Rückstoßlader

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Rückstoßlader sind automatische Schusswaffen, welche die Energie, die sie für das Auswerfen der Hülse und das Nachladen der neuen Patrone benötigen, aus der Rückstoßenergie des Schusses beziehen.[1] Alternative Konzepte sind Gasdrucklader, bei denen der aus dem Lauf entnommene Gasdruck als Antrieb genutzt wird, oder Waffen mit Fremdantrieb (z. B. Chain Gun), die einen externen Antrieb – in der Regel einen Elektromotor – benötigen.[2]

Funktionsweise

Rückstoßlader verwenden die Energie des Rückstoßes, um nach einem Schuss den Verschluss zu öffnen, die leere Patronenhülse auszuwerfen und eine neue Patrone aus dem Magazin ins Patronenlager nachzuführen. Der Verschluss darf erst öffnen, wenn das Projektil den Lauf verlassen hat und der Gasdruck auf einen unkritischen Wert abgesunken ist. Die Verriegelung des Verschlusses ist dabei „formschlüssig statisch“.[3]

Experimenteller Rückstoßlader, basierend auf einem Unterhebelrepetierer, der den Rückstoß der gesamten Waffe ausnutzt, Hiram Maxim 1883/84

Es gibt zwei grundsätzliche Arten von Rückstoßladern; die einen nutzen den Rückstoß der gesamten Waffe, die anderen den Rückstoß des Rohres.[1]

Bei Rückstoßladern, die den Rückstoß der gesamten Waffe ausnutzen, ist ein beweglicher Kolben mit dem Repetiermechanismus verbunden. Mit solchen Konstruktionen wurde Ende des 19. Jahrhunderts experimentiert, jedoch wurden keine praxistauglichen Waffen entwickelt.[1] Der später entwickelte Bump Stock basiert auf ähnlichem Prinzip.[4]

Bei Rohrrückstoßladern laufen Rohr und Verschluss zunächst gemeinsam verriegelt zurück, bis eine Steuerung das Rohr und den Verschluss trennt. Ein Teil der Waffen nutzen Rückstoßverstärker, um den Rohrrückstoß zu verstärken.[2] Von den Rohrrückstoßladern mit zurückgleitendem Lauf gibt es wiederum zwei Grundarten: Rückstoßlader mit weit und mit kurz zurückgleitendem Lauf.[1]

In manchen Publikationen werden diese Waffen als Rückdrucklader bezeichnet, was aber physikalisch nicht korrekt ist. Der Verschlussantrieb erfolgt nämlich nicht durch Gasdruck, sondern durch Bewegung des Geschosses im Lauf und den dadurch entstehenden Rückstoßimpuls. Diese Eigenschaft wird bei Verwendung von Platzpatronen (ohne Geschoss) deutlich. Bei einem Gasdrucklader funktioniert das, wenn ein Manöverpatronengerät den Querschnitt des Laufs verengt und sich dadurch genug Druck aufbauen kann, welcher für das Nachladen notwendig ist. Bei einem Rückstoßlader hingegen kann der Druck im Lauf beliebig hoch sein, die Waffe repetiert nicht. Um Rückstoßlader mit Platzpatronen zu benutzen, muss ein spezielles Manöverpatronengerät vor dem Lauf angebracht werden, welches als Rückstoßverstärker fungiert.[5]

Recoil operation key.png
Long recoil operation.png

Rückstoßlader mit weit zurückgleitendem Lauf

In einem Rückstoßlader mit weit zurückgleitendem Lauf gibt es in der Regel zwei Federn, die Vorholfeder für den Lauf und die Schliessfeder für den Verschlussblock.[6] Das System wurde hauptsächlich bei älteren Waffen verwendet, wie dem Maschinengewehr Chauchat, der Selbstladeflinte Browning Auto 5 oder der Pistole Frommer Stop.[1][6]

Phasenablauf:

  1. Ausgangsposition: Verschlussblock und Lauf sind starr verriegelt und an der vordersten Stellung
  2. beim Schuss gleiten Verschlussblock und Lauf gemeinsam in die hinterste Stellung zurück, die Federn werden dabei gespannt
  3. der Verschlussblock wird hinten zurückgehalten, während der Lauf aufgrund des Drucks der Lauf-Vorholfeder wieder nach vorne gedrückt wird. Dabei wird der Verschluss entriegelt und geöffnet, die Patronenhülse wird aus dem Patronenlager ausgeworfen
  4. kurz bevor der Lauf die vordersten Stellung erreicht, löst er die Verschlusssperre, der Verschlussblock wird von der Verschlussschließfeder nach vorne gedrückt und schiebt eine neue Patrone in das Patronenlager und verriegelt den Verschluss mit dem Lauf

Rückstoßlader mit kurz zurückgleitendem Lauf

Short recoil operation.png

Rückstoßlader mit kurz zurückgleitendem Lauf sind deutlich zahlreicher als mit weit zurückgleitendem Lauf. Es gibt zahlreiche Varianten von Verschlussarten.[1] Das von Hiram Maxim erfundene Maxim-Maschinengewehr von 1885 und seine Nachfolger, die im Ersten Weltkrieg von Deutschland als MG 08 und von England als Vickers-Maschinengewehr Mark 1 eingesetzten schweren MGs, die Borchardt C93-Pistole, die Luger-Pistole 08 und die schweizerischen Furrer-Automaten Lmg 25 – hatten einen Kniegelenkverschluss. Das deutsche MG 34 hatte einen Drehkopfverschluss, dessen Verschlusskopf sich durch eine Vierteldrehung entriegelte, während sein Nachfolger, das MG 42, mit einem Rollenverschluss verriegelte. Beim Browning M1917-Maschinengewehr erfolgt die Verriegelung durch einen Keil, während bei den nach dem Browning-System konstruierten Pistolen der Lauf abkippt, um den Verschluss freizugeben (z. B. FN Browning HP, Česká zbrojovka ČZ 75). Eine weitere Variante ist der Stützklappenverschluss, den einige Pistolen, etwa die Walther P38, die Mauser C96 oder die Beretta 92 nutzen.

Phasenablauf:[1]

  1. Ausgangsposition: Verschlussblock und Lauf sind verriegelt und an der vordersten Stellung
  2. beim Schuss gleiten Verschlussblock und Lauf verriegelt gemeinsam etwas zurück bis der Verschluss entriegelt wird
  3. der Lauf hält in seiner Bewegung an, der entriegelte Verschlussblock gleitet hingegen aufgrund seiner Bewegungsenergie weiter
  4. der Lauf hält in seiner Rückwärtsbewegung an und überträgt die Bewegungsenergie an den Verschlussblock, der weiter nach hinten gleitet, die Patronenhülse wird aus dem Patronenlager ausgeworfen und die Schließfeder gespannt
  5. der Verschlussblock wird von der Schließfeder nach vorne gedrückt und schiebt eine neue Patrone in das Patronenlager
  6. Verschlussblock und Lauf verriegeln und kehren in die vorderste Stellung zurück

Literatur

  • Peter Dannecker: Verschlusssysteme von Feuerwaffen. dwj Verlags-GmbH, Blaufelden 2009, ISBN 978-3-936632-20-0
  • R. Germershausen, E. Schaub et al.: Waffentechnisches Taschenbuch. Hrsg.: Rheinmetall. 3. Auflage. Düsseldorf 1977, OCLC 664599417.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Jaroslav Lugs: Handfeuerwaffen. Band I. 6-te Auflage, Militärverlag der DDR, 1979, S. 304–305
  2. a b F. Flanhardt, K. Harbrecht: Kapitel Einteilung der automatichen Schusswaffen in: Waffentechnisches Taschenbuch. 3. Auflage, Rheinmetall, Düsseldorf 1977. S. 243–245 [1]
  3. Dannecker: Verschlusssysteme von Feuerwaffen. 2009, S. 124–130
  4. The New York Times Editorial Staff (Hrsg.): Gun Control, Verlag The Rosen Publishing Group, 2018, ISBN 9781642821451, S. 137 [2]
  5. Dannecker: Verschlusssysteme von Feuerwaffen. 2009, S. 468–469
  6. a b Julian Hatcher, Ned Schwing: Hatcher's Notebook: A Standard Reference for Shooters, Gunsmiths, Ballisticians, Historians, Hunters and Collectors, Verlag Stackpole Books, 1962, ISBN 9780811749176 S. 53 [3]