Pulsröhrenkühler

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Ein Pulsröhrenkühler oder Pulsrohrkühler (auch Pulse-Tube-Kühler) ist eine auf dem Prinzip des Stirlingmotors basierende Kältemaschine. Der Vorteil gegenüber dem Stirlingmotor liegt darin, dass in der Nähe des kalten Wärmetauschpunktes keine mechanisch beweglichen Teile nötig sind. Dadurch sind sehr kompakte Kühlköpfe möglich und die erreichbare Minimaltemperatur wird nicht durch die mechanische Reibungswärme dieser Teile begrenzt. Heute können mit reinen Pulsröhrenkühlern Temperaturen von 1,3 K (= −272 °C) erreicht werden.

Anwendungen

Die Einsatzgebiete erstrecken sich über weite Bereiche von Industrie, Forschung, Medizin und Militär, wo extrem niedrige Temperaturen benötigt werden: Verflüssigung von Gasen, Kühlung von Sensoren, Kühlung supraleitender Magnetfeldspulen, Quantencomputer-Schaltkreise, supraleitende Schaltungen in Mobilfunk-Empfangsstationen, Tieftemperaturexperimente und Weltraumexperimente. Dank ihrer Unabhängigkeit von kryogenen Flüssigkeiten eigenen sie sich sehr gut für Außeneinsätze: im Militär zur Kühlung von Infrarot-Sensoren[1], zur Kühlung optischer Sensoren in Weltraumteleskopen oder für eine zukünftige bemannte Marsmission, um vor Ankunft der Astronauten den Sauerstoff aus dem CO2 der Marsatmosphäre zu verflüssigen[2]. In der Forschung können sie Kryostate unabhängig von der Versorgung mit teuren kryogenen Flüssigkeiten wie flüssigem Helium oder Stickstoff machen. Sie werden dabei als direkte Vorstufe für weitere Kühlstufen verwendet, wie 3He-Verdampfungskühler, 3He-4He-Mischkühler oder paramagnetische Entmagnetisierungsstufen.

Geschichte

Abb. 1: Die Entwicklung der erreichten Temperaturen von Pulsröhrenkühlern über die Jahre. 1,2 K wurde in einer Kollaboration zweier Forschergruppen aus Gießen und Eindhoven erreicht. Hier dient ein suprafluider Wirbelkühler als zusätzliche Kühlstufe.

Mit dem 1963 von W. E. Gifford und R. C. Longsworth vorgestellten Grundprinzip, dem BPTR (engl.: Basic Pulse Tube Refrigerator), konnten Temperaturen von minimal 124 K (= −149 °C) erreicht werden[3][4]. Im Laufe der Jahre veröffentlichten verschiedene Forschergruppen Variationen mit immer höherer Effizienz und tieferer Minimaltemperatur. Eine 1984 veröffentlichte Variante vom Typ OPTR (engl.: Orifice Pulse-Tube Refrigerator) erreichte eine Temperatur von 60 K[5][6]. Mit einer weiteren Variante von 1990, vom Typ DIPTR (engl.: Double-Inlet Pulse-Tube Refrigerator), sowie Aneinanderreihungen von zwei bzw. drei Pulsröhrenkühlern konnte schließlich die Siedetemperatur von Helium unterschritten werden (kleiner 4 K)[7][8]. Eine Forschergruppe aus Gießen erreichte 1,3 K (2004)[9] und zusammen mit einer Gruppe aus Eindhoven 1,2 K mit einer zusätzlichen Kühlstufe (2005)[10].

Am Walther-Meißner-Institut in Garching gelang es 2003 mit einem Mischkryostat mit Pulsrohr-Vorstufe eine Temperatur von 4,3 mK zu erreichen, ohne dass eine Zufuhr von kryogenen Flüssigkeiten notwendig war.[11]

Funktionsweise

Stirlingmotor

Der Pulsröhrenkühler arbeitet nach dem Prinzip des Stirlingmotors mit Regenerator. Im Betrieb als Wärmepumpe komprimiert und expandiert der Kolben des Stirlingmotors in einem Zylinder periodisch das darin enthaltene Gas, was zunächst eine gleichmäßige periodische Temperaturschwankung des Gases bewirkt. Damit ein räumlich gerichteter Wärmetransport auftritt, wird einerseits das Gas periodisch mit einem Verdrängerkolben umgelagert, so dass die Kompression an einem andern Ort als die Expansion stattfindet. Andererseits durchläuft in den meisten Stirlingmotoren das Gas einen sogenannten Regenerator, ein gasdurchlässiges Material mit großer Wärmekapazität. Dieses kühlt das Gas in der komprimierten Phase auf dem Weg zum kalten Ende, nimmt dabei selbst Wärme auf, und wärmt damit das Gas in der expandierten Phase auf dem Weg zum heißen Ende. Beide Strategien sorgen dafür, dass ein Ende im zeitlichen Mittel kälter ist als das andere. Wird das im Mittel wärmere Ende auf Umgebungstemperatur gehalten, kann das kältere Ende zur Kühlung genutzt werden.

Pulsröhrenkühler

Abb. 2: Aufbau eines Pulsröhrenkühlers in drei historischen Entwicklungsstufen. BPTR: Kompressor, Regenerator und der verlängerte Zylinder, das eigentliche Pulsrohr, bilden das Grundprinzip. OPTR: über eine Düse verbundenes Puffervolumen für eine zeitliche Verzögerung. DIPTR: zusätzlicher Bypass zur Steigerung des Wirkungsgrades. An den warmen (WTP1+3) und kalten (WTP2) Wärmetauschpunkten werden die Abwärme und die erzeugte Kälte abgeleitet.

Der Pulsröhrenkühler vermeidet jegliche beweglichen Teile, mit Ausnahme des Kolbens im oft weit entfernt liegenden Kompressor, der eine periodische Druckschwankung erzwingt. Das ein- und ausströmende Gas durchläuft einen Regenerator und mündet in ein sogenanntes Pulsrohr, das einen Ersatz für die weiteren beweglichen Teile des Stirlingmotors darstellt. Am anderen Ende des Pulsrohrs kann die Luft nicht oder nur langsam entweichen. Betrachtet man ein Volumenelement des Gases in der Mitte des Pulsrohres während der periodischen Kompression, so bewegt sich dieses relativ zum unbeweglichen Regenerator hin und her. Das Pulsrohr wirkt also wie ein Kolben und ersetzt den im Stirlingmotor notwendigen zweiten beweglichen Kolben bzw. einen beweglichen Regenerator und Verdränger. Ein Wärmetransport findet jedoch nur dann statt, wenn eine zeitliche Dephasierung der Gasbewegung zum Druck oder der Temperatur vorhanden ist. Was beim Stirlingmotor mechanisch gelöst ist, gelingt beim BPTR-Typ dadurch, dass die Wand des Pulsrohrs Wärme aufnimmt und naturgemäß etwas zeitverzögert abgibt. Eine weitaus größere Zeitverzögerung der Gasbewegung erreicht der OPTR, bei dem das Pulsrohr über eine Verzögerungsdüse mit einem Puffervolumen verbunden ist, das mit gewisser Trägheit befüllt und entleert wird. Auf diese Weise werden die Strategien des Stirlingmotors umgesetzt, ohne den Nachteil mechanischer Teile, die aufgrund von Reibungswärme der Kühlung entgegenwirken. Zwischen dem Regenerator und dem Pulsrohr befindet sich der kälteste Punkt, der zur Kühlung genutzt werden kann, wenn die warmen Wärmetauschpunkte durch Wasser- oder Luftkühlung auf Umgebungstemperatur gehalten werden.

Siehe auch

  • Ranque-Hilsch-Wirbelrohr zur Erzeugung warmer und kalter Luft aus einem konstanten Luftstrom, ebenfalls ohne bewegliche Teile.
  • [1] wikibooks: Thermoacoustics (engl.)

Einzelnachweise

  1. Development of the Pulse Tube Refrigerator as an Efficient and Reliable Cryocooler (2000) (PDF; 1,2 MB)
  2. Pulse Tube Oxygen Liquefier (PDF; 508 kB)
  3. W. E. Gifford, R. C. Longsworth: Pulse-tube refrigeration. In: Trans ASME. 1964, S. 264–268.
  4. W. E. Gifford, R. C. Longsworth: Surface heat pumping. In: Adv Cryo Eng. 11, 1966, S. 171–179.
  5. E. I. Mikulin, A. A.Tarasov, M. P. Shkrebyonock,: Low-temperature expansion pulse tubes. In: Adv Cryo Eng. 29, 1984, S. 629–637.
  6. R. Radebaugh, J. Zimmerman, D. R. Smith, B. Louie: Comparison of three types of pulse tube refrigerators; New methods for reaching 60 K. In: Adv Cryo Eng. 31, 1986, S. 779–789.
  7. S. Zhu, P. Wu, Z. Chen: Double inlet pulse tube refrigerator: an important improvement. In: Cryogenics. 30, Nr. 4, 1990, S. 514–520. doi:10.1016/0011-2275(90)90051-D.
  8. Y. Matsubara, J. L. Gao: Novel configuration of three-stage pulse tube refrigerator for temperatures below 4 K. In: Cryogenics. 34, Nr. 4, 1994, S. 259–262. doi:10.1016/0011-2275(94)90104-X.
  9. N. Jiang, U. Lindemann, F. Giebeler, G. Thummes: A He pulse tube cooler operating down to 1.3 K. In: Cryogenics. 44, Nr. 11, 2004, S. 809–816. doi:10.1016/j.cryogenics.2004.05.003.
  10. I. A. Tanaeva, U. Lindemann, N. Jiang, A. T. A. M. de Waele, G. Thummes: Novel concepts or devices-Superfluid vortex cooler. In: Advances in Cryogenic Engineering. 49B, 2004, S. 1906–13.
  11. Kurt Uhlig: “Dry” dilution refrigerator with pulse-tube precooling. In: Cryogenics. 44, Nr. 1, Januar 2004, S. 53–57. doi:10.1016/j.cryogenics.2003.07.007.

Literatur

  • Herbert Willem Gerrit Hooijkaas: Miniature Stirling-Type Pulse-Tube Refrigerators. Dissertation. 2000 (tue.nl [PDF]).