Planetare Nomenklatur

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Alte Mondkarte mit nicht mehr IAU-konformen Bezeichnungen (Andrees Allgemeiner Handatlas von 1881).

Die Nomenklatur des Planetensystems oder planetare Nomenklatur ist als Teil der astronomischen Nomenklatur das System zur wissenschaftlichen, eindeutigen Bezeichnung von Oberflächenstrukturen von Planeten, Monden und den kleineren Himmelskörpern im Sonnensystem. Die Zuweisung solcher Bezeichnungen liegt seit ihrer Gründung 1919 in den Händen der International Astronomical Union (IAU).[1]

Verfahren der Namenszuweisung

Sobald von einem Himmelskörper erste Bilder verfügbar sind, wird (meist von der einschlägigen IAU-Arbeitsgruppe) ein Thema gewählt und für einige auffällige Oberflächenstrukturen werden Namen vergeben. Im Anschluss kann jedermann Vorschläge für weitere Namen einbringen, die von der Arbeitsgruppe dann diskutiert werden. Wird der vorgeschlagene Name als zum Thema passend erachtet, wird er erst einmal zurückgestellt. Sobald höher auflösendes Bildmaterial und genauere Karten verfügbar werden und für eine von den beteiligten Wissenschaftlern untersuchte Oberflächenstruktur ein Name angefordert wird, wird aus den vorgeschlagenen Namen ein möglichst passender ausgewählt. Dieser Vorschlag wird an die Working Group for Planetary System Nomenclature (WGPSN), die für planetologische Nomenklatur zuständige Arbeitsgruppe der IAU, weiter geleitet. Dort wird er noch einmal diskutiert. Wenn der Vorschlag in der WGPSN Zustimmung findet, gilt er als „vorläufig anerkannt“ (provisionally approved) und kann unter entsprechendem Hinweis in Karten und Publikationen verwendet werden. Schließlich werden diese vorläufigen Namen noch von der alle drei Jahre stattfindenden Generalversammlung der IAU bestätigt. Danach ist der Name „offiziell angenommen“ (adopted).

IAU-Regeln und -Konventionen

Für die von der IAU akzeptierten Namen gibt es eine Reihe von Regeln und Konventionen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben:

  1. Das System der Nomenklatur sollte in erster Linie einfach, klar und eindeutig sein.
  2. Strukturen mit einer Ausdehnung von weniger als 100 m erhalten nur dann einen Namen, wenn sie von außergewöhnlichem wissenschaftlichem Interesse sind.
  3. Namen sollten nicht über wissenschaftliche Erfordernisse hinaus vergeben werden, um ihre Zahl möglichst klein zu halten.
  4. Mehrfachverwendungen eines Namens sollten vermieden werden.
  5. Die verwendete Namensform ist die der Ursprungssprache. Eine Umschrift wird zwar angegeben, ist aber nicht der offizielle Name.
  6. Soweit möglich, sollten geschichtlich etablierte Konventionen berücksichtigt werden.
  7. Die Namenvergabe sollte international ausgewogen sein. In der Nähe des Landepunktes eines Raumflugkörpers ist ein Übergewicht von Namen aus dem betreffenden Land bzw. Kulturkreis jedoch akzeptabel.
  8. Namen, die heute noch von politischer, militärischer oder religiöser Bedeutung sind, werden nicht akzeptiert.
  9. Benennung nach Personen erfolgen als Ehrung international anerkannter Persönlichkeiten von bleibender Bedeutung. Die betreffenden müssen seit mindestens drei Jahren verstorben sein. Wenn unterschiedliche Schreibungen eines Personennamens existieren, wird die von der betreffenden Person bevorzugte gewählt.

Bezeichnungen für Oberflächenstrukturen

Die Namen aller planetaren Strukturen bestehen im Allgemeinen aus einer Strukturbezeichnung (z. B. Sinus) und dem eigentlichen Namen (z. B. Iridum, also Sinus Iridum „Bucht des Regenbogens“), außer bei Kratern, bei denen die Strukturbezeichnung implizit ist und bei einigen kurzlebigen Strukturen, beispielsweise auf den Monden Io und Triton.

Bezeichnung, Mehrzahl Bedeutung[2] Beschreibung Code[3]
albedo feature ein durch Unterschiede der Oberflächenhelligkeit (Albedo) bestimmtes Gebiet. AL
Arcus, Arcus Bogen bogenförmige oder gekrümmte Strukturen (gegenwärtig nur Hotei Arcus auf Titan) AR
Astrum, Astra Stern radialsymmetrische Strukturen auf der Venus AS
Catena, Catenae Kette eine Kette von Kratern CA
Cavus, Cavi Höhlung, Loch tiefe, unregelmäßig geformte Absenkung oder Gruppe von Absenkungen CB
Chaos gestaltlose Urmasse Gebiet mit unregelmäßigem, zerklüftetem Terrain CH
Chasma, Chasmata Erdspalte, Kluft tiefe, langgezogene Spalte oder Kluft CM
Colles (Mz.) Hügel Gruppe von kleinen Hügeln oder Erhebungen. CO
Corona, Coronae Kranz, Krone ovale oder ringförmige Struktur, die kein Einschlagkrater ist CR
Crater, Crateres Mischgefäß, Wasserbecken, Vulkankrater nahezu kreisförmige Struktur, die vermutlich ein Einschlagkrater ist AA
Dorsum, Dorsa Rücken (eines Pferdes oder Esels) Geländerücken DO
eruptive center aktiver Vulkan auf Io (Mond) ER
Facula, Faculae Kienspan, kleine Fackel heller Fleck FA
Farrum, Farra Brotfladen flache, pfannkuchenartige Struktur oder Gruppe solcher Strukturen FR
Flexus, Flexus Biegung, Krümmung flache, gekrümmte Struktur FE
Fluctus, Fluctus Woge, Flutung mit vulkanischem Ergußgestein überflutete Fläche FL
Flumen, Flumina Fluss möglicherweise Flüssigkeit transportierende langgestreckte, kanalartige Strukturen auf Titan FM
Fossa, Fossae Graben lang, schmale und flache Einsenkung FO
Insula, Insulae Insel isoliertes Gebiet innerhalb einer mit Flüssigkeit bedeckten Region (einzige Struktur dieses Typs ist gegenwärtig Mayda Insula auf Titan) IN
Labes, Labes Erdrutsch Schuttmaterial aus einer Rutschung, Schuttkegel (nur auf dem Mars) LA
Labyrinthus, Labyrinthi Labyrinth Gebiet mit sich überlagernden und schneidenden Tälern und Rücken LB
Lacus See kleine Ebene auf Mond und Mars, mit Flüssigkeit bedeckte Region auf Titan LC
landing feature Umgebung der Landeplätze des Apollo-Programms auf dem Mond LF
large ringed feature ringförmige, eingesenkte Strukturen LG
Lenticula, Lenticulae Linse kleine dunkle Flecken auf Europa LE
Linea, Lineae Linie dunkle oder helle, lange, dünne Struktur LI
Macula, Maculae Fleck dunkler, eventuell unregelmäßiger Fleck MA
Mare, Maria Meer große, eher runde Ebene oder Fläche ME
Mensa, Mensae Tisch Hochfläche mit steil abfallenden Rändern MN
Mons, Montes Berg Berg bzw. in der Mehrzahl Gebirgszug oder Gebirge MO
Oceanus Weltmeer sehr große, dunkle Gebiete (nur auf dem Mond) OC
Palus, Paludes Sumpf kleine Ebene auf Mond und Mars PA
Patera, Paterae flache Schale unregelmäßiger Krater PE
Planitia, Planitiae Fläche, Ebene nieder gelegene Ebene PL
Planum, Plana Fläche, Ebene Hochfläche oder Hochplateau PM
Promontorium, Promontoria Vorgebirge Gebirgsvorsprung in einer Ebene auf dem Mond PR
Regio, Regiones Gebiet großes, durch Farbe oder Helligkeit abgesetztes Gebiet oder allgemein ein ausgedehntes Gebiet RE
Reticulum, Reticula Netz netzartige Strukturen auf der Venus RT
Rima, Rimae Riss, Ritze tief eingeschnittene Schlucht oder Spalte auf dem Mond RI
Rupes, Rupēs Klippe Steilhang oder Steilstufe RU
satellite feature nach einer Nachbarstruktur benannte Struktur, wobei dem Namen eine Großbuchstabe angehängt wird (siehe z. B. Mösting A) SF
Scopulus, Scopuli Klippe Felsvorsprung, Ausläufer mit Steilstufe SC
Sinus Bucht von einer bogenförmigen Erhebung begrenzte kleine Ebene SI
Sulcus, Sulci Furche, Rinne parallel verlaufende Furchen- und Rinnenstrukturen SU
Terra, Terrae Erde, Land ausgedehntes Gebiet TA
Tessera, Tesserae Täfelchen, Plättchen polygonal gegliedertes Terrain auf der Venus TE
Tholus, Tholi Kuppeldach eines Tempels kleine, domartige Erhebungen TH
Undae Wogen Dünenfeld UN
Vallis, Valles Tal flache Einsenkung VA
Vastitas, Vastitates Wüste ausgedehnte Ebene (gegenwärtig nur Vastitas Borealis auf dem Mars) VS
Virga, Virgae farbiger Streifen farblich abgesetzte, längliche Struktur VI

Literatur

  • Ronald Greeley, Raymond M. Batson (Hrsg.): Planetary Mapping (= Cambridge Planetary Science Series. Bd. 6). Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1990, ISBN 0-521-03373-X.
  • Ewen A. Whitaker: Mapping and naming the moon. A History of Lunar Cartography and Nomenclature. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1999, ISBN 0-521-62248-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. History of Planetary Nomenclature
  2. Lateinische Wurzel
  3. Der in der IAU-Datenbank verwendete Bezeichner für einen Typ von Strukturen, siehe Descriptor Terms.