Rameaus Neffe (Tankred Dorst)

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Rameaus Neffe ist ein Dialog von Diderot, den Tankred Dorst übersetzt und für die Bühne bearbeitet hat. Der Einakter wurde am 28. September 1963 unter der Regie von Rolf Lansky an den Städtischen Bühnen Nürnberg-Fürth uraufgeführt.[1] Tankred Dorst hat den satirischen Text mit philosophischem Einschlag teilweise umgestellt und gekürzt.

Zeit und Ort

Diderot trifft den mittelmäßigen Musiker Rameau im Jahr 1762 inmitten der Schachspieler um Légal und Philidor im Pariser Café de la Régence. Der Dialogpartner des Philosophen ist – genauer gesagt – der Neffe des berühmten Jean-Philippe Rameau.

Inhalt

Rameau erzählt, nachdem er sich von seinem Vater, einem Herrn Apotheker aus der Provinz, verabschiedet hatte, habe er bei seinem renommierten Onkel in Paris das Handwerk eines Musikers erlernt. Der erfolgsverwöhnte Onkel habe ihn, den „miserablen Saitenzupfer“, schließlich verjagt. Der Vertriebene prophezeit, den Onkel werde man zehn Jahre noch den großen Rameau nennen und sodann alsbald vergessen.

Selten hat Rameau einen Louisdor in der Tasche. Er nennt sich einen Schmarotzer, der von den Reichen lebt. Den sicher geglaubten Platz an der Tafel des begüterten Bertin habe er sich durch vorlaute Reden – in der fatalen Annahme, er sei „ein wesentlicher Mann“ und könne einen „Sack voll Frechheiten“ aufmachen – verscherzt. Rameau hatte einen Gast des Hauses, den Abbé Trublet[2] – Redakteur des Literaturblattes L'Année littéraire[3] –, bei Tisch brüskiert und so den Unmut des Hausherrn Bertin provoziert. Da hatte ihm auch die Hausherrin Mademoiselle Hus nicht mehr helfen können. Rameau nennt sie eine „kleine ausgepfiffene Schauspielerin“. Als er noch der Narr Bertins gewesen war, musste er, sobald ein neues Theaterstück in Paris erwähnt wurde, den betreffenden Poeten in seiner Dachkammer flugs aufstöbern und sich um eine passende Rolle für die Hausherrin bemühen.

Rameau – nun das „Original in der Gosse“ – kann Menschen beobachten. Diderot muss zugeben, er verachtet das Gegenüber wirklich, findet es aber unterhaltsam. Rameau weiß, er ist ein Ignorant, Dummkopf, Vielfraß, Schlitzohr und Strolch – ein Verrückter. Trotzdem kommen die Gesprächspartner gelegentlich auf einen Nenner. Zum Beispiel, wenn es um ihre Kinder geht. Diderot hat eine achtjährige Tochter. Es hört sich so an, als möchte Rameau der Musiklehrer des kleinen Mädchens werden. Diderot winkt ab. Seine Gattin kümmere sich um die gemeinsame Tochter.

Rameau hatte auch eine Frau. Die ist ihm zwar davongelaufen, doch der Sohn ist ihm geblieben. Der Vater ist verrückt nach dem Kleinen. Der Junge soll einmal kein Musiker werden.

Zum Thema Frauen äußern beide Herren feste Vorstellungen. Rameau will sich mit Mädchen betrinken, sie duzen und dann gleich zu Perversitäten übergehen. Diderot – bescheidener – wäre bereits glücklich nach dem Brüste Anfassen und dem Registrieren der Gier im Blick der betroffenen schönen Frau. Rameau genügt solches Glück bei weitem nicht, weil er kein „idealistischer Schwärmer“ sein möchte. Diderot hasst das Laster und will das Wesen der Tugend erkunden. Geeignete Lektüre dazu sei bei Bruyère und Molière auffindbar.

Rameau hat gewisse Ansprüche. Diderot stellt darauf seinen anspruchslosen, leider längst verblichenen Kollegen Diogenes als Vorbild hin. Rameau hält dagegen, der Grieche hätte Schönheiten besessen – Lais und Phryne. Jedenfalls lässt sich Rameau von dem einigermaßen betuchten Herrn Philosophen Diderot nicht umkrempeln. Einige Jahre möchte der schlechte Musikus schon noch das Unglück genießen.

Zitate

  • „Wer leidet, macht andre leiden.“[4]
  • „Besser ists, große Sachen zu schreiben, als kleine tun.“[5]
  • „Die Natur stellt jeden an seinen Platz.“[6]
  • „Die Welt bringt im Original noch viel mehr hervor, als die Kunst nachahmen kann.“[7]

Hörspiel

  • 1971 ORF, Bearbeiter: Tankred Dorst[8]

Siehe auch

Literatur

  • Denis Diderot, Tankred Dorst: Rameaus Neffe. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1963. Collection Theater Texte 16. 90 Seiten

Verwendete Ausgabe

Sekundärliteratur

Einzelnachweise

Teilweise in französischer Sprache

  1. Günther Erken bei Arnold, S. 89, linke Spalte, vorletzter Eintrag
  2. frz. Trublet
  3. frz. L'Année littéraire
  4. Verwendete Ausgabe, S. 241, 4. Z.v.u.
  5. Verwendete Ausgabe, S. 245, 20. Z.v.o.
  6. Verwendete Ausgabe, S. 261, 21. Z.v.o.
  7. Verwendete Ausgabe, S. 262, 1. Z.v.o.
  8. Rameaus Neffe in der HörDat