Peter Jessen (Kunsthistoriker)
Arnold Peter Jessen (* 11. Juli 1858 in Altona; † 15. Mai 1926 in Berlin) war ein deutscher Kunsthistoriker und erster Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek in Berlin.
Leben
Die Vorfahren von Peter Jessen stammten aus Flensburg. Dort war der Urgroßvater Peter Willers Jessen (1739–1809) als Inhaber der Korteschen Buchhandlung[1] Verlags- und Sortimentbuchhändler[2] und dort wurde der Großvater Peter Willers Jessen geboren. Dieser leitete ab 1820 in Schleswig das erste psychiatrische Krankenhaus im deutschsprachigen Raum. Zu den sieben Kindern, die er mit Amalie Eccardt hatte, gehörte der Vater von Peter Jessen, der Pädagoge Otto Jessen. Dieser lehrte seit 1856 in Altona an einer Gewerbeschule. Von 1860 bis 1880 war dieser in Hamburg als Direktor der Allgemeinen Gewerbeschule Hamburg und Schule für Bauhandwerker zu Hamburg tätig.[3] In dieser Zeit kam der Bruder Hans Jessen zur Welt. Seit Oktober 1880 lebte die Familie in Berlin, wo der Vater die erste Städtischen Handwerkerschule gründete und leitete.[4]
Jessen studierte in Berlin Kunstgeschichte und Klassische Archäologie. Er wurde 1882 bei Alfred Lichtwark mit einer Dissertation[5] über die Ikonographie des Weltgerichts im Mittelalter promoviert.[6] 1884 wurde er „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ am Kunstgewerbemuseum. Als Lichtwark 1886 nach nur einjähriger Tätigkeit die Leitung der Bibliothek abtrat und als Direktor an die Hamburger Kunsthalle wechselte, wurde Jessen im Oktober 1886 zum Nachfolger berufen.[7] Als die Bibliothek 1894 in den Museumsrang erhoben wurde, wurde er ihr Direktor.[8] Auf Antrag Jessens führte die Bibliothek des Kunstgewerbemuseums ab dem 27. Mai 1924 gemäß Erlass des Kultusministeriums die Bezeichnung „Staatliche Kunstbibliothek (vormals Bibliothek des Kunstgewerbemuseums)“. Programmatisch war damit der Weg von einer kunstgewerblichen Vorlagensammlung zu einer kunsthistorischen Forschungsbibliothek vorgezeichnet.[7]
Ehrungen
- Ehren-Mitglied des Deutschen Buchgewerbevereins (am 30. Oktober 1909 ernannt)[9]
- Der Schriftkünstler Rudolf Koch benannte seine Bibel-Gotisch als Peter-Jessen-Schrift.[10] Die Schrift entstand zwischen 1924 und 1930[11] und wurde als Jessen-Schrift von Gebr. Klingspor, Offenbach am Main vertrieben.
- Als sich der Geburtstag zum 150. Mal jährte, ehrte ihn die Kunstbibliothek mit der Foyer-Ausstellung „Peter Jessen“ (vom 11. Juli bis 31. August 2008).[8]
Zitat
„Das kostbarste Gut einer Bibliothek ist die Zeit ihrer Leser.“[12]
Veröffentlichungen
- Andreas Bretschneider's neues Modelbuch 1619. Neu herausgegeben mit Vorwort. Ernst Wasmuth, Berlin 1892.
- Das Ornamentwerk des Daniel Marot. In 264 Lichtdrucken nachgebildet. Ernst Wasmuth, Berlin 1892.(Digitalisat).
- Katalog der Ornamentstich-Sammlung des Kunstgewerbe-Museums. Königliche Museen zu Berlin. E. A. Seemann, Leipzig 1894 (Digitalisat).
- Walter Crane. Zeichnungen und Gemälde. Nach Aufzeichnungen des Künstlers erläutert. Berlin 1894 (Digitalisat).
- Die Schülerwerkstätten als Erziehungsmittel für Handwerk, Industrie und Kunst. Vortrag.Commissionsverlag der Gsellius'schen Buchhandlung, Berlin 1897 (Digitalisat).
- Führer durch die Sonderausstellung. Die Kunst im Buchdruck. Königliche Museen Berlin. Kunstgewerbe-Museum ; Nov.-Dez. 1898. Holten, Berlin 1898. (Digitalisat)
- Führer für die Sonderausstellung „Die Kunst im neueren Buchdruck“, Dezember 1904 – Januar 1905; Königliche Museen, Berlin. Kunstgewerbe-Museum. 2. Aufl., Berlin 1904.
- Haus und Wohnung in alter Zeit. In: Heinrich Sohnrey (Hrsg.): Kunst auf dem Lande. Ein Wegweiser für die Pflege des Schönen und des Heimatsinnes im deutschen Dorfe. Velhagen & Klasing, Bielefeld, Leipzig und Berlin 1905, S. 101–156.([4] Digitalisat)
- Sonder-Ausstellung Japanische Farbendrucke. 19. März bis 16. April 1905. Holten, Berlin 1905. (Digitalisat)
- Führer durch die Sonderaustellung „Die Buchkunst der alten Meister. Bestande der vormaligen Sammlung Hans Grisebach“. Dezember 1906–Januar 1907.Königliche Museen in Berlin, Kunstgewerbe-Museum. Berlin 1906.
- Führer durch die Sonderausstellung Buntpapiere. Mai–Juni–Juli 1907. Königliche Museen Berlin. Kunstgewerbe-Museum. Berlin 1907.
- Deutsche Form im Kriegsjahr. Die Ausstellung Köln 1914. (Jahrbücher des Deutschen Werkbundes 4). Bruckmann, München 1915. ([5] Digitalisat)
- Kunstpflege und Kunsterziehung. In: Handbuch der Politik, Berlin und Leipzig 1914
- Kriegergräber im Felde und daheim. Bruckmann, München 1917
- Der Ornamentstich. Geschichte der Vorlagen des Kunsthandwerks seit dem Mittelalter. Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 1920.
- Japan, Korea, China. Reisestudien eines Kunstfreundes. E. S. Seemann, Leipzig 1921.
- Meister der Schreibkunst aus drei Jahrhunderten. J. Hoffmann, Stuttgart 1924. 2. Aufl. 1936.
- Die Staatliche Kunstbibliothek (vormals Bibliothek des Kunstgewerbe-Museums) in Berlin. Ein Abschiedswort. Otto von Holten, Berlin 1924.
- Masterpieces of calligraphy, 261 examples, 1500-1800. Nachdr. d. Ausg. Stuttgart 1936. Dover Publications, New York 1981. ISBN 0486241009.
Nachlass
- Kunstbibliothek der Staatlichen Museen Preußischen Kulturbesitz[13]
Literatur
- Gedenkreden bei der Trauerfeier für Geheimrat Dr. Peter Jessen in der Staatlichen Kunstbibliothek Berlin, am 20. Mai 1926. Wolff's Telegraphisches Büro, Berlin 1926.
- Adelheid Rasche: Peter Jessen, der Berliner Verein Moden-Museum und der Verband der deutschen Mode-Industrie, 1916 bis 1925. In: Waffen- und Kostümkunde. Zeitschrift der Gesellschaft für Historische Waffen- und Kostümkunde, 3. Folge 37, 1995, S. 65–92 (Digitalisat).
- W. Raub: Jessen, Peter. In: Lexikon des gesamten Buchwesens Online. doi:10.1163/9789004337862__COM_100113.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Gottlieb Klopstock. Briefe 1773–1775. Band 2: Apparat/Kommentar/Anhang. Walter de Gruyter, Berlin u. a. 2001, S. 379.
- ↑ Heinrich Schipperges: Jessen, Peter. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 423 f. (Digitalisat).
- ↑ Jessen, Otto (1826–1904)([1] letzter Zugriff am 18. April 2021).
- ↑ Reichsminister a. D. Albert in: Gedenkreden bei der Trauerfeier für Geheimrat Dr. Peter Jessen in der Staatlichen Kunstbibliothek Berlin, am 20. Mai 1926. Wolff's Telegraphisches Büro, Berlin 1926, S. 20.
- ↑ Die Darstellung des Weltgerichts bis auf Michelangelo. Eine Kunsthistorische Untersuchung. Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1883.
- ↑ Adelheid Rasche: Peter Jessen, der Berliner Verein Moden-Museum und der Verband der deutschen Mode-Industrie, 1916 bis 1925. In: Waffen- und Kostümkunde: Zeitschrift der Gesellschaft für Historische Waffen- und Kostümkunde 3. Folge 37, 1995, S. 65–92.
- ↑ a b Joachim Brand: Bibliotheken der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Hausarbeit zur Prüfung für den höheren Bibliotheksdienst. Fachhochschule Köln, Fachbereich Bibliotheks- und Informationswesen, Köln 2000, S. 26 (Digitalisat).
- ↑ a b Staatliche Museen zu Berlin. Pressemitteilungen. 11. Juli 2008. Kulturforum/Kunstbibliothek. Peter Jessen (1858-1926) – Gründungsdirektor der Kunstbibliothek. Foyer-Ausstellung vom 11. Juli bis 31. August 2008 (smb.museum/presse/pressemitteilungen)
- ↑ Archiv für Buchgewerbe 46.2 (1909), Heft 10, S. 309.([2] Digitalisat)
- ↑ Albert Kapr: Schriftkunst. Geschichte, Anatomie und Schönheit der lateinischen Buchstaben. 4. Aufl., fotomechanischer Nachdr. Verlag der Kunst, Dresden 1996, S. 211 und 452.
- ↑ Julius Rodenberg: In der Schmiede der Schrift. Reprint der Originalausgabe von 1940, Reprint-Verlag, Leipzig 2000, S. 9. ([3] Digitalisat, letzter Zugriff am 18. April 2021).
- ↑ Peter Jessen: Vom Kunstgewerbe zur Kunst. Der Aufstieg einer Bibliothek. In: Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe 23 (1925), Heft 1, S. 31–33, hier S. 33.
- ↑ Nachlaß Peter Jessen Kunstbibliothek der Staatlichen Museen Preußischen Kulturbesitz ; Nachlaß Peter Jessen
Personendaten | |
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NAME | Jessen, Peter |
ALTERNATIVNAMEN | Jessen, Arnold Peter (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kunsthistoriker, erster Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek in Berlin |
GEBURTSDATUM | 11. Juli 1858 |
GEBURTSORT | Altona |
STERBEDATUM | 15. Mai 1926 |
STERBEORT | Berlin |