Quaestio (Rechtsgeschichte)

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Quaestio (lateinisch für Suche, Befragung, Vernehmung, Quästion) war im römischen Recht ein schwurgerichtliches (öffentliches) Strafverfahren. Nach Anklageerhebung durch den Gerichtsmagistraten wurden Geschworene (consilium) aus der Richterliste ausgewählt, die dann unter Vorsitz eines Prätors über die Schuld des Angeklagten zu entscheiden hatten.[1]

Quaestio ist gleichzeitig der Name des in diesem Verfahren urteilenden Gerichts. Die Entstehung der Quaestio ist umstritten.[2]

Zur Anklage im Verfahren der quaestio war jeder römische Bürger befugt. Er lud (verbrachte) den Angeklagten direkt zum Magistraten. Verneinte der Angeklagte dort seine Schuld, entschied der Magistrat über die Zulassung des Verfahrens vor der quaestio. Am Ende des Verfahrens entschieden die Geschworenen durch Mehrheit. Der Anzeigende erhielt im Verfahren die Rechte und Pflichten einer Prozesspartei (Parteiinitiative), die Entscheidung verkündete dann wieder der Magistrat. Die Strafe ergab sich grundsätzlich aus dem Gesetz, das dem Prozess zugrunde gelegt wurde. In der frühen Kaiserzeit verlor die quaestio ihre Bedeutung zunehmend an die kaiserliche Gerichtsbarkeit.

Im Mittelalter erhielt die quaestio den Charakter einer Rechtsfrage und diente im Decretum Gratiani als Gliederungseinheit für dort aufgestellte allgemeine Rechtssätze. Mittels der zu dieser Zeit entwickelten scholastischen Methode konnten Rechtsfragen untersucht werden, so beispielsweise die im 15. Jahrhundert verfassten Decem quaestiones de medicorum statu[3] („Zehn Fragen in der Kunst und Lehre der Arznei“[4]),[5] welche sich vor allem mit kirchenrechtlichen Aspekten des Medizinerstandes befassten.[6] Bei der quaestio werden zunächst die Grundlagen einer Fragestellung klargestellt und nach deren Festlegung dann beantwortet. Zweifel, die an der erzielten Lösung aufgeworfen wurden, mussten durch Widerlegung der Gegenargumente ausgeräumt werden.[7]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Kunkel, Martin Schermaier: Römische Rechtsgeschichte, 14. Auflage. UTB 2225, Köln/Wien 2005, § 4. Das öffentliche Strafverfahren, S. 81–93 (85 f.).
  2. Wolfgang Kunkel: Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens in vorsullanischer Zeit. In: Bayerische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Abhandlungen, n.F. Heft 56. Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, in Kommission bei Beck, München 1962, OCLC 3056025.
  3. Rudolf Peitz (Hrsg.): Die ‚Decem quaestiones de medicorum statu‘. Ein spätmittelalterlicher Dekalog zur ärztlichen Standeskunde. Wellm. Pattensen (jetzt bei Königshausen & Neumann, Würzburg) 1978 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 11).
  4. Christine Boot, Gundolf Keil: ‚Quaestiones de medicorum statu‘ / ‚Zehn Fragen in der Kunst und Lehre der Arznei‘. In: Verfasserlexikon. 2. Auflage, Band 7 (1989), Sp. 931–934.
  5. Rudolf Peitz, Gundolf Keil: Die ‘Decem quaestiones de medicorum statu’. Beobachtungen zur ärztlichen Standeskunde des 14. und 15. Jahrhunderts. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013 (2014), S. 283–297.
  6. Gundolf Keil: ‚Quaestiones de medicorum statu‘. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1207 f.; vgl. auch Gundolf Keil (Hrsg.): „Die frag ist, ob der arczet schuldig sey oder nit“: Eine ortolf-haltige Bearbeitung der ‚Quaestiones de medicorum statu‘ aus dem spätmittelalterlichen Schlesien. In: Konrad Kunze, Johannes G. Mayer, Bernhard Schnell (Hrsg.): Überlieferungsgeschichtliche Editionen und Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters. Festschrift Kurt Ruh. Tübingen 1989 (= Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen. Band 31), S. 189–209.
  7. Martin Grabmann: Die Geschichte der scholastischen Methode. Band I und II (1909/1911). Akademische Druck- & Verlagsanstalt, Graz 1957, OCLC 611503421 (Erstausgabe: Freiburg/Breisgau, unveränderter Nachdruck).