Paul Bernstein (Kryptologe)

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Paul Alfred Bernstein (* 14. Dezember 1891 in Debschwitz;[1] † 1. August 1976 in Esslingen am Neckar[2]) war ein deutscher Ingenieur und Kryptologe, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Gestaltung der Rotor-Schlüsselmaschine Enigma beigetragen hat, die während des Zweiten Weltkriegs zur Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs der deutschen Wehrmacht diente.

Leben

Datei:Enigma von Arthur Scherbius in ETZ 1923.jpg
Die von Arthur Scherbius erfundene „Handelsmaschine“ (1923) besaß noch keine Ringe

Über Bernsteins Leben ist wenig bekannt. Er wurde als Sohn von Albin Bernstein und dessen Ehefrau Berta, geb. von Dulz, geboren und war evangelischer Religion. Am 20. Juli 1918 heiratete er Wally Anna Maria Rummelandt (1894–1975) in Berlin.[3] Dort war er in den 1920er-Jahren Entwicklungsingenieur bei der Chiffriermaschinen AG (ChiMaAG) in Berlin. Die Firma war am 9. Juli 1923 gegründet worden, um die durch Arthur Scherbius (1878–1929) im Jahr 1918 erfundene Rotor-Chiffriermaschine Enigma zu fertigen und weiterzuentwickeln.[4]

Kurz nach Scherbius grundlegender Patentanmeldung „Chiffrierapparat“ (Nr. 416219) vom 23. Februar 1918 und der darauffolgenden „Chiffrierapparat“ (Nr. 425147) vom 26. September 1920, reichte Paul Bernstein mehrere Patentanmeldungen ein, die kurz nacheinander Anfang 1924 erteilt wurden. Anders als vielfach publiziert,[5][6][7] erfand er jedoch nicht den „Sperr-Ring“ (die späteren Ringstellungen), sondern dies geschah allein durch seinen Kollegen Willi Korn (1893–1972), wie man beispielsweise dem Patent US1905593 entnehmen kann, in dem als Erfinder nur dessen Name angegeben ist.[8]

Paul Bernstein erfand hingegen die „unregelmäßige Rotorfortschaltung“.[9] In dem ab 26. März 1924 erteilten Patent ist als Erfinder angegeben: „Paul Bernstein in Charlottenburg“.[10]

Laut seiner Erfindungsbeschreibung (Patent Nr. 429122) gab es vier Chiffrierwalzen und zusätzlich vier gezähnte Antriebsräder mit Lücken, die für eine unregelmäßige Weiterschaltung der Chiffrierwalzen sorgten, mit folgender Konfiguration:

  • 11 Stellungen mit 5 Zähnen und 6 Lücken
  • 15 Stellungen mit 9 Zähnen und 6 Lücken
  • 17 Stellungen mit 11 Zähnen und 6 Lücken
  • 19 Stellungen mit 11 Zähnen und 8 Lücken

Das so realisierte Getriebe mit vier Zahnrädern und den relativ primen Stellungen ergab eine Periode von 11·15·17·19 = 53.295. Verglichen mit der Periode der Handelsmaschine von 264 oder 456.976 möglichen Stellungen der vier Chiffrierwalzen, bezeichnete es der deutsche Kryptologie-Professor Friedrich Bauer als „fast eine progressive Chiffrierung“.[11] Dies war eine kryptographische Stärke der Handelsmaschine, die späteren Modellen (ab Enigma-A) fehlte.

Paul Bernstein verließ die ChiMaAG im Jahr 1925. Das Berliner Notariatsregister hält hierzu unter Nr. 203 vom 4. Juli 1925 fest, dass seine Prokura erloschen sei, und vermerkt: „Derselbe [Paul Bernstein] ist aus den Diensten der Gesellschaft ausgeschieden.“ Er ließ sich 1927 in Esslingen nieder und arbeitete dort als Dozent ("Professor") an der Höheren Maschinenbauschule. Er starb mit 84 Jahren in Esslingen am Neckar.

Patente

  • Chiffriermaschine. Deutsches Patent DE411126, 18. August 1923, PDF
  • Elektrische Tastenchiffriervorrichtung. Deutsches Patent DE407804, 18. Januar 1924, PDF
  • Elektrische Chiffrier- und Dechiffriermaschine. Deutsches Patent DE425566, 28. Februar 1924, PDF
  • Chiffriermaschine mit einer Mehrzahl von die Vertauschung der Zeichen bewirkenden Chiffrierwalzen. Deutsches Patent DE429122, 26. März 1924, PDF
  • Electric Cipher Writing Machine. US-Patent US1777425, 7. Oktober 1930, PDF

Literatur

  • Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-67931-6.
  • David Kahn: The Code Breakers – The Story of Secret Writing. Macmillan USA, Reissue 1974, ISBN 0-02-560460-0.
  • Anders Wik: The First Classical Enigmas – Swedish Views on Enigma Development 1924–1930. Proceedings of the 1st Conference on Historical Cryptology (HistoCrypt), Uppsala 2018, S. 83–88, PDF, abgerufen am 18. Februar 2019.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heiratsurkunde Nr. 444/1918, Standesamt Berlin, 20. Juli 1918.
  2. Urkunde Nr. 546/1976, Standesamt Esslingen am Neckar
  3. Heiratsurkunde Nr. 444/1918, Standesamt Berlin, 20. Juli 1918.
  4. Louis Kruh, Cipher Deavours: The commercial Enigma – Beginnings of machine cryptography. Cryptologia, Rose-Hulman Institute of Technology, Taylor & Francis, Philadelphia PA 26.2002,1 (Januar), S. 2. ISSN 0161-1194, abgerufen am 18. Februar 2019. PDF; 0,8 MB
  5. Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, S. 117.
  6. Colleen Carper: Bletchley’s Secret War – British Code Breaking in the Batlle of the Atlantic. Ashbrook Statesmanship Thesis, 2009, S. 3, PDF
  7. Louis Kruh, Cipher Deavours: The Commercial Enigma – Beginnings of Machine Cryptography. Cryptologia, Vol. XXVI, Nr. 1, Januar 2002, S. 11. apprendre-en-ligne.net (PDF; 0,8 MB), abgerufen am 18. Februar 2019.
  8. US1905593 Coding Machine. 5 claims Application date 12. November 1929 and in Germany 16. November 1928 (PDF; 487 kB). Granted 25 April 1933. Applicant: Willi Korn of Berlin-Friedenau, Germany, abgerufen am 5. Juni 2019.
  9. Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, S. 140.
  10. Chiffriermaschine mit einer Mehrzahl von die Vertauschung der Zeichen bewirkenden Chiffrierwalzen. Deutsches Patent DE429122, 26. März 1924, PDF, abgerufen am 18. Februar 2019.
  11. Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, S. 140.