Pierre Richard
Pierre Richard Maurice Charles Léopold Defays (* 16. August 1934 in Valenciennes) ist ein französischer Schauspieler und Komiker. Nachdem ihm 1972 als „großer Blonder mit dem schwarzen Schuh“ der internationale Durchbruch gelungen war, spielte er in vielen Komödien die Rolle des sympathisch-zerstreuten Tollpatsches. Bis in die späten 1980er-Jahre zählte er zu den erfolgreichsten europäischen Filmkomikern.
Karriere
Nach der Schauspielschule hatte Pierre Richard zunächst kleinere Auftritte in verschiedenen Kabaretts und an der Pariser Oper und spielte Nebenrollen in einigen TV- und Kinofilmen. 1967 machte er in Yves Roberts Alexander, der Lebenskünstler neben Hauptdarsteller Philippe Noiret erstmals als Filmschauspieler und Komödiant auf sich aufmerksam. Die Rolle des harmlosen, zerstreuten und stets mitleiderregenden Normalbürgers schien ihm auf den Leib geschrieben. Seinen Durchbruch feierte er 1970 mit seinem Regiedebüt Der Zerstreute, in dem er auch die Hauptrolle spielte.
Internationalen Ruhm erntete Richard schließlich 1972 als Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh. Der in Frankreich zuerst wenig beachtete Film wurde von Rainer Brandt leicht umgeschnitten und sehr frei synchronisiert.[1] Der große Erfolg des Films in Deutschland machte Pierre Richard in seinem Heimatland Frankreich erst populär und ermöglichte seine internationale Karriere. In dieser Verwechslungskomödie von Yves Robert, in der die Klischees von Spionagethrillern persifliert wurden, spielte er einen zerstreuten Geiger, der für einen Geheimagenten gehalten wird und unwissentlich in Lebensgefahr gerät. Seitdem wurde die Tollpatschigkeit sein Markenzeichen. Spätere Komödien spielten im deutschen Verleihtitel auf Roberts Erfolgsfilm an (Der lange Blonde mit den roten Haaren, 1974, Der Sanfte mit den schnellen Beinen, 1978, Der große Blonde auf Freiersfüßen, 1988), obwohl sie inhaltlich keinerlei Bezug zu ihm hatten.
1976 sollte Richard an der Seite von Louis de Funès, der ihn sehr schätzte, im Film Brust oder Keule dessen Sohn spielen, da er sich aber mit der Rolle nicht identifizieren konnte, wurde sie an Coluche vergeben.[2]
Zwischen 1981 und 1986 drehte Richard unter der Regie von Francis Veber an der Seite von Gérard Depardieu die drei Erfolgskomödien Der Hornochse und sein Zugpferd, Zwei irre Spaßvögel und Die Flüchtigen, in denen Richard wie gehabt als Tollpatsch zu sehen war und Depardieu die Rolle seines hartgesottenen (und widerwilligen) Partners übernahm. Diese Filme nahmen das Erfolgsrezept der Buddy-Movies vorweg, die in den USA in den 1980er Jahren sehr erfolgreich waren. Von allen drei Filmen wurden in Hollywood mit US-amerikanischen Schauspielern Remakes produziert.
In späteren Jahren versuchte Richard zunehmend, das Image des Tollpatsches abzulegen und ernste Rollen zu übernehmen. Dies zeigte er unter anderem in Nana Djordjadzes Tragikomödie Die Rezepte eines verliebten Kochs von 1996, in der er einen stillen Restaurantbesitzer spielte, dessen Liebe zu einer georgischen Prinzessin durch die Wirren der Oktoberrevolution unerfüllt blieben, ebenso 2000 in Djordjadzes 27 Missing Kisses und als tragischer Wandermusiker in Das Findelkind. Diese Filme fanden beim Publikum weniger Resonanz als seine Komödien.
Pierre Richard wurde zwischen 1972 und 1990 hauptsächlich von Harry Wüstenhagen synchronisiert. Da sich Wüstenhagen 1993 in den Ruhestand zurückzog und 1999 verstarb, kamen ab den 1990er Jahren Sprecher wie Peer Augustinski oder Peter Fricke zum Einsatz. Zuletzt wurden in den deutschen Kinos Und wenn wir alle zusammenziehen? (2011) und Monsieur Pierre geht online (2017) mit Pierre Richard gezeigt.
Es gibt einen gleichnamigen, zwischen 1958 und 1971 aktiven Schauspieler, der nicht mit ihm zu verwechseln ist.[3]
Privates
Richard betreibt das Weingut Château Bel Évêque in der südfranzösischen Stadt Gruissan.
Seine beiden Söhne sind Musiker: Olivier ist der Saxophonist des Duos Blues trottoir und Christophe ist Kontrabassist. Die Brüder komponierten den Soundtrack für den Film Droit dans le mur ihres Vaters, in dem Richard neben der Hauptrolle auch die Regie und das Drehbuch übernahm. Sein Enkel Arthur Defays ist Model.
Filmografie
Schauspieler
- 1967: Alexander, der Lebenskünstler (Alexandre le bienheureux)
- 1967: Jerk à Istanbul
- 1967: Die Dirne und der Narr (Un idiot à Paris)
- 1970: Teresa
- 1970: Der Zerstreute (Le Distrait)
- 1972: Alfred, die Knallerbse (Les malheurs d’Alfred)
- 1972: Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh (Le grand blond avec une chaussure noire)
- 1973: Ich weiß von nichts und sage alles (Je sais rien mais je dirai tout)
- 1973: Der Blonde mit dem blauen Auge (Juliette et Juliette)
- 1973: La raison du plus fou
- 1974: Die Schiffbrüchigen der Schildkröteninsel (Les naufragés de l’île de la tortue)
- 1974: Der große Blonde kehrt zurück (Le retour du grand blond)
- 1974: Der lange Blonde mit den roten Haaren (La moutarde me monte au nez)
- 1974: Eine Wolke zwischen den Zähnen (Un nuage entre les dents)
- 1975: Der Tolpatsch mit dem sechsten Sinn (La course à l’échalote) – auch Drehbuch
- 1975: Trop c’est trop
- 1976: Ein Tolpatsch auf Abwegen (On aura tout vu!)
- 1976: Das Spielzeug (Le jouet)
- 1978: Der Sanfte mit den schnellen Beinen (La carapate)
- 1978: … und jetzt das Ganze nochmal von vorn … (Je suis timide mais je me soigne)
- 1980: Zwei Kamele auf einem Pferd (C’est pas moi, c’est lui)
- 1980: Der Regenschirmmörder (Le coup du parapluie)
- 1981: Der Hornochse und sein Zugpferd (La chèvre)
- 1983: Zwei irre Spaßvögel (Les compères)
- 1983: Un chien dans un jeu de quilles
- 1984: Der Zwilling (Le jumeau)
- 1985: Meilensteine des Lebens (Tranches de vie)
- 1985: Les rois du gag
- 1986: Die Flüchtigen (Les fugitifs)
- 1988: Der große Blonde auf Freiersfüßen (À gauche en sortant de l’ascenseur)
- 1988: Mange clous
- 1990: Bienvenue à bord!
- 1990: Bettkarriere (Promotion canapé)
- 1991: On peut toujours rêver
- 1992: Vieille canaille
- 1993: La cavale des fous – auch Drehbuch
- 1994: La partie d’echecs
- 1996: 1001 Rezepte eines verliebten Kochs (Le mille et une recettes d’un cuisiner amoureux)
- 1997: Droit dans le mur
- 2000: 27 Missing Kisses
- 2000: Das Findelkind (Sans famille)
- 2000: Drogenszenen (Scénario sur la drogue)
- 2003: Robinson Crusoe (L’île de Robinson)
- 2003: Mariées mais pas trop
- 2003: Les clefs de bagnole
- 2005: Derives
- 2006: Die Schlange (Le serpent)
- 2008: Paris, Paris – Monsieur Pigoil auf dem Weg zum Glück (Faubourg 36)
- 2009: A Happy Man (Le bonheur de Pierre)
- 2009: Leon und die magischen Worte (Kerity, la maison des contes) – Sprechrolle
- 2011: Und wenn wir alle zusammenziehen? (Et si on vivait tous ensemble?)
- 2012: Mes héros
- 2012: Der große Blonde kann’s nicht lassen
- 2013: Der kleine Blonde mit dem weißen Schaf (Le petit blond avec un mouton blanc) – Kurzfilm
- 2013: Les âmes de papier
- 2016: Der kleine Spirou[4]
- 2017: Monsieur Pierre geht online (Un profil pour deux)
- 2017: Barfuß in Paris (Paris pieds nus)
- 2018: Die Sch’tis in Paris – Eine Familie auf Abwegen (La Ch’tite Famille)
- 2018: Mrs. Mills von nebenan (Madame Mills, une voisine si parfaite)
- 2018: Die alten Knacker (Les Vieux Fourneaux)
Regisseur
- 1970: Der Zerstreute (Le distrait)
- 1972: Alfred, die Knallerbse (Les malheurs d’Alfred)
- 1973: Ich weiß von nichts und sage alles (Je sais rien mais je dirai tout)
- 1978: … und jetzt das Ganze nochmal von vorn … (Je suis timide mais je me soigne)
- 1980: Zwei Kamele auf einem Pferd (C’est pas moi, c’est lui)
- 1991: On peut toujours rêver
- 1997: Droit dans le mur
Weblinks
- Pierre Richard in der Internet Movie Database (englisch)
- Literatur von und über Pierre Richard im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Offizielle Webpräsenz (französisch)
- Ich habe ein Händchen für das Glück – Interview mit Maxi Leinkauf bei sueddeutsche.de (7. November 2008)
Einzelnachweise
- ↑ Stellungnahme von Rainer Brandt zum Umfang seiner Arbeit (Memento des Originals vom 3. Februar 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ L’Aile ou la cuisse (1976) auf devildead.com
- ↑ Filmarbeiten des namensgleichen Schauspielers
- ↑ Le petit Spirou. Abgerufen am 23. Juni 2019.
Personendaten | |
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NAME | Richard, Pierre |
ALTERNATIVNAMEN | Defays, Pierre Richard Maurice Charles Leopold (wirklicher Name) |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Schauspieler und Komiker |
GEBURTSDATUM | 16. August 1934 |
GEBURTSORT | Valenciennes |