Portmeirion

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Pantheon, auch: The Green Dome
Die Amis Reunis (Das Steinboot)

Portmeirion ist ein kleines, abgelegenes, künstliches Dorf an der Küste von Snowdonia im Norden Wales in Großbritannien. Das östlich der Stadt Porthmadog an der Bucht von Tremadog gelegene Dorf wurde ab 1925 und bis 1975 von Sir Bertram Clough Williams-Ellis (1883–1978) im italienischen Stil eines am Mittelmeer gelegenen Ortes entwickelt.[1]

Ortsbeschreibung

Das heutige Portmeirion war im 19. Jahrhundert eine Anlegestelle mit Schmiede für den Schieferabtransport. Die historische Bezeichnung der Halbinsel in der Bucht von Tremadog lautet Aber îa, die „eisige Mündung“. Im Jahr 1925 erwarb Sir Clough Williams-Ellis das nach seinen Worten verwilderte Stück Land für weniger als 5.000 Pfund und benannte es für die geplante Erschließung und Vermarktung in Port Meirion um; „Port“ als Hinweis auf die Seelage, „Meirion“ nach der walisischen Grafschaft Merionethshire. Die Schreibweise wurde in späteren Jahren geändert.

Zum ursprünglichen Gebäudebestand Portmeirions gehörten außer der Schmiede (später White Horses) ein Wohnhaus (heute das Hotel), ein Gärtnerhaus (Mermaid) sowie Stallungen (Salutation).

William-Ellis war als Architekt Autodidakt. Die „Architectural Association School“ in London hatte er nur drei Monate lang besucht. Sein Familiensitz Plas Brondanw, an dessen Gestaltung er maßgeblichen Anteil hatte, befindet sich nur einige Kilometer von Portmeirion entfernt.

Die Eröffnung des zum Hotel erweiterten ehemaligen Wohnhauses war bereits 1926. Das Konzept eines eng gruppierten Küstenortes nach mediterranem Vorbild verfolgte Williams-Ellis von Beginn an. Im Lauf der Jahre wurde der Ort nach seinen Plänen umgestaltet und erweitert. Er sammelte Teile von zum Abbruch bestimmten Gebäuden und Bauwerken und verwirklichte nach und nach einen Traum: „Ich wollte ein wirklich breites Interesse für solche Dinge wie Architektur, Landschaftsplanung, die Wirkung von Farben, für Gestaltung allgemein erreichen.“ Mit Portmeirion wollte er unter Beweis stellen, dass geplante Architektur und die Einbeziehung und Erhaltung der natürlichen Landschaft kein Widerspruch sein mussten. Wichtig war ihm, dass seine neu, meist im klassischen Stil errichteten Gebäude keinesfalls wie Neubauten aussahen.

Sichtachsen und das Spiel mit optischen Täuschungen sind zentrale Gestaltungselemente in Portmeirion. Prachtvolle Arkaden erweisen sich bei näherer Betrachtung als kaum mannshoch. Neben andernorts erworbenen, abgebrochenen und wiedererrichteten Gebäuden baute er das bei einem Sturm vor Portmeirion zerstörte Schiff "Amis Réunis" als steinernes Boot in die Kaimauer vor dem Hotel ein, das von Land kommend sehr echt wirkt. Steinplatten an einem Denkmalsockel preisen die denkwürdigsten walisischen Sommer.

Den Erlös jeder Hotelsaison während der Sommermonate steckte er nahezu vollständig in die Erweiterung des Ortes. Die erste Bauphase endete mit Beginn des Zweiten Weltkriegs. Danach begannen die Bauarbeiten nur zögernd wieder, vieles musste zunächst in der Substanz erhalten werden. Erschwerend kam hinzu, dass Williams-Ellis' „gefallene Gebäude“ mehr für das Auge als für die Benutzung durch Menschen gemacht waren. Wenigstens betraf dies die zuerst errichteten Bauwerke. Wände und Dächer waren dünn und nicht isoliert, die Fenster zugig, das Baumaterial oft von schlechter Qualität. Um den Ort für die Zukunft zu erhalten, musste dieses Manko bei Sanierungen in den 1980er und 1990er Jahren behoben werden. Dabei verlor auch das Pantheon seine mit grünen Holzschindeln gedeckte Kuppel, die wegen des Brandschutzes gegen eine Kupfereindeckung ausgetauscht wurden. Diese hat jedoch keine grüne Färbung angenommen. Mit Beginn der 1950er Jahre wurden die Kraftfahrzeuge nach und nach aus dem Ort verbannt und die Garagen meist in Geschäftsräume umgebaut. Die Bautätigkeiten waren um 1976 im Wesentlichen abgeschlossen. Williams-Ellis' letztes Gebäude war das rechte der beiden Kassenhäuschen am neuen Eingangsbereich. Sein Gegenstück wurde erst 1999 im selben Stil errichtet. Bei einem Großbrand 1981 wurde das Hotelgebäude zerstört, anschließend restauriert und 1988 im alten Stil wiedereröffnet.

Der Kern des nahegelegenen heutigen Schlosses Castell Deudraeth stammt von 1840, das um 1850 schlossähnlich aus- und umgebaut wurde. Der Name erinnert an Castell Gwain Goch und Castell Aber Iau, das von Giraldus Cambrensis (Gerald of Wales) 1188 erbaut worden sein soll. Williams-Ellis erwarb das Anwesen sowie dazugehörige Feld- und Waldflächen 1931 für die geplante Hotelerweiterung, die jedoch nicht stattfand. Bis Ende der 1990er Jahre verfiel Castell Deudraeth zunehmend. Nach Renovierung durch die Portmeirion-Stiftung wurde es 2001 als Hotel neu eröffnet. Die meisten Gebäude Portmeirions sind heute Gästeunterkünfte zur Selbstverpflegung, einige Räume werden vom Hotelservice bedient.

Portmeirion beherbergt eine wichtige Rhododendron-Sammlung und exotische Pflanzen. Die gesamte Hotelanlage steht unter Denkmalschutz und wird von einer Stiftung unterhalten. Der Ort ist eigentlich nur für Gäste zugänglich, kann gegen eine Eintrittsgebühr aber auch von Tagesbesuchern besichtigt werden.

Portmeirion in den Medien

Der Ort wurde besonders bekannt als Drehort für die Fernsehserien Geheimauftrag für John Drake mit dem US-amerikanischen Schauspieler und Regisseur Patrick McGoohan und besonders für dessen Nachfolgeserie Nummer 6. Six Of One, der britische Fanclub der Fernsehserie Nummer 6 (The Prisoner), veranstaltet regelmäßig Treffen in dem Dorf, das die Kulisse für die surrealistisch anmutenden Episoden abgab. In vielen weiteren Fernsehsendungen, meist britischen Serien und Filmen, wurde Portmeirion als Schauplatz benutzt, z. B. in Doctor Who.

Auch Musikvideos, etwa „The Passenger“ von Siouxsie and the Banshees, wurde hier produziert.

Der Schriftsteller Noël Coward schrieb im Dorf den Roman Blithe Spirit. Für Brian Epstein, den Manager der Musikgruppe The Beatles, errichtete der Gründer und Erbauer Portmeirions, Clough Williams-Ellis, eine eigene Unterkunft als Anbau am Gebäude "Gate House".

Portmeirion Pottery

Portmeirion-Geschirr der Serie Pomona

Portmeirion ist auch der Name eines Unternehmens, das Clough Williams-Ellis’ Tochter Susan Williams-Ellis und ihr Ehemann Euan Cooper-Ellis 1960 in Portmeirion gründeten.

Es stellt Essgeschirr aus Keramik sowie Tafel- und Küchenzubehör her. Nachdem das Ehepaar eine heruntergewirtschaftete Fabrik in Stoke-on-Trent, dem Zentrum der britischen Keramikindustrie, gekauft hatte, verlegte es Sitz und Produktion der Portmeirion Pottery und die Portmeirion Group PLC nach England. Im November 2006 kaufte das Unternehmen Pimpernel, einen bekannten britischen Hersteller von Tischmatten und Untersetzern. Die Portmeirion Group hatte 2005 einen Umsatz von 27 Millionen Britischen Pfund. In Stoke-on-Trent beschäftigt Portmeirion etwa 500 Mitarbeiter, weitere in einer Niederlassung in den USA. Die bekanntesten Geschirrserien sind Botanic Garden und Pomona, die nach der römischen Göttin des Obstsegens benannt ist. Für beide Serien gaben Pflanzen- und Fruchtzeichnungen des 19. Jahrhunderts das Vorbild.[2]

Hans Feibusch

Wandmalereien und Fresken des in Frankfurt am Main geborenen Künstlers und Freundes von Clough Williams-Ellis Hans Feibusch gibt es in Portmeirion. Feibusch war Jude, seine Arbeiten wurden im "Dritten Reich" im Rahmen der Ausstellung "Entartete Kunst" zur Schau gestellt. Feibusch floh vor den Nazis und wurde 1938 britischer Staatsbürger. Sein malerisches Werk umfasst vor allem mythische, auch religiös inspirierte Gestalten und Motive. In vielen öffentlichen und kirchlichen Gebäuden Großbritanniens sind Arbeiten von ihm zu besichtigen. In Portmeirion befinden sich Feibuschs Wandgemälde an den Häusern Anchor, Arches, dem Hotelgebäude, Lady's Lodge, im Innern des Pantheon sowie an der Gewölbedecke von Gate House.

Chronologie der Bebauung Portmeirions

Zeit Gebäude
19. Jahrhundert Bestehende Bebauung: White Horses, ehem. Schmiede; Castell Deudraeth (in der Serie Nummer 6 das Krankenhaus); Haupthaus; Gärtnerhaus, Stallungen
1925 Umwandlung Haupthaus/Hotel, Gärtnerhaus/Mermaid; Ställe/Salutation
1925/26 Angel & Neptune
1926 Watch House, Eröffnung des Hotels
1927/28 Campanile (Glockenturm); Prior's Lodging
1928/29 Government House
1929 Toll House
1930 "Amis Réunis" - Steinboot
1930er Jahre Hercules Hall; Pilot House; Battery Cottage, Dolphin; Fountain; Anchor, Trinity
1933/34 Chantry
1937/38 Camera Obscura
1954 Lighthouse (nach Aufhebung der kriegsbedingten Baubeschränkungen)
1954/55 Gate House
1956/57 Telford's Tower
1958 Bristol Colonnade; High Cloister ("Veranda" des Pantheons/Doms)
1958/59 Round House ("6 Private" in Nummer 6), Bridge House
1959 Pantheon - Dom, ("Grünes Kuppelgebäude"; das grüne Dach ging bei Brandschutzsanierungen in den 1990er Jahren verloren)
1960 Belvedere
1961/62 Chantry Row
1962 Playhouse
1963 Triumphal Arch; Gothic Pavilion
1963/64 Arches
1964 Gloriette Balkon
1964/65 Unicorn
1966 Villa Winch; Central Piazza (anstelle eines Tennisplatzes)
1968/70 Cliff House
1977 New Toll Booth
1978 Terrace Selbstbedienungsrestaurant
1981 Hotel- und Restaurantgebäude bei Brand völlig zerstört
1983 Centenary Gazebo; Prisoner Information Centre eröffnet im Round House ("6 Private") über die Serie Nummer 6
1988 Wiedereröffnung des Hotels nach Restaurierung
1998 Tudor Room, Anbau an der Hercules Hall
1999 Prisoner Information Centre schließt; zweites Kassenhäuschen gegenüber Toll Booth; Castell Deudraeth nach Renovierung als Hotel wiedereröffnet
2001 Neuer Prisoner-Shop unter der Regie des Hotels Portmeirion im Round House
2007 Caffi Glas (The Blue Café), italienisches Restaurant (1950 als Gästegaragen erbaut)
2016 permanentes Schachfeld, vom Hotel zu Ehren und in Erinnerung an Patrick McGoohans Serie Nummer 6 neben der Central Piazza angelegt

Literatur

  • Jan Morris: Portmeirion. Antique Collectors’ Club, 2006, ISBN 1-85149-522-3. (Englisch)
  • Jonah Jones: Clough Williams-Ellis: The Architect of Portmeirion: A Memoir. Seren Books/Poetry Wales Pr Ltd, 1997, ISBN 1-85411-166-3. (Englisch)
  • Robin Llywelyn: Llawlyfr Portmeirion. Portmeirion Guidebook, Porthmadog 2000
  • Sir Clough Williams-Ellis: The Place And Its Meaning, London 1963, Neuausgabe 2006

Einzelnachweise

  1. Martin Glauert: Das Dorf der gefallenen Häuser. In: FAZ.net. 8. Februar 2012, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  2. Our History auf der Website der Portmeirion Group PLC (englisch). Abgerufen am 14. November 2021.

Weblinks

Commons: Portmeirion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 52° 55′ N, 4° 6′ W