Philanthropin (Frankfurt am Main)

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I. E. Lichtigfeld Schule
Philantropin Frankfurt.jpg
Schulform Grundschule, Gymnasium
Gründung 1804/1966
Schließung 1942
Adresse

Hebelstraße 15–17
60318 Frankfurt am Main

Land Hessen
Staat Deutschland
Koordinaten 50° 7′ 16″ N, 8° 41′ 14″ OKoordinaten: 50° 7′ 16″ N, 8° 41′ 14″ O
Schüler etwa 550[1]
Leitung Noga Hartmann[2]
Website www.lichtigfeld-schule.de

Das Philanthropin (deutsch: Stätte der Menschlichkeit) war eine der Schulen der ehemaligen israelitischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Es bestand von 1804 bis zur Schließung durch die Nationalsozialisten 1942. Mit bis zu 1000 Schülern war es die größte und am längsten bestehende jüdische Schule in Deutschland.

Das denkmalgeschützte Gebäude im Stadtteil Nordend wurde 1908 nach Plänen von Georg Matzdorff (1863–1930) als Schulgebäude erbaut. Die künstlerische Gestaltung der Fassade stammte von Julius Obst (1878–1939). Seit dem Schuljahr 2006/2007 ist es Sitz der I. E. Lichtigfeld Schule, einer Grundschule (Klassen 1–4) mit Gymnasium (zunächst Klassen 5–9; mittlerweile auch mit gymnasialer Oberstufe; in Form einer Ganztagsschule) der 1949 wiedergegründeten Jüdischen Gemeinde Frankfurts.

Nach dem Krieg hatte das Gebäude von 1954 bis 1978 als Verwaltungszentrum der Jüdischen Gemeinde gedient, die es 1978 an die Stadt verkaufte. Von 1986 bis 2004 war das Philanthropin ein städtisches Bürgerhaus und Sitz des Hoch’schen Konservatoriums.

Im März 2004 wurde das Philanthropin der Jüdischen Gemeinde in einem Festakt wieder übergeben und nach einem aufwendigen Umbau am 31. Oktober 2006 offiziell eröffnet.

Geschichte

Die Gründung geht auf den Handelsmann und Kaiserlichen Hofagenten Mayer Amschel Rothschild zurück. 1803 gründete sein Buchhalter Siegmund Geisenheimer in der Frankfurter Judengasse eine Vereinigung zur Errichtung einer Schul- und Erziehungsanstalt für arme jüdische Kinder. 1804 wurde sie eröffnet, der Schulunterricht fand in der Judengasse statt. 1805 erteilte die Obrigkeit die Erlaubnis, außerhalb des Ghettos ein Schullokal in der Schäfergasse zu eröffnen. Erster Hauptlehrer und späterer Direktor der Schule war Michael Hess.

Um 1840 wurde dann das Schulhaus der Israelitischen Gemeinde auf dem ehemaligen Holzhof der Juden in der Rechneigrabenstraße 14/16 erbaut. Es galt damals als schönstes Schulhaus der Stadt. 1845 wurde das Gebäude vom Philanthropin und der Volksschule bezogen, die vorher im Kompostellhof unmittelbar südlich vom Dominikanerkloster untergebracht waren. Als eine der ersten Schulen in Frankfurt erhielt das Philanthropin 1860 eine Turnhalle, die dann 1881/1882 durch ein neues Gebäude ersetzt wurde, das neben der Turnhalle auch eine Vorschule und eine Direktorwohnung enthielt. Von 1861 bis 1870 wirkte hier der Sprachforscher Lazarus Geiger als Lehrer. Im Jahre 1877 hatte das Philanthropin schließlich etwa 900 Schüler und bestand aus einer Vorschule, einer Realschule und einer Mädchenschule. Dies betraf die Amtszeit von Hermann Baerwald, der die Schule von 1868 bis 1899 leitete.

Im Jahre 1908 zog die Schule von der Rechneigrabenstraße in das nach den Plänen von Georg Matzdorff und Ernst Hiller (Ingenieur) errichtete Gebäude in der Hebelstraße 17 um. Direktor des Philanthropin zu dieser Zeit war Salo Adler, der seit 1900 die Schule leitete.

Als staatlich anerkannte Schule stand das Philanthropin von Anfang an auch nichtjüdischen Schülern offen. Sein Wahlspruch Für Aufklärung und Humanität war ein Hinweis darauf, dass es nach der Auflösung des Ghettos nun auch eine gewandelte und moderne Weltanschauung gab. Die am Philanthropin im 19. Jahrhundert tätigen Lehrer vertraten eine religiöse Reformbewegung, die die Ritualgesetze nicht mehr als bindend betrachtete und die weit über Frankfurt hinaus wirkte. Von 1855 bis zu seinem Tod 1867 war Sigismund Stern, ein Vertreter des liberalen Reformjudentums, Direktor des Philanthropin. Bereits 1844 war es gelungen, den liberalen Rabbiner Leopold Stein zu engagieren, worauf der Oberrabbiner Trier sein Amt niederlegte. Dies führte zur Gründung der orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft, die mit finanzieller Hilfe der Familie Rothschild eine eigene Synagoge und Schule erbaute. Sie entstanden 1851 auf dem Anwesen einer Steinmetzwerkstatt Ecke Rechneigrabenstraße/Schützenstraße.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ging die Schülerzahl am Philanthropin auf etwa 450 zurück; die Kinder jüdischer Eltern besuchten immer mehr die allgemeinen Schulen der Stadt. Die jüdische Gemeinde musste schließlich mehr als die Hälfte ihres Steueraufkommens für das Philanthropin aufwenden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts zeigten sich wieder Ansätze einer stärkeren Re-Judaisierung, so dass sogar orthodoxe Eltern wieder ihre Kinder in das Philanthropin schickten. Ab 1928 war es möglich, die Schule vom Kindergarten bis zum Abitur zu besuchen.

Eine Blütezeit erlebte das Philanthropin zunächst in den 16 Jahren der Schulleitung durch Otto Driesen. Der Ex-Diplomat, Verfasser von Der Ursprung Des Harlekin (1904) und wissenschaftlich-pädagogischer Arbeiten wie Erziehung zur Freude als sittliche Grundhaltung (1928) entwickelte das Philanthropin von einer traditionellen jüdischen Schule zu einem fortschrittlichen Schulwerk. Mit der Erweiterung durch verschiedene Schulzweige bot das Philanthropin nun Betreuungs- und Ausbildungsmöglichkeiten vom Kindergarten bis zur Hochschulreife an. Unter anderem begründete Driesen bereits 1922 eine Frauenschule mit Internat. Diese im deutschen Reich einzigartige jüdische Frauenschule hatte sehr starken Zulauf aus allen Teilen des Landes und dem Ausland.

1921 wurde der Schulsportverein Philanthropin Frankfurt gegründet. Im Schuljahr 1928/29 hatte er 237 Mitglieder und umfasste damit rund ein Drittel der Schülerschaft. Unter anderem wurden im Schulsportverein Fußball, Handball, Leichtathletik, Turnen, Tischtennis und Gymnastik gepflegt.[3]

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 verschlechterten sich die Bedingungen für die jüdische Gemeinde und das Philanthropin zunehmend. Driesen versuchte durch Palästina-Ausstellungen auf die Möglichkeiten dieses Landes hinzuweisen. Am 1. Oktober 1938 entzog das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung dem Philanthropin den Status einer öffentlichen Schule. Nach der Reichspogromnacht wurden zahlreiche Lehrer am Philanthropin verhaftet. Zwei von ihnen, Brooks und Ernst Marbach, starben an den Folgen der Haft. Otto Driesen emigrierte noch vor der Verhaftung mit seiner Frau nach Frankreich. Sein letztes Lebenszeichen war ein Brief vom September 1941. Im April 1939 musste die jüdische Gemeinde das Gebäude für einen geringen Betrag an die Stadt verkaufen.

Am 1. April 1941 mussten die höheren Schulen geschlossen werden, am 30. Juni 1942 auch die Volksschule. Der Rabbiner Leopold Neuhaus und Oberkantor Nathan Saretzki leiteten im Philanthropin die letzten Gottesdienste der Frankfurter Juden. Bereits ab Dezember 1941 wurden Schüler und Lehrer des Philanthropins deportiert und die meisten von ihnen in den Konzentrationslagern ermordet.

Nach der Schließung des Philanthropin im Zweiten Weltkrieg diente das Gebäude zunächst dazu, Fremdarbeiter unterzubringen, dann als Reservelazarett, später als Zweigstelle des Bürgerhospitals und der Universitätsklinik.

Ab 1954 gehörte das Gebäude wieder der jüdischen Gemeinde, die hier ihre Verwaltung einrichtete. Außerdem befand sich im ehemaligen Turnsaal des Philanthropin das Kino Die Kurbel. Im April 1966 gab es einen erfolglosen Anlauf, das Philanthropin als Schule wiederzueröffnen. 1978 entschloss sich die jüdische Gemeinde, das Gebäude an die Stadt Frankfurt zu verkaufen, um mit dem Erlös das Jüdische Gemeindezentrum im Stadtteil Westend zu finanzieren. Die Stadt Frankfurt nutzte das Gebäude in der Folgezeit als Bürgerbegegnungsstätte und ließ es 1984–1989 aufwendig sanieren. Von 1986 bis 2004 war das Philanthropin Sitz des Hoch’schen Konservatoriums und Spielstätte des Freien Schauspiel Ensembles Frankfurt.

Danach wurde das Gebäude wieder zu einer Schule umgebaut, das Konservatorium bezog einen Neubau im Frankfurter Ostend. Die Umbaukosten des Philanthropins von über 15 Millionen Euro, ohne die Einrichtungskosten, wurden vom Land Hessen, der Stadt Frankfurt und der jüdischen Gemeinde getragen.

Die I. E. Lichtigfeld-Schule

Die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main war nach dem Zweiten Weltkrieg die erste jüdische Gemeinde in Deutschland, die wieder eine Schule gründete. Die 1966 als Grundschule eingerichtete I. E. Lichtigfeld-Schule[4] ist nach ihrem Gründer Isaak Emil Lichtigfeld benannt, der von 1954 bis 1967 Landesrabbiner von Hessen und Gemeinderabbiner in Frankfurt war.

Zu Beginn des Schuljahres 2006/07 zog die Schule, die seit 1966 im Jüdischen Gemeindezentrum im Frankfurter Westend untergebracht war, mit ihren nun 445 Schülern und rund 60 Lehrern ins Philanthropin um. Die Schule war zuvor eine Grundschule mit Eingangs- und Förderstufe, die zur Ganztagsschule mit gymnasialer Mittelstufe (Sekundarstufe I) erweitert wurde. Es gibt eine Mensa, in der die Schüler speisen können.

Die Grundschule hat eine zweijährige Eingangsstufe, bereits mit 30 Unterrichtsstunden in der Woche, und der darauffolgenden dreijährigen differenzierten Grundstufe. Die Kinder werden bereits mit fünf Jahren aufgenommen und unterliegen von da an der Hessischen Schulpflicht. Alle Schüler zahlen ein nach Jahrgängen gestaffeltes monatliches Schulgeld von nicht geringer Höhe. Sozial benachteiligte Familien und Familien, die mehrere Kinder als Schüler angemeldet haben, können auf Antrag eine Ermäßigung erhalten.

Ab dem Schuljahr 2008/09 wurde die zweijährige Eingangsstufe wegen des enormen Schülerzuwachses wieder zurück in das Jüdische Gemeindezentrum im Frankfurter Westend verlegt.

Die Schule hat auch das Ziel, ihren Schülern jüdische Traditionen und Lebensweise, Kenntnisse in jüdischer Religion und hebräischer Sprache (Iwrit) zu vermitteln. Auch der Profanunterricht (weltlicher Elementarunterricht) wird teilweise mit jüdischen Themen vernetzt. Beispielsweise werden im Fach Deutsch auch jüdische und israelische Autoren behandelt, in der Gemeinschaftskunde ist der Holocaust Thema. Alle Schüler besuchen ein ehemaliges Konzentrationslager. Es werden auch nichtjüdische Schüler aufgenommen. Der Lehrkörper besteht nur zum Teil aus jüdischen Lehrkräften.

Im Sommer 2021 legten die ersten Schülerinnen und Schüler der Lichtigfeld-Schule ihr Abitur ab. Es waren nach mehr als 80 Jahren die ersten Abiturienten einer jüdischen Schule in Frankfurt am Main.[5]

Bekannte Lehrer

Bekannte Schüler

Literatur

  • André Griemert: Bürgerliche Bildung für Frankfurter Juden? Das frühe Philanthropin in der Kontroverse um die jüdische Emanzipation. Tectum, Marburg 2010, ISBN 978-3-8288-2400-3.
  • Albert Hirsch: Das Philanthropin zu Frankfurt am Main. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1964.
  • Renate Kingma, Spuren der Menschlichkeit, Hilfe für jüdische Frankfurter im Dritten Reich. CoCon-Verlag 2006, ISBN 3-937774-33-5.
  • Eugen Mayer: Die Frankfurter Juden. Verlag von Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1966.
  • Gerlind Schwöbel: Der Mandelzweig soll wieder Blüten tragen. Erinnerungen an das Philanthropin in Frankfurt zum 200-jährigen Jubiläum. Verlag Lembeck, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-87476-448-6.
  • Norbert Bischoff: Otto Iwan Driesen. Pädagoge, Patriot, Opfer. Selbstverlag, Segnitz 2004.
  • Inge Schlotzhauer: Das Philanthropin 1804–1942. Die Schule der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Frankfurt 1990. ISBN 3-7829-0398-6.
  • Peter Bloch: Meine Lehrer. Frankfurt 2008. (Enthält Porträts und z. T. Fotos der Philanthropin-Lehrer Arthur Galliner, Henry Philipp, Ernst Marbach, Erich Narewczewitz, Julius Plaut, Nathan Saretzki und Leopold Neuhaus).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Unsere Wurzeln sind unsere Stärke. In: lichtigfeld-schule.de. Abgerufen am 19. März 2020.
  2. Schulleitung. In: lichtigfeld-schule.de. Abgerufen am 19. März 2020.
  3. Lorenz Peiffer: Die Rolle des jüdischen Sports in der Mainmetropole Frankfurt vor und nach dem 30. Januar 1933. (pdf) In: Aschnkenas Band 27 Heft 1. 23. Mai 2017, S. 161–177, hier 166, abgerufen am 15. Juni 2021.
  4. Alexa Blum: Die Isaak Emil Lichtigfeld–Schule im Philanthropin. In: Hessische Landeszentrale für politische Bildung und Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main (Hrsg.): Religion, Migration und Gesellschaft. Waldkirchen 2010, S. 165–169.
  5. Hanning Voigts: Lichtigfeld-Schule: Jüdischer Abijahrgang in Frankfurt: „Ein Tag der Freude“. In: Frankfurter Rundschau. 24. Juni 2021, abgerufen am 24. Juni 2021.