Rainer F. Schmidt

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Rainer Friedrich Schmidt (* 22. Februar 1955 in Schwarzenbach am Wald) ist ein deutscher Emeritus für Geschichte in Würzburg.

Leben und Wirken

Er studierte 1976–1982 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Clark University in Worcester (Massachusetts) Geschichte, Anglistik und Amerikanistik. 1990 wurde er in Würzburg zum Dr. phil. promoviert.[1] 1997 folgte an der Philosophischen Fakultät die Habilitation über den Flug von Rudolf Heß nach Großbritannien.[2] Gutachter im Habilitationsverfahren waren Harm-Hinrich Brandt, Peter Baumgart, Peter Herde, Wolfgang Altgeld und Paul-Ludwig Weinacht. Von 1998 bis 2021 war er Professor für Neueste Geschichte und Didaktik der Geschichte an der Universität Würzburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges, der Außenpolitik der Habsburgermonarchie und des Deutschen Kaiserreichs, der Weimarer Republik und den deutsch-britischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert.

Schmidt rezensiert für die Frankfurter Allgemeine Zeitung regelmäßig Bücher zum Nationalsozialismus und zum Zweiten Weltkrieg. Er ist Mitglied im Arbeitskreis Deutsche England-Forschung, im Arbeitskreis Militärgeschichte, in der Prinz-Albert-Gesellschaft, in der Deutschen und Bayerischen Konferenz für Geschichtsdidaktik, in der Internationalen Gesellschaft für Geschichtsdidaktik sowie Beisitzer im Deutschen Komitee zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges.

Sein 880-seitiges Werk Kaiserdämmerung. Berlin, London, Paris, St. Petersburg und der Weg in den Untergang (Klett-Cotta 2021) betont „die hellen Seiten der Wilhelminischen Ära“ und widerspricht der These von der Hauptschuld Deutschlands am Ausbruch des Ersten Weltkriegs.[3][4] Gerd Krumeich kritisiert am Werk schlechte Quellenausstattung, falsche Zahlen und „marktschreierisch“ vorgetragene einseitige Thesen zum Revanchismus der Franzosen und zur Rolle des Versailler Vertrags als „Urkatastrophe“.[5] Dieter Langewiesche findet Teile der Thesen Schmidts forschungsfern, widersprüchlich und sogar „peinigend“. Den „Parlamentsabsolutismus“ der Weimarer Republik rechne der Autor zum Einfallstor der NS-Herrschaft. Schmidt entwerfe „ein revisionistisches Bild der europäischen Geschichte“.[6] Hartwin Spenkuch attestiert Schmidt zwei Revisionsversuche: Zum einen bürde er die Verantwortung für den Ersten Weltkrieg der Triple Entente auf: Die „Kriegstreiber saßen in St. Petersburg, Paris und London“. Zum anderen sehe er die Verantwortung für das Aufkommen des Nationalsozialismus und damit für den Zweiten Weltkrieg im Versailler Vertrag, den er von „Frankreichs Rachedurst“ motiviert sehe. Diese Darstellung sei monokausal und werde Beifall wohl vor allem auf der rechten Seite des politischen Spektrums finden. Zumal in der Darstellung der wilhelminischen Außenpolitik bleibe Schmidts Neuinterpretation wissenschaftlich angreifbar, ein Standardwerk sei das Buch nicht.[7]

Werke

  • Die gescheiterte Allianz. Österreich-Ungarn, England und das Deutsche Reich in der Ära Andrassy (1867 bis 1878/79) (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Bd. 517). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1992, ISBN 3-631-44627-6.
  • Graf Julius Andrássy. Vom Revolutionär zum Außenminister (= Persönlichkeit und Geschichte. Bd. 148/149). Muster-Schmidt, Göttingen u. a. 1995, ISBN 3-7881-0144-X.
  • mit Michael Gehler, Harm-Hinrich Brandt, Rolf Steininger (Hrsg.): Ungleiche Partner? Österreich und Deutschland in ihrer gegenseitigen Wahrnehmung. Historische Analysen und Vergleiche aus dem 19. und 20. Jahrhundert (= Historische Mitteilungen. Beiheft 15). Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06878-3.
  • Rudolf Heß – „Botengang eines Toren?“ Der Flug nach Großbritannien vom 10. Mai 1941. Econ, Düsseldorf 1997, ISBN 3-430-18016-3.
  • Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933–1939. Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 3-608-94047-2.
  • Otto von Bismarck (1815–1898). Realpolitik und Revolution. Eine Biographie (= Kohlhammer-Urban-Taschenbücher. 599). Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-017407-X.
  • Deutschland und Europa. Außenpolitische Grundlinien zwischen Reichsgründung und Erstem Weltkrieg. Festgabe für Harm-Hinrich Brandt zum siebzigsten Geburtstag (= Historische Mitteilungen. Beiheft 58). Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 3-515-08262-X.
  • Bismarck. Realpolitik und Revolution (= Focus-Edition). Hugendubel, Kreuzlingen u. a. 2006, ISBN 3-7205-2865-0.
  • Der Zweite Weltkrieg. Die Zerstörung Europas (= Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert. Bd. 10). be.bra Verlag, Berlin 2008, ISBN 3-89809-410-3.
  • Der Untergang einer Republik. Weimar und der Aufstieg des Nationalsozialismus (1918–1933). minifanal, Bonn 2020.
  • Kaiserdämmerung. Berlin, London, Paris, St. Petersburg und der Weg in den Untergang. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2021, ISBN 3-608-98318-X.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dissertation: Die gescheiterte Allianz : Österreich-Ungarn, England und das Deutsche Reich in der Ära Andrassy : 1867 bis 1878/79.
  2. Habilitationsschrift: Rudolf Heß – „Botengang eines Toren?“ Der Flug nach Großbritannien vom 10. Mai 1941.
  3. Otto Langels: Historiker Rainer F. Schmidt zeichnet „Kaiserdämmerung“ nach, Rezension im Deutschlandfunk, erschienen und abgerufen am 19. September 2021
  4. Gerd Krumeich: Raymond Poincaré heißt der große Bösewicht. Rainer Schmidt unternimmt eine Darstellung der internationalen Beziehungen zwischen 1890 und 1919 und formuliert dabei manche kernige These. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Oktober 2021, Nr. 252, S. 10.
  5. Rezension auf Perlentaucher
  6. Rezension auf H-Soz-Kult, 27. September 2021.
  7. Hartwin Spenkuch: Rainer F. Schmidt: Kaiserdämmerung. sehepunkte.de 22 (2022), Nr. 3.