Quilombo
Als Quilombo bezeichnete man zur Zeit der portugiesischen Herrschaft eine Niederlassung geflohener schwarzer Sklaven in Brasilien. Das Wort Quilombo stammt aus den Bantu-Sprachen Kikongo und Kimbundu und bedeutet Wohnsiedlung. Sofern es sich um wehrhafte Gemeinschaften handelte, wurde damals auch die Bezeichnung „Mocambo“ verwendet, was auf Kikongo „Zuflucht“ oder „Versteck“ bedeutet.[1]
Geschichte
Der größte und berühmteste Quilombo war der von Palmares im heutigen brasilianischen Bundesstaat Alagoas mit zeitweise zwischen 20.000 und 30.000 Bewohnern. Die Niederlassung bestand von 1630 bis 1694 und widerstand mehreren Eroberungsversuchen der portugiesischen Kolonialherren, bis sie von einer Truppe unter dem Kommando des berüchtigten Bandeirante Domingos Jorge Velho vollständig zerstört wurde[2]. Der Todestag des legendären letzten Anführers des Quilombo dos Palmares Zumbi am 20. November 1695 wird heute von den afro-brasilianischen Bewegungen als Tag des schwarzen Bewusstseins (Dia da Consciência Negra) begangen.
Weitere Legenden ranken sich um die Kämpfe zwischen Sklaven und Sklavenhaltern in den Quilombos – so wird von den Quilombos gesagt, dass sich dort die Kampfkunst des Capoeira stark weiterentwickelte und dass die Sklaven sie auch im Kampf gegen die (mit Schusswaffen bewaffneten) Sklavenjäger eingesetzt hätten.
Der Widerstand der Quilombos wurde bereits im 17. Jahrhundert gebrochen, die Siedlungen bestanden jedoch fort. Heute leben in der kaum berührten Landschaft „im Amazonasregenwald am Trombetas-Fluss […] die ‚Gemeinschaften der Nachkommen der geflohenen afrikanischen Sklaven‘, insgesamt zehn- bis zwölftausend Menschen, die sich in Wehrdörfern organisieren. […] Noch heute bewahren und pflegen die Quilombolas die kulturellen, sozialen und spirituellen Traditionen ihrer Vorfahren und setzen deren besondere Techniken des Jagens, Sammelns und Bewirtschaftens fort.“[3]
Quilombolas
Die Einwohner der Quilombos bzw. deren Nachkommen werden „Quilombolas“ genannt. Die Anzahl ihrer Territorien ist nicht genau bekannt und variiert je nach Urheber der Zählung. Erschwerend kommt hinzu, dass sich viele Quilombolas noch in einem Selbstidentifizierungsprozess befinden. Als sehr grobe Orientierung kann eine Zahl zwischen 1.000 und 10.000 Quilomboterritorien angenommen werden. Das Konzept der Quilomboterritorien entspricht dem Konzept der indigenen Territorien. Es zielt auf die Selbstbestimmung im eigenen Territorium der Gemeinschaft. Ein Einfluss auf die nationale Politik ist dabei nicht vorgesehen.
Seit 1988 sind die Landrechte der Quilombolas in der brasilianischen Verfassung verankert. Mit der Vorgabe befindet sich Brasilien unter den Vorreiterländern für die Rechte nicht-indigener lokaler Gemeinschaften, die ein traditionelles Leben führen.[4]
Eine entgegengesetzte Darstellung erwähnt ebenfalls, dass den Quilombolas nach der brasilianischen Verfassung das Recht auf ihr Land zusteht, „dennoch vergab der brasilianische Staat langfristige Schürfrechte [… im Fall der Trombetas-Region], ohne diese Bevölkerungsgruppe an den entsprechenden Entscheidungsprozessen zu beteiligen.“ Die Konzession läuft noch bis 2080.[Anm 1] Nach der Aufnahme des Tagebaus in der Trombetas-Region mussten viele Ouilombolas ihre angestammten Niederlassungen verlassen und umsiedeln. Andere werden durch die Umweltschäden des Tagebaus daran gehindert, ihre bisherige Lebensweise weiter auszuüben […] und sind gezwungen, in den Arbeitscamps der Bauxitminen für sie fremdartige Arbeitsverhältnisse als Straßenarbeiter, Köchinnen oder Wäscherinnen einzugehen.[5]
Palenque
Auch im spanischsprachigen Amerika gab es den Quilombos ähnliche Siedlungen, die dort palenques (Einzahl: palenque) genannt werden. Dieses spanische Wort bezeichnet im ursprünglichen Wortsinn eine Einzäunung oder Einfriedung mit einer Palisade.
Anmerkungen
- ↑ „In Porto Trombetas liegt die drittgrößte Bauxitmine der Welt. Der Ort ist eine Enklave inmitten von dichtem, bis vor wenigen Jahren kaum berührten Primärregenwald. Nur per Schiff oder Flugzeug gelangen Besucher dorthin; die nächste Stadt, Santarém (Pará), liegt gut 15 Bootsstunden entfernt. […] Hier lagern die fünftgrößten, bereits erschlossenen Bauxitreserven der Welt. Und hier fördert man gut 70 Prozent des gesamten brasilianischen Bauxits.“ (L. Marschall: Aluminium, 2008, S. 216, zitiert zur Lage: C. Girndt: Kunstwelt im Regenwald. 2007, S. 43 und zu den Daten: C. Moser: Weltmarktintegration Amazoniens, 1998, S. 72).
Siehe auch
Literatur
- Werner Zips (Hrsg.): Afrikanische Diaspora. Out of Africa – Into New Worlds. Bd. 1, 2. Auflage, Lit Verlag, 2008, ISBN 978-3-8258-3971-0.
- Cicilian Luiza Löwen Sahr, Francine Iegelski: Quilombos und quilombolas in Brasilien: Widerstand und zukünftige Entwicklungen. In: Shadia Husseini de Araújo, Lisa Tschorn, Tobias Schmitt (Hrsg.): Widerständigkeiten im ›Land der Zukunft‹. ISBN 978-3-89771-050-4, © UNRAST Verlag, Okt. 2013.
- Marcelo D´Salete: Angola Janga – Eine Geschichte von Freiheit, Bahoe Books, Wien 2019. (Sachcomic mit Kommentar und Glossar, aus dem brasilianischen Portugiesisch von Lea Hübner.)
Weblinks
- Observatório Terras Quilombola. In: org.br. Comissão Pró-Índio de São Paulo (brasilianisches Portugiesisch, mit Datenbank).
Einzelnachweise
- ↑ Yeda Pessoa de Castro: Falares africanos na Bahia: um vocabulário afro-brasileiro. Academia Brasileira de Letras, Topbooks Editora e Distribuidora de Livros, Rio de Janeiro 2001.
- ↑ Chronologie des Quilombo in Palmares (portugiesisch)
- ↑ Claudio Moser, Christine Moser: Streitfall Aluminium. Soziale, ökologische und volkswirtschaftliche Implikationen der Bauxitförderung und Aluminiumproduktion. Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung, Bonn 1994, ISBN 3-928214-59-4. Zitiert nach: Luitgard Marschall: Aluminium. Metall der Moderne. oekom verlag, München 2008, ISBN 978-3-86581-090-8, S. 225.
- ↑ Dieter Gawora, Maria Helena de Souza Ide, Romulo Soares Barbosa (Hrsg.), Mirja Annawald (Übers.): Traditionelle Völker und Gemeinschaften in Brasilien. Lateinamerika-Dokumentationsstelle. Kassel University Press, Kassel 2011.
- ↑ Luitgard Marschall: Aluminium – Metall der Moderne, oekom verlag, München 2008, S. 223 ff. ISBN 978-3-86581-090-8.