Persilschein
Einen Persilschein zu besitzen oder zu erhalten bedeutet eine weitreichende Erlaubnis, einen Freibrief, um einem lukrativen Geschäft oder einem zuvor moralisch oder rechtlich angezweifelten Interesse nachgehen zu können.
Geschichte
Der Begriff entstammt dem militärischen Sprachgebrauch und ist auf das Waschmittel Persil zurückzuführen. So war es üblich, dass Rekruten einen leeren Karton für die Rücksendung ihrer Zivilkleidung an ihre Familie zur Kaserne mitbringen mussten, wofür wohl oft Kartons mit einem Werbe-Aufdruck des weit verbreiteten Waschmittels Persil verwendet wurden. Im Soldatenjargon wurde so aus dem eigentlichen Gestellungsbefehl der Ausdruck Persilschein.
Nachkriegsdeutschland
Der Begriff Persilschein erfuhr insbesondere während der Entnazifizierungsphase einen Bedeutungswandel. Mutmaßliche nationalsozialistische Straftäter konnten durch Aussagen von Opfern oder ehemaligen Gegnern entlastet werden und erhielten somit einen positiven bzw. guten Leumund, somit ein Entlastungzeugnis, und genügten auf dem Meldebogen der Alliierten den Anforderungen des Entnazifizierungsgesetzes.
Umgangssprachlich kann man sagen, dass die betroffene Person vom Vorwurf einer nationalsozialistischen Gesinnung „reingewaschen“ wurde (wobei hier Reinheit für Unschuld steht). Ihr wurde eine „weiße Weste“ attestiert und sie durfte nun wieder eine Wohnung beantragen, ein Geschäft eröffnen, verbeamtet werden oder ein öffentliches Amt bekleiden. Im Laufe des Jahres 1948 ließ das Interesse der Amerikaner an einer konsequenten Entnazifizierung spürbar nach, da der Kalte Krieg mit dem Ostblock mehr und mehr in das Blickfeld rückte. Es wurden Schnellverfahren eingeführt, um diese Angelegenheiten zum Abschluss zu bringen. Dies führte zu vielen fragwürdigen Urteilen (siehe auch 131er).
Auf dem in der amerikanischen Besatzungszone ausgestellten Nachweis der Unbedenklichkeit – keine Kriegsverbrechen begangen zu haben und einer bescheinigten makellosen politischen Vergangenheit, die zu Arbeit und Erwerb berechtigte – stand zu lesen: „Aufgrund der Angaben in Ihrem Meldebogen sind Sie von dem Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 nicht betroffen.“
Wandlung zum heutigen Gebrauch
Im späteren Sprachgebrauch wurde die Bedeutung des Begriffes Persilschein (in etwa der Bedeutung von „Freibrief“) auch verallgemeinert für Formulare und Bescheinigungen verwendet, deren Nutzen umstritten ist bzw. deren Beschaffung kein Problem darstellt, beispielsweise im Kontext der Visa-Affäre oder für die Betriebserlaubnis von Fahrzeugteilen.
Auch im Bereich Arbeitsschutz ist der Begriff Persilschein zu finden. Zur Vermeidung von Bußgeldern schließen Unternehmen mit Betriebsärzten und/oder Fachkräften für Arbeitssicherheit einen nach dem Arbeitssicherheitsgesetz rechtskonformen Betreuungsvertrag ab, ohne jedoch die Leistung in Anspruch zu nehmen.
Literatur
- Ernst Klee: Persilscheine und falsche Pässe. Wie die Kirchen den Nazis halfen (= Fischer. Bd. 10956). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-596-10956-6.
- Mike Rößler: Die Arbeitsschutzorganisation in der Filmproduktion. 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage. BfbA-Verlag, Potsdam 2013, ISBN 978-3-9815430-1-8, S. 19–20.