Poppinga

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Familienwappen

Poppinga ist der Name eines alten Hausmannsgeschlechts des Brokmerlandes (Ostfriesland).

Etymologie

Der Name leitet sich her vom Vornamen Poppe/Poppo, einem sogenannten Lallnamen, der von Robert, aber auch von Folkmar abgeleitet sein kann. Mit der Endung -inga ergibt sich ein im Ostfriesischen typisches Patronymikon (Vatersname) mit der Bedeutung: Kinder des Poppe. Diese Namensbildung findet sich in vielen ostfriesischen Familiennamen (Bene – Beninga, Idze – Idzinga, Ocke – Ockinga).[1]

Im Allgemeinen wurden Familiennamen in Ostfriesland erst im 18./19. Jahrhundert verpflichtend eingeführt; vorher erhielten die Kinder den Genitiv des Vornamens des Vaters als Nachnamen (z. B. Vater: Emmo Dieken, ältester Sohn: Dieke Emmen).[2] Hier ragen die Poppinga insofern heraus, als dieser Familienname seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar ist.

Geschichte

Die Poppinga gehören zu den ältesten heute noch im Mannesstamm blühenden Familien Ostfrieslands.

Die älteste Erwähnung findet sich im Norder Vertrag[3] zwischen der Stadt Bremen und der Norder Landesgemeinde von 1255, wo ein Adda Poppenga genannt wird. Über seine Herkunft und Stellung verlautet hier nichts; Schomerus vermutet in ihm den Kirchenvogt von Marienhafe.[4] Zum einen hatte ein Abbo Poppinga (s. u.) diesen Posten noch vierhundert Jahre später inne, zum anderen gehörte Marienhafe seit 1250 nicht mehr zur Propstei Hinte (Bistum Münster), sondern zu der neu gegründeten Propstei Brokmania (Brokmerland)[5], weshalb der die betreffenden Urkunde mitzeichnende decanus (Probst) von Hinte nicht mehr für das Brokmerland sprechen konnte. Zeitgleich wurde die Marienkirche zur Sendkirche erhoben. Der Bau der neuen, backsteinernen Kirche zog sich wohl von 1210/1250 bis 1280 hin.

Cremers Zuschreibung, Adda Poppenga wäre Pastor der Andreasgemeinde zu Norden gewesen[6], ist insofern unplausibel, weil er dann als dominus (Kirchherr) bezeichnet worden wäre.

Der nächste Beleg stammt aus dem 14. Jahrhundert, als ein Juwo[7] oder Ubbo[8] Poppinga infolge eines Scharmützels zwischen der östlichen und der westlichen Fluita des Brokmerlandes wegen Totschlags zu einer Geldbuße verurteilt wurde (... Juwo Poppinga pro homicidio Tiamwardi octav ...).

Poppingas alte Bäckerei

Die Stammfolge der heute lebenden Poppinga beginnt mit Sonke Poppingha, der 1555 mit seinen Brüdern Luwe Poppingha und Boje Luwen das väterliche Erbe zu Upgant, darunter das dort nahe den Steinhaus der Agena (heute: Ulferts Börg) gelegene Poppingahuis, aufteilte (Poppinga-Urkunde).[9]

1671 starb zu Upgant der erbgesessene Hausmann, ordinärer und extraordinärer Deputierter der Landschaft (für den Hausmannstand), Kirchvorwalter (Kirchenvogt) von Marienhafe und Sielrichter Abbo Poppinga, Großenkel des o. g. Sonke. 1660 hatte Abbo an der Spitze der Brokmer Vogtei im Auftrag Graf Georg Christians einen Trupp Emder Steuereintreiber aus Marienhafe vertrieben.[10][11] Seine Frau Renske Dieken[12] war die Großnichte des ostfriesischen Gelehrten Ubbo Emmius. Auf seinem Grabstein in der St.-Marien-Kirche zu Marienhafe findet sich die älteste erhaltene Darstellung des Familienwappens und die Inschrift:

„Anno 1671. Den 2. Februariis Der Ehrenveste Vorachtbare Und Wohlfurnehmer Abbo Poppinga Erbgeseten zu Upgant Und Kirchvorwalter zu Marienhove Ordinarius Et Extraordinarius Deputierter Und Sylrichter selig in Dem Herren Entschlafen Vorwachtende Nebens Alle Glaubigen Ein Frolichen Aufestadige zum EWEGN Leben Seines Alters 44 Jahr[9]

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ließ sich Abbo Imels Poppinga (1752–1818) in Greetsiel nieder. Seine Nachkommen betrieben bis ins 20. Jahrhundert die Bäckerei am Hafen, die heute unter dem Namen „Poppingas alte Bäckerei“ als Teestube fungiert.

Andere Poppinga

Der Nachname Poppinga taucht auch an anderen Orten sporadisch auf, wobei eine Verwandtschaft nicht unbedingt gegeben sein muss.

Im 15. Jahrhundert lebte ein Häuptling zu Hatzum, der sich Remet Isempts Poppinga[13] nannte (gest. 1483). Obzwar sich keine gemeinsame Abstammung der Poppinga und der Häuptlinge von Hatzum konstruieren lässt, ist es bemerkenswert, dass Remets Frau Jevsta, Tochter des Addo (sic!) von Bewingaborg,[13] aus Siegelsum stammte, einem Nachbarort Upgants.

Wappen auf dem Grabstein der Esse Popinga zu Larrelt

1597 starb in Larrelt Esse Popinga,[14] Ehefrau des Termunter Häuptlings Menno Houwerda. 1568 hatten sie vor den Groningern nach Larrelt flüchten müssen. Essa stammte allerdings augenscheinlich nicht von den brokmer Poppinga ab, sondern aus der Familie des Tyddo Poppingha[15], Bürgermeister von Appingedam. Diese Familie geht wohl zurück auf Tyde Poppinge[16], der um 1450 Landwirt in Grolloo (Drenthe) war. Interessant ist hier allerdings das Wappen der Familie Houwerda: Im roten Feld ein silberner Löwe[17] (vergleiche das Wappen der Poppinga).

Die 1432 in Poppingawier (Friesland) gestorbene Catharina Poppinga,[18] Ehefrau des Ritters Sicke Albada, stammt aus der Familie der Popma von Terschelling. Im Unterschied zum Stammhaus auf Terschelling führten die Popma zu Poppingawier das Wappen: auf Silber (oder Blau) ein roter Löwe, goldener Schildsaum beladen mit acht (oder sechzehn) Burgen.[17]

Der reformierte Prediger Tarquinius (Tjerk) Poppinga[19], der um 1680 in Pietersbierum lebte, und seine gleichnamigen Nachfahren in den Niederlanden stammen von PierTaekes[19] ab, der 1552 als Hausmann zu Tornwerd (Wonseradeel) lebte.

Wappen

Das Wappen zeigt über blauem Schildfuße, darin drei (2:1) fünfstrahlige goldene Sterne, in Silber einen leopardierten (schreitenden) roten, goldenbewehrten und -bezungten Löwen, zwischen dessen Vorderpranken einen schwebenden fünfstrahligen goldenen Stern; auf dem blau-golden-rot-silbern bewulsteten Stechhelm mit rechts blau-goldener, links rot-silberner Helmdecke als Helmzier der Löwe wachsend mit dem Stern in den Pranken. Das Wappen ist zuerst nachgewiesen auf dem Grabstein des Abbo Poppinga[9] (s. o.).

Der geteilte Wappenschild weist darauf hin, dass hier die Wappen zweier Familien, die sich durch Heirat verbanden, zusammengefügt wurden, wobei das Löwenwappen dem Ehemann zugehören dürfte, da auch die zugehörige Helmzier beibehalten wurde. Der Stern, der zudem heraldisch falsch Metall auf Metall (Gold auf Silber) zeigt, wird dem Stammwappen später hinzugefügt worden sein, wohl, um eine Nebenlinie der ursprünglich wappenführenden Familie zu bezeichnen. Diese Bedeutung eines hinzugefügten Sterns ist heraldisch allgemein üblich. Allerdings urkundete bereits im Jahre 1423 der Kirchherr zu Marienhafe mit einem Siegel, welches unter der Muttergottes einen fünfstrahligen Stern zeigt.[20]

Löwenwappen waren unter den ostfriesischen Häuptlingen weit verbreitet. Einen roten Löwen auf Silber führten ebenfalls sowohl die Häuptlinge zu Westerhusen als auch die zu Uphusen und Wolthusen. In verwechselten Farben (Silber auf Rot) findet er sich im Wappen der Houwerda zu Termunten (s. o.) und der Beninga zu Wirdum (später zu Grimersum)[17] aus einem Nachbarort Upgants. Verwechselte oder teilweise veränderte Farben finden sich traditionell oft als Kennzeichnung eines familiären Seitenzweigs. Weitere Personen aus dem Norder Raum, die einen Löwen führten, ohne dass allerdings die Wappenfarben überliefert wurden, waren:

Liudward Abdena, Drost von Emden und Häuptling zu Norden (lebte 1383), verheiratet mit Diudleta Idzinga, der Erbtochter von Norden. Er siegelte: „S: LIUWARDI ITZINGHA“. Auf dem Siegel sind zwei Wappenschilde zu sehen, die jeweils einen Löwen zeigen, die einerseits den Abdena von Emden, die ein solches Wappen führten, und andererseits den Idzinga von Norden zugeordnet werden können.[21]

Egge Addinga (gest. 1391), Häuptling von Westerwolde[22]. Er gebrauchte ein Siegel mit einem Löwen. Er stammte aus dem Rheiderland, der Ursprung seiner Familie soll aber im Norderland gelegen haben. Südlich von Norden hat sich bis heute der Flurname Addinggaste erhalten; hier soll einst die Addingaborg gestanden haben[23]. So war 1322 Tyrling Addinga einer der Consule im Norderland.[24] Das Wappen der späteren Addinga stammt von Egges Frau Margaretha Ripperda, welches seine Nachfahren annahmen.

Die drei Sterne erinnern an das Norder Stadtwappen: Im blauen Feld drei goldene Spornräder (2:1). Die Häuptlingsfamilie Cirksena, aus der die Grafen und Fürsten von Ostfriesland hervorgingen und die sich als Erbe der Idzinga von Norden verstand, hatte die Spornräder in ihr Wappen aufgenommen; zunächst im Schildhaupt, später, auf vier vermehrt, in den Ecken des Wappenschildes. Die mit den Poppinga mehrfach verschwägerte Upganter Familie Agena[25] trug, begleitet von einem Klauenflügel, ebenfalls drei Sterne im Wappen. Dieses Wappen hatten die Agena von Onno Jevessen[26] (gest. 1457), Häuptling zu Lintel und Bürgermeister von Norden, übernommen.

In den Wappen westfriesischer Familien sind drei goldene Sterne auf blau weit verbreitet, so z. B. bei den Amama, Auckama, Grovestins, Oenema, Poppendam, Popta und Siarda,[17] woraus sich allerdings kein verwandtschaftlicher Bezug herstellen lässt.

Gudrun Schwichow hat übrigens die Hypothese publiziert, die drei Sterne ließen sich vom früheren Wappen des Prämonstratenserordens herleiten.[27]

Namensträger

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Johan Winkler: De nederlandsche geslachtsnamen in oorsprong, geschiedenis en beteekenis. Haarlem 1885.
  2. Bernhard Brons jun.: Friesische Namen und Mittheilungen darüber. Emden 1877, Reprint 1984.
  3. Ernst Friedländer: Ostfriesisches Urkundenbuch, Bd. 1. Emden 1878, Nr. 26.
  4. Johann Gerhard Schomerus: Die Marienkirche von Marienhafe. Norden 1993.
  5. Karl Freiherr von Richthofen: Friesische Rechtsquellen. Berlin 1840, S. 149.
  6. Ufke Cremer: Norden im Wandel der Zeiten. In: Norden. Die Stadtchronik. Norden 2001, S. 14.
  7. Tileman Dothias Wiarda: Willküren der Brokmänner. Berlin 1820, S. 18 f.
  8. Rudolf His: Das Strafrecht der Friesen im Mittelalter. Leipzig 1901, S. 204.
  9. a b c Bernhard Koerner: Deutsches Geschlechterbuch, Bd. 103. Görlitz 1938.
  10. Tileman Dothias Wiarda: Ostfriesische Geschichte. Aurich 1791–1798.
  11. Christian Funck: Ost-Friesische Chronik, Bd. 6. Aurich 1786, S. 258–260.
  12. Gudrun Anne Decker: Ubbo Emmius. Norderstedt 2010.
  13. a b Johann Hermann Dietrich Möhlmann: Stammtafeln einiger Ostfriesischer, Hannöverscher und Westphälischer Familien. Leer 1832.
  14. Wiebe Jannes Formsma et al.: De Ommelander Borgen en Steenhuizen. Maastricht 1987.
  15. Redmer Alma: De adeldom van de Mensema's. In: Mensen van adel. Hg. von Arnold Gevers / Conrad Rietman. Hilversum 2007, S. 55 ff.
  16. Foeke Buitenrust Hettema: Nomina geographica neerlandica, Bd. 4. Leiden 1899, S. 120.
  17. a b c d Johannes Baptista Rietstap: Illustriertes allgemeines Wappenbuch. Lyon 1938.
  18. Montanus de Haan Hettema & Arent van Halmael: Stamboek van den frieschen vroegeren en lateren adel, Bd. 1. Leeuwarden 1846, S. 288.
  19. a b Kees P. de Boer: Poppinga's rondom de Omloop. [o. O.] 1972.
  20. Ernst Friedlaender: Ostfriesisches Urkundenbuch, Bd. 1. Emden 1878. Nr. 406.
  21. Hajo van Lengen: Die friesische Freiheit des Mittelalters. Aurich 2003.
  22. Isa Ramm: Die Addinga in Westerwolde, im Rheiderland und im Norderland. In: Ostfreesland. Kalender für jedermann 78 (1995).
  23. Gretje Schreiber: Der roßdienstpflichtige bäuerlich-bürgerliche Stand und seine Vertreter im Norderland. Aurich 1992.
  24. Ubbo Emmius: Friesische Geschichte. Frankfurt/Main 1980–1982.
  25. Deutsches Geschlechterbuch, Bd. 212. Limburg/Lahn 2000.
  26. Johannes Holtmanns: Die Wappen der ostfriesischen Geschlechter und der damit verwandten Familien. In: Ostfriesisches Monatsblatt für provinzielle Interessen 8 (1880), S. 58.
  27. Gudrun Schwichow: Der Schatz im Turm. in: Ostfriesland-Magazin 7, H. 9 (1991).
  28. Jost Galle: Leffertus Thelenius (Leffert Thelen) Poppinga, in: Biographisches Lexikon für Ostfriesland, Bd. 3. Aurich 2001.