Primär sklerosierende Cholangitis

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Klassifikation nach ICD-10
K83.0 Cholangitis, primär sklerosierend
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) ist eine chronische Entzündung der Gallenwege (Cholangitis) innerhalb und/oder außerhalb der Leber. Sie führt zu einer narbigen Verhärtung (Sklerose) und damit verbunden zu einer Verengung der Gallenwege.

Krankheitsentstehung

Der genaue Entstehungsmechanismus ist bisher noch ungeklärt. Besonders häufig (bei 85 % der Patienten) tritt die Erkrankung in Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auf, dabei vor allem bei Colitis ulcerosa. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen.

Klinische Erscheinungen

Symptome Häufigkeit
Gewichtsverlust 25–80 % nach langjährigem Verlauf
Ikterus 25–70 %
Juckreiz 10–70 %
Oberbauchbeschwerden 50–70 %
Müdigkeit, Leistungsschwäche
Fieber
Durchfälle

Anzumerken ist, dass 35 % aller Patienten beschwerdefrei sind.

Untersuchungsmethoden

Die eindeutigste Methode ist die Darstellung der Gallenwege mittels ERC (endoskopisch retrograde Cholangiographie). Wegen der relativ hohen Komplikationsrate ist aber heute die bildgebende Methode der Wahl die MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie). Auch Autoantikörper, die sogenannten pANCA (perinukleäre antineutrophile zytoplasmatische Antikörper) können typischerweise nachgewiesen werden, sie treten aber nur bei 70 % der Patienten auf.

Cholangiografie einer PSC
Ultraschall des Ductus Choledochus

Typische Laborbefunde

Wie bei allen Erkrankungen, bei denen der Abfluss der Gallenflüssigkeit aus der Leber nicht gewährleistet werden kann, sind die Stauungsparameter im Blut erhöht. In ungefähr 70 % der Fälle findet man den Autoantikörper p-ANCA. Patienten mit einem erhöhten Wert des Tumormarkers CA 19-9 haben einen schneller fortschreitenden Verlauf.

Histologie

Es finden sich herdförmige periduktale Entzündungsinfiltrate aus Lymphozyten, Granulozyten und Plasmazellen. Es entsteht eine progressive Fibrose („zwiebelschalenartig“) der Gallengänge, die in eine Gangatrophie übergeht und dazu führt, dass die Gallengänge durch fibröse Stränge ersetzt werden. Hieraus ergibt sich der proximale Gallenstau mit dem Bild von Gallengangsdilatationen.

Verlauf

Die PSC ist eine fortschreitende Erkrankung, die schubweise verläuft. Die Patienten bemerken eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes und eine Zunahme der oben genannten Symptome. Besonders problematisch ist, dass es zur Bildung von Gallensteinen kommen kann, die dann noch zu einer zusätzlichen Verstärkung der Symptome führen. Da die PSC eine entzündliche Erkrankung ist, besteht außerdem die Möglichkeit, dass es zu einer Entartung der Gallengangsschleimhaut kommt. Hier wurde besonders häufig das Gallengangskarzinom genannt. Es soll bei 5–10 % der PSC-Patienten entstehen.

Therapie

Die Therapie der Wahl erfolgt mit Ursodeoxycholsäure (UDCA). Sie senkt die erhöhten Leberwerte, v. a. AP und GGT. Außerdem wird der Juckreiz deutlich vermindert. Darüber hinaus müssen bei entsprechender Bildung von Gallensteinen oder Gallenwegsverengungen diese beseitigt werden, womöglich im Rahmen der zur Diagnose durchgeführten ERCP. Eine Rückbildung der schon bindegewebig umgebauten Strukturen der Leber kann mit UDC nicht erreicht werden, auf die Fibrose nimmt das Medikament keinen Einfluss. Die Therapie muss lebenslang erfolgen. Neben dem Basistherapeutikum UDC stehen noch andere Medikamente zur Verfügung. Colestyramin und Colestipol wirken ähnlich, wenn auch nicht so effizient wie UDC.

Das dominierende Problem im Langzeitverlauf der PSC sind rezidivierende Entzündungen der Gallenwege mit teilweise schweren Schüben und Verläufen, die zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität führen. Diese müssen antibiotisch und auch antimykotisch behandelt werden, d. h. mit Medikamenten gegen Bakterien und Pilze. Letztere werden vor allem im Langzeitverlauf das führende Problem. Aus diesem Grund wurden die Richtlinien der Bundesärztekammer dahingehend geändert, diesen Patienten eine Transplantation unter den Bedingungen des MELD-Scores zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass mit der Länge der Erkrankung sich ein deutlich erhöhtes Risiko Gallenwegskarzinome zu entwickeln einstellt, die unter der Erkrankung in der Regel nicht diagnostiziert werden können und in der Regel erst durch den Pathologen bei der Aufarbeitung des Gewebes der im Rahmen einer Lebertransplantation entnommenen Leber diagnostiziert werden.[1] Entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer empfiehlt sich daher eine regelmäßige Kontrolle und Überwachung des Verlaufes.[2] Die Lebertransplantation stellt die definitive und kurative Heilung dar.

Nach den Daten einer Heidelberger Langzeitstudie kann durch eine jährliche ERCP und eine Ballondilatation dominanter Stenosen die Zeit bis zum terminalen Leberversagen verlängert werden. Dominante Stenosen sind Gallenwegsverengungen auf < 1,5 mm im Ductus hepaticus communis oder < 1,0 mm im Ductus hepaticus dexter bzw. sinistra. In der Studie wurde eine Gruppe nur bei entsprechender Symptomatik dilatiert. Die zweite Gruppe erhielt eine jährliche ERCP und eine Dilatation aller dominanter Stenosen unabhängig von der Symptomatik. Das Überleben ohne Transplantation war bei jährlicher ERCP und Ballondilatation im Median 17,8 Jahre, bei Dilatation nur bei Symptomatik (Juckreiz, Gelbsucht oder akute bakterielle Cholangitis) nur 11,1 Jahre.[3]

Eine Leitlinie zu Diagnostik und Therapie der PSC auf Basis publizierter wissenschaftlicher Daten und Erfahrungen ist 2017 erschienen.[4]

Prognose

Die mittlere Überlebenszeit ohne Lebertransplantation ist bei etwa 10–20 Jahren.[5] Eine Heilung ist momentan noch nicht möglich.[5]

Die 5-Jahresüberlebensrate nach Lebertransplantation liegt bei 75–85 %, allerdings kann es hier (genau wie bei der PBC) in 20 % zu einem Wiederauftreten der Erkrankung im Transplantat kommen.[6]

Die Prognose wird in erster Linie durch das Entstehen häufig wiederkehrender Entzündungsschübe einhergehend mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung von Gallenwegskarzinomen bestimmt.[1][7] Das Ziel einer Therapie muss es demnach sein, das Fortschreiten der Erkrankung so weit wie möglich hinauszuzögern.

Siehe auch

Literatur

  • Werner Böker, H. Denk, Ph. U. Heitz, H. Moch: Pathologie. 4. Auflage. Urban & Fischer, Elsevier, 2008, ISBN 978-3-437-42382-6.
  • Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage.
  • Basislehrbuch Innere Medizin. Elsevier, 2006.
  • Herbert Renz-Polster, Steffen Krautzig, Jörg Braun: Basislehrbuch Innere Medizin. 4. Auflage. Urban & Fischer Verlag, Elsevier, 2008, ISBN 3-437-41053-9.
  • J. Worthington, R. Chapman: Primary sclerosing cholangitis. In: Orphanet J Rare Dis. 2006 Oct 24;1, S. 41. PMID 17062136, PMC 1636629 (freier Volltext)
  • I. L. Steele, C. Levy, K. D. Lindor: Primary sclerosing cholangitis--approach to diagnosis. In: MedGenMed. 2007 Apr 25;9(2), S. 20. PMID 17955076, PMC 1994832 (freier Volltext)
  • A. Michaels, C. Levy: The medical management of primary sclerosing cholangitis. In: Medscape J Med. 2008 Mar 12;10(3), S. 61. PMID 18449341, PMC 2329756 (freier Volltext)
  • H. Lutz et al.: Primär sklerosierende Cholangitis: Diagnostik und Therapie. In: Deutsches Ärzteblatt Int. Nr. 10(51-52), 2013, S. 867–874 (Übersichtsarbeit).

Einzelnachweise

  1. a b B. Nashan et al.: Biliary malignancies in primary sclerosing cholangitis: timing for liver transplantation. In: Hepatology. 1996 May;23(5), S. 1105–1111. PMID 8621141.
  2. Richtlinien für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Lebertransplantation, 2012 (Memento vom 6. Juli 2012 im Internet Archive) (PDF; 213 kB) bundesaerztekammer.de
  3. Christian Rupp, Theresa Hippchen, Thomas Bruckner, Petra Klöters-Plachky, Anja Schaible, Ronald Koschny, Adolf Stiehl, Daniel Nils Gotthardt, Peter Sauer: Effect of scheduled endoscopic dilatation of dominant strictures on outcome in patients with primary sclerosing cholangitis. In: BMJ (Hrsg.): GUT. 17. August 2019, S. epub ahead of print: [17.08.2019]., doi:10.1136/gutjnl-2018-316801.
  4. C. Strassburg, C. Schramm et al: S2k Leitlinie Autoimmune Lebererkrankungen. (PDF; 1,1 MB) Abgerufen am 21. Oktober 2017.
  5. a b Gerd Herold: Innere Medizin: eine vorlesungsorientierte Darstellung. Herold, Köln 2012, ISBN 978-3-9814660-1-0.
  6. Herbert Renz-Polster, Steffen Krautzig, Jörg Braun: Basislehrbuch Innere Medizin mit StudentConsult-Zugang: kompakt-greifbar-verständlich. 4. Auflage. Urban & Fischer Verlag, Elsevier, 2008, ISBN 3-437-41053-9.
  7. Richtlinien für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Lebertransplantation, 2013. (PDF; 213 kB) bundesaerztekammer.de