Parastou Forouhar

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Parastou Forouhar, auch Parastu Foruhar (persisch پرستو فروهر) (* 1962 in Teheran/Iran) ist eine iranische Künstlerin und Aktivistin. Parastou Forouhar setzt als Konzeptkünstlerin alle Medien von der Zeichnung über die Fotografie bis zu computeranimierten Bildsequenzen ein, um ihre Themen, etwa die Situation von Frauen in der Gesellschaft – speziell auch in muslimischen Gesellschaften – oder der Folter als systematisches, bildfüllendes „Ornament“, zu reflektieren und zu veranschaulichen.[1]

Written Room, Installation der Künstlerin Parastou Forouhar während der Ausstellung „Lettres Ouvertes: de la Calligraphie au Street-Art“, die 2016 gezeigt wurde im ICI Paris

Eine gänzlich anders geartete Arbeit der Künstlerin sind ihre Schrifträume, die persische Zeichen des Unsinns oder ohne Bedeutung aneinanderfügen.[2] Durch die raumgreifende Bemalung verändern sich die Räume selbst. Parastou Forouhars Schrifträume (Written Rooms) sind in der Universität von Toledo (2014)[3] und neuerdings im Institut des Cultures d’Islam (ICI) in Paris[4] zu sehen.

In unregelmäßigen Abständen kuratiert die Künstlerin eigene Ausstellungen, etwa „Omid* Gemeinsam grenzenlos“ für die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt,[5] oder als Co-Kuratorin für die Teheran-Nummer der Reihe Treibsand für zeitgenössische Kunst.[6]

Biografie

Parastou Forouhar studierte von 1984 bis 1990 Kunst an der Universität Teheran und zog 1991 nach Deutschland, wo sie ein Aufbaustudium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main absolvierte, und unter anderem bei Adam Jankowski studierte. Seit 1992 lebt sie in Offenbach am Main.

Die Eltern von Parastou Forouhar (Dariush und Parwaneh Forouhar) wurden am 21. November 1998 in ihrem Haus in Teheran ermordet, vermutlich vom iranischen Geheimdienst. Dariush Forouhar gehörte als Arbeitsminister zum weltlichen Kabinett von Premierminister Mehdi Bāzargān. Beide gehörten zu den führenden oppositionellen Politikern im Iran.[7] Das Verfahren wurde von den Behörden verschleppt und letztendlich zu einem unabgeschlossenen Ende gebracht.[8]

Jedes Jahr reist die Künstlerin, die das Erbe der politischen Opposition ihrer Eltern fortführt, nach Teheran, um eine Gedenkveranstaltung für ihre ermordeten Eltern zu organisieren. Daran wurde sie von den iranischen Behörden mehrfach gehindert, manchmal sogar mit Entzug des Reisepasses[9], oder 2016 mit einer von konservativen Kräften angestrebten Klage wegen Majestätsbeleidigung, weil eine ihrer bekanntesten Installationen aus Bürostühlen besteht, die mit religiösen Fahnen überzogen sind.[10] Die Sitzsäcke waren in ihrer Serie Countdown mit traditionellen Ashura-Banner überzogen; eine Besucherin fotografierte diese und stellte dann ihre Selfies ohne Wissen der Künstlerin auf Instagram und Facebook, was zur Klage des iranischen Informationsministeriums führte.[11]

Seit dem Sommersemester 2019 nimmt Forouhar für fünf Jahre eine Professur für eine Klasse für Bildende Kunst an der Kunsthochschule Mainz der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wahr.[12]

Preise und Auszeichnungen

Ausstellungen

Film

  • Tod in Teheran – Auftragsmord im Namen Gottes von Thomas Giefer mit Parastou Forouhar (Con Voi Film 2004 für ARD)
„Der Film rekonstruiert die Details dieses politisch und religiös motivierten Mordes, begleitet Parastou Forouhar bei ihrer Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit und verfolgt die Spuren des Verbrechens bis ins Machtzentrum des islamischen Gottesstaats…“ (Auszug WDR-Pressetext)

Schriften

  • Ziehen Sie die Schuhe aus. (Bilderbuch), 2002
  • Das Land, in dem meine Eltern umgebracht wurden. Liebeserklärung an den Iran. Freiburg: Herder 2011, ISBN 978-3-451-30467-5
  • Parastou Forouhar, Das Gras ist grün, der Himmel ist blau, und sie ist schwarz … Text: Elisabeth Schraut, Stein am Rhein 2017

Literatur

  • Christopher de Bellaigue: Im Rosengarten der Märtyrer. Ein Porträt des Iran. Aus dem Englischen von Sigrid Langhaeuser, Verlag C. H. Beck, München 2006 (engl. Originalausgabe: London 2004), S. 257–268 und 299–305.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Sven Siedenberg: Parastou Forouhar: Die Waffen der Kunst. In: Die Zeit. 16. März 2015, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 19. September 2017]).
  2. Parastou Forouhar Beautiful and Sad. 20. März 2013, abgerufen am 19. September 2017 (australisches Englisch).
  3. El Greco 2014: Body Letter. 19. Oktober 2014, abgerufen am 19. September 2017.
  4. Lettres ouvertes, de la calligraphie au street art - Institut des Cultures d'Islam. In: Institut des Cultures d'Islam. (institut-cultures-islam.org [abgerufen am 19. September 2017]).
  5. BS Anne Frank:::: Abgeschlossene Projekte. Abgerufen am 19. September 2017.
  6. Home. Abgerufen am 19. September 2017 (Schweizer Hochdeutsch).
  7. Personalien: Parastou Forouhar. In: Der Spiegel. Band 47, 22. November 2010 (spiegel.de [abgerufen am 19. September 2017]).
  8. DW Deutsch: Die iranische Künstlerin Parastou Forouhar | Kultur.21. 24. Januar 2010, abgerufen am 19. September 2017.
  9. Die iranische Künstlerin Parastou Forouhhar ist wegen Blasphemie angeklagt: Das Opfer als Staatsfeind | Kultur Info | SWR2. In: swr.online. (swr.de [abgerufen am 19. September 2017]).
  10. Interview with artist Parastou Forouhar (German Blogpost) – Reconfiguring Anonymity. Abgerufen am 19. September 2017.
  11. Catrin Lorch: Interview mit der Künstlerin Parastou Farouhar aus Iran. Abgerufen am 18. Oktober 2020.
  12. Professur für Parastou Forouhar an der Kunsthochschule Mainz. In: www.kunstforum.de. 26. November 2018, abgerufen am 30. November 2018.
  13. Ehemalige Stipendiaten - Künstlerresidenz Chretzeturm. Abgerufen am 5. September 2017.
  14. Elisabeth Schraut, 1955-, Museum Lindwurm,: Parastou Forouhar - „Das Gras ist grün, der Himmel ist blau, und sie ist schwarz …“ Stein am Rhein, ISBN 978-3-03306379-2.