Power Posing

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Amy Cuddy verdeutlicht in einem öffentlichen Vortrag „Power Posing“ am Beispiel der Comic-Superheldin Wonder Woman.

Power Posing ist in der Forschung zu nonverbaler Kommunikation die Einnahme einer raumeinnehmenden Körperhaltung (Power Pose). Es geht zurück auf Untersuchungen von Dana Carney, Amy Cuddy und Andy Yap aus dem Jahr 2010.[1] Laut ursprünglicher Forschung sind „Power Poses“ (Machtposen) offene und raumeinnehmende Körperhaltungen, die zu einer Zunahme des Testosteronspiegels und zu einer Abnahme des Cortisolspiegels führen. Individuen, die Power Posing ausüben, fühlen sich demnach mächtiger und verhalten sich risikofreudiger. Die Wirksamkeit von Power Posing wird von vielen Wissenschaftlern angezweifelt und steht nach erfolglosen Replikationsversuchen in der Kritik.

Ursprüngliche Untersuchung

In einer 2010 veröffentlichten Studie führten die Wissenschaftler Dana Carney, Amy Cuddy und Andy Yap den Begriff „Power Posing“ auf Grundlage ihrer bisherigen Forschung zur nonverbalen Kommunikation ein.[1][2] Abgeleitet wurde diese Hypothese aus der Beobachtung der Tierwelt, denn in dieser wird eine ausdrucksvolle und offene Körperhaltung beispielsweise zur Abschreckung von vermeintlichen Feinden eingesetzt. Dem entgegengesetzt wirkt eine gekrümmte Körperhaltung sehr schwach und machtlos.

Bei bisheriger Forschung zu diesem Thema ist die Körperhaltung das Ergebnis einer vorangegangenen kognitiven Verarbeitung. Dagegen gehen Carney, Cuddy und Yap in ihrer Studie der Frage nach, ob sich Macht auch vor dem Hintergrund von Embodiment erklären lassen kann; also ob die absichtliche Einnahme von Power Poses zu physiologischen, psychologischen und Verhaltensänderungen führt.

Die in zwei Gruppen zufällig aufgeteilten 42 Versuchspersonen wurden gebeten, jeweils zwei entweder machtvolle Posen („high-power poses“) oder machtlose Posen („low-power poses“) für jeweils eine Minute einzunehmen. Im Anschluss nahmen die Teilnehmer an einer kurzen Glücksspiel-Aufgabe teil, um ihre Risikobereitschaft zu evaluieren, und sollten in einem Fragebogen ihr Machtgefühl bewerten. Von allen Versuchspersonen wurden vor und nach dem Experiment Speichelproben zur Bestimmung des Cortisol- und Testosteronspiegels genommen.

Carney, Cuddy und Yap berichten in ihrer Studie signifikante Ergebnisse für alle vier untersuchten Aspekte. In der Gruppe der „high-power poses“ war der Testosteronspiegel höher, der Cortisolspiegel geringer, das wahrgenommene Machtgefühl höher und das Verhalten in der Glücksspiel-Aufgabe risikofreudiger als in der Gruppe der „low-power poses“.

Mit den Ergebnissen sehen die Autoren die Embodiment-Hypothese ihrer Forschung bestätigt. Allein durch das Einnehmen einer machtvollen Körperhaltung steigt das Machtgefühl und sinkt das Stresslevel. Implikationen sehen sie für Menschen, die sich in stressigen Situationen befinden, in denen sie sich beweisen müssen, wie etwa in Bewerbungsgesprächen oder bei öffentlichen Vorträgen. Cuddy, Wilmuth, Yap, und Carney führten ein weiteres Experiment vor einer stressigen Situation durch. Dabei nahmen sie an, dass „high-power poses“ vor einem Bewerbungsgespräch dem Bewerber helfen, sich während des Bewerbungsgesprächs selbstbewusst und positiv zu präsentieren. Diese Annahme wird nach der Durchführung des Experiments bestätigt, da die Bewerber, die vor dem Bewerbungsgespräch „high-power poses“ einnahmen, besser abschnitten und von den Prüfern eher eine Zusage erlangten als die Bewerber, die vor dem Gespräch „low-power poses“ einnahmen.[3]

Amy Cuddy präsentierte im Jahr 2012 ihre Forschung im Rahmen eines TED Talks, der bis 2019 mehr als 50 Millionen Mal angesehen wurde und somit zu den meistgesehenen TED Talks zählt.[4]

Replikationsversuche und Kritik

Die Ergebnisse der Studien zu Power Posing stehen seit ihrer Veröffentlichung in der Kritik. 2015 berichteten die schwedische Wissenschaftlerin Eva Ranehill und Kollegen die Ergebnisse ihres umfangreichen Replikationsversuchs der originären Studie von Carney, Cuddy und Yap.[5] Sie kamen dabei zu dem Schluss, dass sie die Effekte des Power Posing nicht replizieren konnte.

Die statistischen Methoden, die zu den ursprünglichen fehlerhaften Ergebnissen geführt haben könnten, wurden von renommierten Forschern wie Uri Simonsohn und Joseph P. Simmons von der Wharton School in ihrem Artikel aus dem Jahr 2016 überprüft und kamen zu dem Schluss, dass frühere Forschungen „nicht darauf hindeuteten, dass es einen Effekt gibt, wenn wir die selektive Berichterstattung berücksichtigen“.[6]

In den folgenden Jahren versuchten verschiedene Forschergruppen, Power Posing in verschiedenen Variationen experimentell zu untersuchen. Die Ergebnisse bestätigten überwiegend nicht die Annahmen von Cuddy et al. In einer Studie von Garrison et al. aus dem Jahr 2016 wurde der Effekt der Haltungsmanipulation mit dominantem vs. unterwürfigem Blick kombiniert. Trotz einer großen Stichprobengröße wurde kein Einfluss auf die Risikobereitschaft festgestellt und im Gegensatz zu den ursprünglichen Erwartungen reduzierte sich das Machtverhalten durch eine expansive Pose.[7] Deuter et al. (2016) untersuchte die Wirkung der kognitiven Rollenübernahme im Kombination mit der von Cuddy ausgehende Machtmanipulation in einer sozialen Stressaufgabe; während die Rollenübernahme einen Einfluss auf die Cortisol- und Testosteronreaktion nach Stress hatte, hatte die Haltungsmanipulation keinen Einfluss auf hormonelle, verhaltensbedingte oder subjektive Maße.[8] Sofern Einflüsse auf Hormonspiegel gefunden wurden, waren diese nicht zwangsläufig im Einklang mit Cuddys ursprünglicher Hypothese. In einer Studie von Smith et al. im Jahr 2017 mussten sich die Teilnehmer einer herausfordernden Aufgabe stellen, während sie Haltungen mit hoher oder niedriger Leistung einnehmen mussten. Die Autoren berichten über keinen Haupteffekt des Posentyps auf Testosteron, Cortisol, Risiko oder Machtverhältnisse. Sie fanden jedoch eine Interaktion zwischen Haltung und Wettbewerbsergebnis bei Testosteron: Während Gewinner, die einer dominanten Haltung zugeordnet waren, einen geringen Anstieg des Testosteronspiegels hatten, zeigten Verlierer eine Reduzierung des Testosteronspiegels.[9]

Andere Wissenschaftler haben versucht, eine Erklärung dafür zu finden, wie die Wirkung hätte gefunden werden können, indem sie Faktoren wie geschlechtsspezifische Unterschiede im Hormonspiegel ausschließen. Weitere 11 Studien aus dem Jahr 2017 untersuchten Power Posing. Jedoch konnte auch hier keine der Studien die ursprünglichen Ergebnisse replizieren.[10] Ferner wird Carney, Cuddy und Yap vorgeworfen, sie hätten ihre Ergebnisse mithilfe von p-Hacking manipuliert.[11] Obwohl Carney, Cuddy und Yap in einem 2015 veröffentlichten Beitrag die Ergebnisse ihrer Forschung verteidigen, distanzierte sich Dana Carney wenig später in Folge auf die anhaltende Kritik von den Ergebnissen zum Power Posing: „Ich glaube nicht, dass die Power Posing-Effekte wahr sind.“[12] Amy Cuddy hält weiterhin an der Idee des Power Posings fest.[13]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Dana R. Carney, Amy J. C. Cuddy, Andy J. Yap: Power Posing: Brief Nonverbal Displays Affect Neuroendocrine Levels And Risk Tolerance. In: Association for Psychological Science (Hrsg.): Psychological Science. Volume 21, Nr. 10, 20. September 2010, S. 1363–1368, doi:10.1177/0956797610383437.
  2. Dana R. Carney, Judith A. Hall, Lavonia Smith LeBeau: Beliefs about the nonverbal expression of social power. In: Journal of Nonverbal Behavior. Band 29, Nr. 2, Juni 2005, ISSN 0191-5886, S. 105–123, doi:10.1007/s10919-005-2743-z.
  3. Amy J. C. Cuddy, Caroline A. Wilmuth, Andy J. Yap, Dana R. Carney: Preparatory Power Posing Affects Nonverbal Presence and Job Interview Performance. In: Journal of Applied Psychology. Juli 2015, S. 1286–1295, doi:10.1037/a0038543, PMID 25664473.
  4. Your body language may shape who you are. In: TED Talks. 2012, abgerufen am 13. Dezember 2020.
  5. Eva Ranehill, Anna Dreber, Magnus Johannesson, Susanne Leiberg, Sunhae Sul, Roberto A. Weber: Assessing the Robustness of Power Posing: No Effect on Hormones and Risk Tolerance in a Large Sample of Men and Women. Band 26, Nr. 5. Psychological Science, Mai 2015, S. 653–656.
  6. Simmons, Joseph P., and Uri Simonsohn. Power posing: P-curving the evidence. Psychological science 28.5 (2017): 687-693. PMID 28485698 doi:10.1177/0956797616658563
  7. Garrison, K. E., Tang, D., & Schmeichel, B. J. (2016). Embodying power: A preregistered replication and extension of the power pose effect. Social Psychological and Personality Science, 7(7), 623-630. doi:10.1177/1948550616652209
  8. Deuter, C. E., Schächinger, H., Best, D., & Neumann, R. (2016). Effects of two dominance manipulations on the stress response: Cognitive and embodied influences. Biological psychology, 119, 184-189. PMID 27381928 doi:10.1016/j.biopsycho.2016.06.004
  9. Smith, K. M., & Apicella, C. L. (2017). Winners, losers, and posers: The effect of power poses on testosterone and risk-taking following competition. Hormones and behavior, 92, 172-181. PMID 27840104 doi:10.1016/j.yhbeh.2016.11.003
  10. Kai J. Jonas et al.: Power poses – where do we stand? In: Comprehensive Results in Social Psychology. Band 2, Nr. 1, Januar 2017, S. 139–141.
  11. Joseph P. Simmons, Uri Simonsohn: Power Posing: P-Curving the Evidence. In: Psychological Science. Band 28, Nr. 5, 20. März 2017, ISSN 0956-7976, S. 687–693, doi:10.1177/0956797616658563 (sagepub.com [abgerufen am 2. Juli 2018]).
  12. Dana R. Carney: My position on “Power Poses”. Abgerufen am 2. Juli 2018 (englisch).
  13. Jesse Singal, Melissa Dahl: Here Is Amy Cuddy’s Response to Critiques of Her Power-Posing Research. In: The Cut. New York Media LLC., 30. September 2016, abgerufen am 2. Juli 2018 (englisch).