Parry-Romberg-Syndrom

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Eine 17-jährige Patientin mit Parry-Romberg-Syndrom.
Eine 3D-Rekonstruktion eines CT-Scans derselben Patientin. Deutlich erkennbar ist die Schrumpfung des Fettgewebes und der Gesichtsmuskeln, bei – in diesem Fall – gesunden Gesichtsknochen.
Klassifikation nach ICD-10
G51.8[1] Sonstige Krankheiten des N. facialis
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Parry-Romberg-Syndrom, auch Hemiatrophia faciei progressiva (Progressive faciale Hemiatrophie), Halbseitiger Gesichtsschwund, Neurotische Gesichtsatrophie, Säbelhieb Allahs und Prosopodysmorphie genannt,[2] ist eine seltene Erkrankung unklarer Ursache, bei der es typischerweise zu einer fortschreitenden halbseitigen Atrophie (Hemiatrophie) des Gesichts kommt. Die Erkrankung wurde nach den beiden Erstbeschreibern Moritz Heinrich Romberg und Caleb Hillier Parry benannt.

Epidemiologie

Das Parry-Romberg-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung, bei der die Krankheitshäufigkeit nicht bekannt ist. Sie tritt bevorzugt bei jungen Frauen auf (Gynäkotropie).[3] Bei Erstmanifestation sind 75 % der überwiegend weiblichen Patienten unter 20 Jahre alt.[4]

Ursache

Die Ursache der Erkrankung ist unklar. Als Ursache werden Infektionen, insbesondere mit Borrelien,[5] eine autoimmune Genese, Traumata und genetische Faktoren diskutiert.[3] Als Anhalt für eine autoimmune Genese wird der Nachweis von antinukleären Antikörpern in mehr als der Hälfte der Fälle und der Nachweis von Rheumafaktoren in etwa einem Drittel der Fälle gewertet.[6]

Krankheitsbild

Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine einseitige progressive Atrophie einiger bis aller Gewebe einer Gesichtshälfte. Initial kann eine Hypo- oder Hyperpigmentation der betroffenen Gesichtshaut bestehen. Die Atrophie der Haut und Hyperpigmentation der betroffenen Seite nennt man „Coup de sabre“. Des Weiteren können Fettgewebe, Muskulatur, Knorpel und Knochen beteiligt sein. Eine Beteiligung der Extremitäten wurde beschrieben.[7]

Es können Migräne, Trigeminusneuralgie, fokale Epilepsien auftreten. Beschrieben wurden auch Depigmentation und Haarausfall auf der betroffenen Seite.[3]

Diagnostik

Die Diagnose wird unter Berücksichtigung der Anamnese und des klinischen Untersuchungsbefundes gestellt. Durch eine Bildgebung des Kopfes, (Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT)) und durch histopathologische Untersuchung der Haut kann die Diagnose gestützt werden. In der Computertomografie können bei Beteiligung des Gehirns Hypodensitäten und Verkalkungen nachweisbar sein. In der Magnetresonanztomographie kann ein Enhancement der weißen Substanz und der Hirnhäute nachweisbar sein.[3]

Therapie und Prognose

Das Parry-Romberg-Syndrom ist eine zunächst fortschreitende und im Verlauf selbstlimitierende Erkrankung.[8] Im Durchschnitt dauert die Krankheitsaktivität 7 bis 9 Jahre.[3] Eine definitive kurative Therapie für die aktive Phase der Erkrankung ist nicht bekannt. Allerdings gibt es zahlreiche Einzelfallberichte, bei denen verschiedene Medikamente und andere Therapieformen mit Erfolg zur Anwendung gekommen sind. Dazu gehören

Wenn keine Krankheitsaktivität mehr nachweisbar ist, das heißt, wenn die Erkrankung nicht mehr fortschreitet, sind rekonstruktive und plastische chirurgische Maßnahmen möglich.[8] Zur Anwendung kommt beispielsweise die gestielte freie Fettgewebeplastik, mit deren Hilfe die atrophe Gesichtshälfte rekonstruiert werden kann. Zudem wurde auch die Anwendung von autologer Lipoinjektion und von Fremdkörperinjektion (Hydroxyapatid-Granula) beschrieben.[3]

Weiterführende Literatur

  • J. El-Kehdy, O. Abbas, N. Rubeiz: A review of Parry-Romberg syndrome. In: Journal of the American Academy of Dermatology, Band 67, Nummer 4, Oktober 2012, S. 769–784; doi:10.1016/j.jaad.2012.01.019, PMID 22405645. (Review).
  • Andreas Bolgien: Die Geschichte der Trophoneurosen mit besonderer Berücksichtigung Moritz Heinrich Rombergs (1795–1873) und der Hemiatrophie. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen, Band 25, 2006, S. 175–203.
  • A. Kühne, T. Kyburz, G. Burg: Das Parry-Romberg Syndrom. In: Schweiz Med Forum, Band 5, 2005, S. 615–617; medicalforum.ch (PDF)
  • E. Roller, J. Reifenberger, B. Homey, D. Bruch-Gerharz: Hemiatrophia faciei progressiva (Parry-Romberg-syndrome). In: Der Hautarzt, Band 57, Nummer 10, S. 905–906.

Einzelnachweise

  1. Alphabetisches Verzeichnis zur ICD-10-WHO Version 2019, Band 3. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Köln, 2019, S. 681
  2. Andreas Bolgien: Die Geschichte der Trophoneurosen mit besonderer Berücksichtigung Moritz Heinrich Rombergs (1795–1873) und der Hemiatrophie. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen, Band 25, 2006, S. 175–203, hier: S. 175.
  3. a b c d e f A. Kühne, T. Kyburz, G. Burg: Das Parry-Romberg Syndrom. In: Schweiz Med Forum, Band 5, 2005, S. 616; medicalforum.ch (PDF)
  4. U. Jappe, E. Hälzle, J. Ring: Parry-Romberg Syndrom. In: Der Hautarzt, 1996, 47, S. 599–603.
  5. M. T. Sahin, S. Baris, A. Karaman: Parry-Romberg syndrome: A possible association with borreliosis. In: Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology, 2004, 18(2), S. 204–207.
  6. I. Garcia-de la Torre, J. Castello-Sendra, T. Esgleyes-Ribot, G. Martinez-Bonilla, J. Guerrerosantos, M. J. Fritzler: Autoantibodies in Parry-Romberg syndrome: a serologic study of 14 patients. In: J Rheumatol., 1995 Jan, 22(1), S. 73–77.
  7. M. S. Chapman, J. E. Peraza, S. K. Spencer: Parry-Romberg syndrome with contralateral and ipsilateral extremity involvement. In: Journal of Cutaneous Medicine and Surgery, 1999 Jul, 3(5), S. 260–262.
  8. a b c R. Madasamy, M. Jayanandan, U. R. Adhavan, S. Gopalakrishnan, L. Mahendra: Parry Romberg syndrome: A case report and discussion. In: Journal of oral and maxillofacial pathology: JOMFP. Band 16, Nummer 3, September 2012, S. 406–410, ISSN 0973-029X, doi:10.4103/0973-029X.102498, PMID 23248475, PMC 3519218 (freier Volltext).