Ratsherr
Ein Ratsherr (im mittelalterlichen Deutschland auch Ratmann) bzw. Ratsherrin oder Ratsfrau ist Abgeordneter in der Stadtvertretung einer Kommune (also in Deutschland meist im Stadtrat bzw. Gemeinderat).
Ein geschlechtsneutraler Ausdruck ist Ratsmitglied. Darunter fällt in Niedersachsen jedoch auch der Bürgermeister, da er kraft Amtes dem Rat angehört, ohne jedoch Ratsherr im obigen Sinne zu sein. Der Ratsherr ist in der Regel Mitglied einer Partei oder Wählergruppe; nur selten werden Ratsherren als Einzelbewerber gewählt. In der Ratsarbeit dient der Ratsherr in meist mehreren Ratsausschüssen, die dem gesamten Rat Entscheidungsvorlagen vorbereiten.
In Deutschland werden Ratsmitglieder in der Regel alle fünf Jahre gewählt. Die Ratstätigkeit ist ein Ehrenamt. Nur über erweiterte Aufgaben bzw. einen erweiterten Verantwortungsbereich ist es möglich, das Ratsmandat als Vollzeitberufspolitiker auszuüben, ohne sonstige Erwerbsarbeit: als Fraktionsvorsitzender oder als hauptamtlicher Bürgermeister.
Geschichte
Mittelalter
Das Amt des Ratsherren entstand mit der Ausbildung von Ratsverfassungen in den deutschen Städten ab etwa 1200. Dieser Vorgang setzte etwa ein Jahrhundert später als in den oberitalienischen Städten ein, wo die consules zu Trägern einer „kommunalen, die standesherrliche Organisation unterlaufende Verbandsgewalt wurden“.[1]
Übergang zur beginnenden Neuzeit
Gemeinsam ist den Ratsgremien, dass ihre Vertreter von Männern der Oberschicht aus grundbesitzenden, später auch kaufmännisch tätigen Familien gestellt wurden. An ihrer Spitze standen seit dem 14. Jahrhundert ein oder mehrere Bürgermeister. Zu den Befugnissen des Rates gehörten Steuerangelegenheiten, Münzwesen, die Vertretung nach außen. Wie die Ratsherren ausgewählt wurden, ob und wie der Rat sich erneuerte (meist nach dem Selbstergänzungsrecht), in welcher Abhängigkeit er vom Landesherrn stand (tendenziell abnehmend), welchen Umfang er hatte (oft 12 oder ein Vielfaches davon), ob ihm auch Handwerksmeister angehörten (im Spätmittelalter oft nicht mehr), ob die Ratsmitgliedschaft lebenslang bestehen blieb (oft), ob die Ministerialen Zugang zum Amt hatten (in der Frühzeit eher), ob es einen Turnus von aktiven und ruhenden Ratsämtern gab, all das war von Stadt zu Stadt unterschiedlich geregelt und immer wieder Veränderungen unterworfen. Nachdem gegen Ende des Mittelalters mit der Verdrängung der Handwerker auch die genossenschaftlichen Elemente aus den Ratsverfassungen verschwanden,[2] nahm in der Neuzeit der Anteil an akademisch gebildeten Juristen in den oligarchischer werdenden Ratskollegien zu.[3]
Neuzeit und Moderne
Vielfach überlebten diese Strukturen das Ende des Mittelalters und bestanden fort bis zu den konstitutionellen Umbrüchen im 19. Jahrhundert. Damals (in Bremen: zwischen 1810 und 1822) wurden in den Hansestädten die Begriffe „Rat“ und „Ratsherr“ von „Senat“ und „Senator“ abgelöst. Der Übergang vom Selbstergänzungsprinzip zur Bestallung von Ratsherren durch mehr oder weniger demokratisch gewählte Gremien entwickelte sich nicht immer kontinuierlich und nicht überall in gleicher Weise. Der deutlichste Unterschied zu modernen Ratsverfassungen besteht im Fehlen der Gewaltenteilung: Ratsherren waren zugleich auch Gerichtsherren, wobei die Blutgerichtsbarkeit häufig der Landesherrschaft vorbehalten blieb.
Siehe auch
Literatur
- Paul-Joachim Heinig: „Rat“. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. VII, München 1995, Sp. 451–453.
- Klaus Militzer: Ratsverfassungen und soziale Schichtungen. In: Hanse. Städte. Bünde, Magdeburg 1996, Bd. 1, S. 152–160 (zu den norddeutschen Städten).
- Horst Rabe: Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte. In: Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte IV, 1966 (zu süddeutschen Verhältnissen).