Quellenkritik

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Die Quellenkritik versucht festzustellen, unter welchen Umständen eine Geschichtsquelle entstanden ist, insbesondere wer sie wann hergestellt hat und mit welcher Motivation. Sie ist eine zentrale Aufgabe der Geschichtswissenschaft und als Teil der historisch-kritischen Methode ein entscheidendes Merkmal der Wissenschaftlichkeit des Fachs.

Hintergrund

Die moderne, methodische Quellenkritik hat zwei Vorläufer: die philologische Textkritik aus der Renaissance und die etwas spätere Beschäftigung mit alten Urkunden durch die Diplomatik, um deren Echtheit und damit die Stichhaltigkeit der mit ihnen verbundenen Rechtsansprüche festzustellen. Damit können auch mögliche Geschichtsfälschungen aufgedeckt werden.

Durch den Vergleich einer Quelle mit anderen, durch die Überprüfung der Plausibilität von gemachten Aussagen, oder durch technische Untersuchungen lassen sich gestellte Fragen oft klären; manchmal lassen sie sich jedoch auch nicht eindeutig beantworten, oder erst mit neu entwickelten Untersuchungsmethoden (siehe z. B. Vinland-Karte). Quellenkritik muss in gleichem Maße, wenn auch oft mit anderen Methoden, auf nicht-schriftliche Quellen (z. B. Münzen, Gebäude, Briefmarken) angewendet werden. Mit den verschiedenen Quellenarten und den Methoden zu ihrer Kritik befassen sich die Historischen Hilfswissenschaften.

Einteilung

Bei der Quellenkritik muss man zwischen Aufnahme bzw. Befund einerseits und Deutung andererseits unterscheiden. Der Befund geht dabei immer der Deutung voraus. Die Deutung darf nicht allein aus dem Text geschehen, denn die Entstehungsgeschichte und die historischen Umstände tragen zur Bedeutung bei. Grundsätzlich wird zwischen innerer und äußerer Quellenkritik unterschieden.

Äußere Quellenkritik

Die äußere Quellenkritik bezieht sich auf die physische Gestalt der Quelle: Art der Herstellung, die hilfreich zur Feststellung von Ursprungsort und -zeit sein kann, Materialwahl, Textfluss, Wortwahl und Stil, sowie Aufbewahrungsort, Erhaltungszustand und andere Aspekte des Überlieferungszusammenhangs, schließlich die Vollständigkeit der Quelle, sind hier als mögliche Gegenstände der äußeren Kritik zu nennen. Eine ältere Bezeichnung für äußere Quellenkritik ist „Kritik der Echtheit“, denn sie gibt Auskunft darüber, ob der angegebene Aussteller oder Hersteller der Quelle auch der tatsächliche ist oder sein kann. Doch auch gesicherte Falsifikate haben Quellenwert, nämlich in Bezug auf den Fälscher.[1]

Ernst Bernheim fasst die äußere Quellenkritik in seiner vielfach nachgedruckten Einleitung in die Geschichtswissenschaft in vier Fragen zusammen:

„1. Entspricht die äußere Form der Quelle […] der Form, die den als echt bekannten sonstigen Quellen derselben Art zur Zeit und am Ort der angeblichen bzw. […] angenommenen Entstehung unserer Quelle eigen ist […]?
2. Entspricht der Inhalt der Quelle dem, was uns sonst aus sicher echten Quellen […] bekannt ist […]?
3. Entsprechen Form […] und Inhalt dem Charakter und ganzen Milieu der Entwicklung, innerhalb deren die Quelle angeblich steht […]?
4. Finden sich in oder an der Quelle Spuren künstlicher, fälschender Mache, wie etwa unglaubwürdige, seltsame Art der Auffindung und Übermittelung […]?“

Ernst Bernheim[2]

Innere Quellenkritik

Die innere Quellenkritik bezieht sich auf die Frage nach der Qualität der enthaltenen Informationen. Durch Fragen nach der Autorenschaft, dem Adressaten, dem Sinnzusammenhang usw. soll insbesondere geklärt werden, wie nah die Quelle örtlich und zeitlich dem berichteten Geschehen steht, da größere Nähe ein Anzeichen für die Qualität der Informationen darstellt. Zudem wird die Plausibilität des Quellengehalts daran geprüft, ob sie überhaupt möglich ist. Da das „letztlich entscheidende Kriterium für eine Quelle […] ihr Erkenntniswert für die historische Forschung“[3] ist, kommt bei der Beurteilung von Quellen der „Nähe“ zum Geschehen besonderer Wert zu:

„Der Bericht eines Augenzeugen oder ein Foto wird dabei stets Vorrang gegenüber einem späteren Bericht oder Untersuchungsprotokoll genießen. Man hat hierfür die Bezeichnungen der ‚Primär-‘ bzw. der ‚Sekundärquellen gewählt.‘“

Klaus Arnold[3]

Dabei ist die Frage nach dem Urheber einer Quelle, „seiner Person, seinen Lebensumständen, seiner Intention[4] besonders wichtig für die innere Quellenkritik:

„Wieviel konnte ein Verfasser von den von ihm berichteten Vorgängen wissen, und wieviel wollte er davon berichten?“

Klaus Arnold[4]

Ernst Bernheim unterteilt die Quellenkritik wie folgt:

Kritik der Quellen und Daten […]
1. Fälschung und Verkennung der Quellen, Interpolation […]
2. Entstehungsort und -zeit der Quellen […]
3. Bestimmung des Autors […]
4. Quellenanalyse […]
5. Rezension und Edition der Quellen […]
6. Prüfung der Zuverlässigkeit […]
7. Feststellung der Tatsachen […]
8. Ordnung der Daten nach Thema, Zeit, Ort […].“

Ernst Bernheim[5]

Digitale Quellenkritik

Im Angesicht moderner digitalisierter oder originär digitaler Quellen wird die traditionelle Quellenkritik um die Dimension einer Quellenkritik des Digitalen erweitert:

„Die Quellenkritik des Digitalen findet innerhalb des neu etablierten historisch-kritischen Prozesses statt. Die traditionelle Methode wird dabei um den Schritt der Objektsicherung ergänzt, der bei digitalen Objekten aufgrund deren Volatilität und Manipulierbarkeit zwingend durchzuführen ist. Die Eigenschaften eines digitalen Objekts und die damit verbundenen Probleme für die Geschichtswissenschaft erfordern zudem neue Methoden aus der Informationstechnik, um eine quellenkritische Analyse adäquat durchführen zu können.“

Pascal Föhr[6]

Siehe auch

Literatur

  • Stefan Jordan (Hrsg.): Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe. Reclam, Stuttgart 2002, ISBN 3-15-000503-5.
  • Friedrich Beck, Eckart Henning (Hrsg.): Die archivalischen Quellen. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2004, ISBN 3-412-04804-6.
  • Pascal Föhr: Historische Quellenkritik im Digitalen Zeitalter. VWH Verlag Werner Hülsbusch, Glückstadt 2019, ISBN 3-864-88153-6. (=Dissertation Basel 2018 online als .pdf-Datei)

Weblinks

  • Quellenkritik. Lerneinheit in: Geschichte Online der Universität Wien. – Link veraltet

Fußnoten

  1. Klaus Arnold: Der wissenschaftliche Umgang mit Quellen. In: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs. 2. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2001, S. 42–58, hier S. 5.
  2. Ernst Bernheim: Einleitung in die Geschichtswissenschaft. Sammlung Göschen, Bd 270. 3./4. Auflage. De Gruyter, Berlin/Leipzig 1936, S. 140f. (zuerst 1905)
  3. a b Klaus Arnold: Der wissenschaftliche Umgang mit Quellen. In: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs. 2. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2001, S. 42–58, hier S. 44, ISBN 3-499-55688-X.
  4. a b Klaus Arnold: Der wissenschaftliche Umgang mit Quellen. In: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs. 2. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2001, S. 42–58, hier S. 50.
  5. Ernst Bernheim: Einleitung in die Geschichtswissenschaft. De Gruyter, Berlin/Leipzig 1936, S. 4.
  6. Pascal Föhr: Historische Quellenkritik im Digitalen Zeitalter. VWH Verlag Werner Hülsbusch, Glückstadt 2019, S. 123.