 3,39,4.
  12. Werner de Boor in Wuppertaler Studienbibel, Das Evangelium des Johannes, 1. Teil: Kapitel 1 bis 10, Seiten 18–20, R. Brockhaus Verlag Wuppertal, 1968.
  13. Eusebius, Kirchengeschichte 3,39,1.
  14. Robert W. Yarbrough: The Date of Papias: A Reassessment. In: Journal of the Evangelical Theological Society. Band 26, Nummer 2, 1983, S. 181–191 (PDF).
  15. Enrico Norelli: Papia di Hierapolis, Esposizione degli Oracoli del Signore: I frammenti (= Letture cristiane del primo millennio. Band 36). Paoline, Mailand 2005, ISBN 88-315-2752-5, S. 38–54.
  16. Ulrich H. J. KörtnerPapias von Hierapolis. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 25, de Gruyter, Berlin/New York 1995, ISBN 3-11-014712-2, S. 641–644.
  17. Robert W. Yarbrough: The Date of Papias: A Reassessment. In: Journal of the Evangelical Theological Society. Band 26, Nummer 2, 1983, S. 181–191, hier S. 182 (PDF).
  18. Robert H. Gundry: Mark: A Commentary on His Apology for the Cross. Wm. B. Eerdmans Publishing, Grand Rapids (Mich.) 2000, ISBN 0-8028-2910-4.
  19. Eusebius, Kirchengeschichte 3,39,15 f.