Raubkopie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Raubkopie, Schwarzkopie oder illegale Kopie wird eine urheberrechtswidrig vertriebene Kopie bezeichnet. Der Begriff wurde zunächst für Kopien von Schallplatte auf Kompaktkassette verwendet und erlangte mit dem Aufkommen von Computern größere Verbreitung, insbesondere für auf digitalen Datenträgern hergestellte digitale Medien wie Software, Musik, Bilder, Filme oder E-Books.

Rechtliches

Rechtslage in Deutschland

Im deutschen Urheberrechtsgesetz werden die Begriffe Raubkopie und Schwarzkopie nicht verwendet, stattdessen wird beschrieben, welche Rechte und Pflichten Urheber bei der Verwertung und Nutzer bei der Nutzung geschützter Werke haben. „Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch“ von Werken, sogenannte Privatkopien, sind nach § 53 des Urheberrechtsgesetzes (Novelle vom 10. September 2003) unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dabei darf jedoch keine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Quelle verwendet werden (§ 53 Abs. 1 UrhG),[1] so dass zum Beispiel Privatkopien aus Tauschbörsen nicht zulässig sind. Soweit der Berechtigte wegen eines effektiven Kopierschutzes keine Privatkopie fertigen kann, hat der Rechtsinhaber die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um von der entsprechenden Bestimmung Gebrauch machen zu können (§ 95b Abs. 1 Nr. 6 UrhG). Einem BGH-Urteil von 1978 zufolge liegt bei Audiomedien die Grenze bei sieben Privatkopien.[2] Die anzahlsmäßig achte Kopie ist demnach bereits eine illegale Kopie.

Ein Verstoß gegen das Urheberrecht stellt ein Vergehen im Sinne des Strafgesetzbuches dar und ist daher strafbar. Werden illegale Kopien von einer Person rein für deren privaten Gebrauch angefertigt, ist ein Urheberrechtsverstoß jedoch oft straffrei, weil die Tat nur auf Antrag verfolgt wird (§ 109 UrhG). Wirtschaftlich bedeutsamer als die Strafe sind jedoch die Rechtsfolgen wie Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz (§ 97 UrhG). Nimmt der Rechtsinhaber dabei eine anwaltliche Dienstleistung in Anspruch, kann er für die entsprechende Abmahnung zusätzlich Kostenersatz fordern. Ist der Abgemahnte eine Privatperson, beschränkt sich diese Forderung jedoch beim ersten Mal auf 155 Euro (Gebühr für 1000 Euro Gegenstandswert, § 97a Abs. 3 UrhG). In Österreich existiert diese Deckelung nicht (Stand: 2013).[3]

Rechtslage in der Schweiz

Die Regierung plant, Hosting-Provider in die Pflicht zu nehmen. Wer privat Filme oder Musik ohne Erlaubnis des Rechteinhabers herunterlädt, soll dagegen weiterhin nicht belangt werden können.[4]

Statistik

Die wirtschaftlichen Auswirkungen illegaler Kopien sind allgemein umstritten. Branchenberichten stehen verschiedene Studien mit zum Teil sehr gegensätzlichen Aussagen und Schlussfolgerungen gegenüber.

Allgemein

Der Industrieverband Business Software Alliance (BSA) veröffentlicht einmal im Jahr die sogenannte Piracy Study, die die Verbreitung von illegalen Softwarekopien bestimmen soll und in den Medien oftmals zitiert wird.[5] Auch die Film- und Musikindustrie (Contentindustrie) publiziert regelmäßig Berichte zu den durch Filesharing entstandenen Verlusten.

Nicht nur die Höhe der errechneten Schäden, auch die Berechnungsgrundlagen werden von diversen Kritikern allgemein angezweifelt und für überzogen gehalten. Aus einem Bericht der US-Regierung ging 2010 hervor, dass die behaupteten Verluste durch Filesharing stark übertrieben seien.[6] Der US-amerikanische Rechnungshof verneinte zwar nicht erhebliche Auswirkungen negativer Natur, wies jedoch zugleich darauf hin, dass sich Schäden durch Piraterie nur schwer bemessen ließen. Das Government Accountability Office (GAO) zweifelte daher einige Erhebungen der Recording Industry Association of America (RIAA) an und empfahl den zuständigen Regierungsstellen, diese Zahlen nicht zu übernehmen.[7]

Dass die Errechnung eines Verlusts durch fehlende Verkäufe einem Ratespiel gleicht, wird auch beim Berechnungsverfahren der Piracy Study bemängelt.[8] Dabei wird der „durchschnittliche Softwarebedarf“ eines PCs festgelegt und auf alle PCs hochgerechnet. Die Differenz zwischen der verkauften Software und dem angenommenen Bedarf eines PCs müssten, so die Studie der BSA, Schwarzkopien sein. Kritiker führen an, dass hier freie und ältere Software nicht berücksichtigt werde. Wenn also ein Nutzer nicht jedes Jahr seinen gesamten Software-Bestand aktualisiert oder aber kostenlose Software verwendet, gehe dies in die Statistik als Nutzung illegaler Kopien ein (zum Vergleich: Im Jahr 2010 liefen rund 60 % aller weltweiten Webserver mit freier Software[9]). Zudem werde bei der Schadensberechnung angenommen, dass jeder Nutzer, der eine Schwarzkopie erstellt, auch bereit gewesen wäre, das Geld für ein Original auszugeben, was (insbesondere bei teurer Software) unrealistisch erscheint.

Datei:Home taping is killing music.jpg
Werbung gegen privates Kopieren von Musik auf Musikkassetten auf der Innenhülle einer 1983 in Großbritannien hergestellten Schallplatte im Zuge der Aktion Home Taping Is Killing Music

Kritisiert wird weiter, dass der „Softwarebedarf“ von wenigen Ländern auf 80 Länder hochgerechnet wird. Dabei könne nicht davon ausgegangen werden, dass der „Softwarebedarf“ in jedem Land in gleicher Höhe zu erwarten sei. 2004 wurde ein Schaden von 32,7 Milliarden US-Dollar angenommen. 2007 soll der Schaden auf 48 Milliarden US-Dollar angewachsen sein.[10]

Eine grundlegende Kritik an der Hochrechnung der Schäden durch Raubkopien richtet sich gegen die Verwendung der gleichen Zählmethode wie bei materiellen Gütern. Dabei wird der Verkaufspreis mit der geschätzten Anzahl der illegalen Kopien multipliziert. Folglich wird als Schaden der entzogene Urheberrechtsgewinn gewertet, der sich als Produkt aus unverändertem Verkaufspreis (ohne Berücksichtigung erwartbarer Skaleneffekte) und angenommener verkaufter Stückzahl (bei postuliertem Wegfall von Schwarzkopien) ergibt.[6] Dabei ist jedoch fraglich, ob für das Original stets bezahlt worden wäre, wenn die Möglichkeit zur Kopie nicht bestanden hätte (Sammleraspekt).

Andere Studien ergaben, dass zumindest der Volkswirtschaft durch entsprechende Downloads ein doppelt so hoher wirtschaftlicher Mehrwert erwächst, wie z. B. dem Musikbereich jährlich verlorengeht.[11][12] Eine Untersuchung der deutschen Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) kam zu dem Ergebnis, dass Nutzer des inzwischen geschlossenen illegalen Filmportals Kino.to mehr Geld für Kino und DVDs ausgaben als der Durchschnittsnutzer.[13] Ebenfalls kam eine 2011 erstellte US-Studie zu dem Schluss, dass „Filesharer mehr Musik kaufen als Nicht-Filesharer“.[14] Sogar eigene Studien der Contentindustrie zeigten zum Teil vergleichbare Effekte, so dass auch bei illegalen Angeboten eine Promotionwirkung anzunehmen ist.[15] Branchenvertreter führten die Ergebnisse jedoch darauf zurück, dass diese Personenkreise generell ein größeres Interesse an Medienerzeugnissen hätten.[16]

Eine Untersuchung über den Effekt von zeitnahen Veröffentlichungen von Kinofilmen bei BitTorrent kam zu dem Schluss, dass diese in den USA keine Auswirkung auf das

(Umsatz beim Kartenverkauf) hat. Lediglich in Ländern, wo der Kinofilm erst Monate später in die Kinos kam, konnte ein Umsatzrückgang von 7 % nachgewiesen werden.[17] Laut einer EU-Studie aus dem Jahre 2013 habe Online-Piraterie „keine negativen Auswirkungen auf den digitalen Absatz von Musik“. Signifikante Folgen für den Verkauf von physischen Tonträgern wurden dabei allerdings nicht berücksichtigt.[18] 2014 kam eine unabhängige[19] Studie[20] zu dem Ergebnis, dass Piraterie Hollywood nutzt bzw. "die Kopiererei Hollywoods Umsätze sogar steigert".[21][22]

Deutschland

In Deutschland veröffentlicht der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) in Kooperation mit der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) seit 2011 alljährlich die Studie zur Digitalen Content-Nutzung (DCN-Studie) zum Kauf-, Download- und Kopierverhalten der Bevölkerung. Zwischen 2001 und 2010 fanden jedes Jahr vergleichbare Erhebungen unter dem Titel Brennerstudie statt. In einer zehn Jahre umspannenden Zusammenfassung (2001–2011) wurde die Anzahl der illegalen Musikkopien mit etwa 7 Milliarden Musiktiteln angegeben (bei einem Spitzenwert von circa 900 Millionen Titeln im Jahre 2010). Der zugleich rückläufige Absatz von physischen Tonträgern habe in diesem Zeitraum zudem zu einer annähernden Halbierung der Umsätze geführt, womit auch die Zahl der Beschäftigten in der Branche um etwa ein Drittel gesunken sei. Allein der digitale Vertrieb wird als Wachstumsmarkt bezeichnet, der die Verluste im vergleichsweise immer noch wesentlich umsatzstärkeren Tonträgerbereich bislang jedoch nicht kompensiere.[23]

Eine Metastudie vom Medienboard Berlin-Brandenburg zu den Auswirkungen digitaler Piraterie auf die regionale Medienwirtschaft errechnete im Juni 2012 jährliche Umsatzschäden in zweistelliger Millionenhöhe. Der ansässigen Musikwirtschaft gingen demnach etwa 26 Millionen Euro verloren, der Filmwirtschaft rund 22 Millionen Euro.[24] Deutschlandweit führe dies laut der Studie zu einem Schaden von insgesamt mehr als 680 Millionen Euro, wobei 524 Millionen Euro auf die Musikwirtschaft und 156 Millionen Euro auf die Filmwirtschaft entfielen.[25] Wissenschaftler der Universität Hamburg und der Bauhaus-Universität Weimar hatten im Jahr 2007 die Verluste der Filmwirtschaft auf circa 193 Millionen Euro beziffert.[26]

Eine mit wissenschaftlichen Methoden (Hypothesenmodell, Z-Transformation) arbeitende Analyse, welche die statistischen Zahlen des Bundesverbandes Musikindustrie für den Zeitraum von 2003 bis 2009 miteinander verglich und auswertete, kam zu dem Ergebnis, dass es „in den Daten der Musikindustrie keinen statistisch relevanten Zusammenhang zwischen illegalen Downloads und CD-Verkäufen“ gäbe.[27][28]

Siehe auch

Literatur

  • Artur Wandtke, Winfried Bullinger: Praxiskommentar zum Urheberrecht. 2. Aufl. C. H. Beck, 2006, ISBN 978-3-406-53423-2.
  • Marcus von Welser, Alexander González: Marken- und Produktpiraterie, Strategien und Lösungsansätze zu ihrer Bekämpfung. Wiley-VCH, 2007, ISBN 3-527-50239-4.
  • Jan Hachenberger: Intellektuelles Eigentum im Zeitalter von Digitalisierung und Internet. Eine ökonomische Analyse von Missbrauchskalkülen und Schutzstrategien. DUV Verlag, 2003, ISBN 3-8244-7765-3.
  • Hans Joachim Fuchs: Piraten, Fälscher und Kopierer, Strategien und Instrumente zum Schutz geistigen Eigentums in der Volksrepublik China. 2006, Gabler Verlag, 2003, ISBN 978-3-8349-0159-0.
  • Jan Krömer, Evrim Sen: No Copy – Die Welt der digitalen Raubkopie. Tropen Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-932170-82-2 (Digitalisat (PDF-Datei; 1,05 MB)).
  • Dirk von Gehlen: Mashup – Lob der Kopie, Suhrkamp, 2011, ISBN 978-3-518-12621-9.

Weblinks

Wiktionary: Raubkopie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Gerald Himmelein, Joerg Heidrich: Die Grenzen des Erlaubten. Ratgeber: Privatkopien, Tauschbörsen, Abmahnungen. In: c’t 5/2006. Heise Zeitschriften Verlag, 20. Februar 2006, S. 110–119, abgerufen am 6. Mai 2013 (Online-Leseprobe; Kostenpflichtiger Download des Zeitschriftenartikels; u. a. zu Privatkopien nach UrhG).
  2. Gerald Himmelein, Joerg Heidrich: Privatkopien: Recht und Unrecht. (PDF) Ein Stück Gegenpropaganda. In: Folien zum Vortrag auf der CeBIT 2006. Gerald Himmelein, c’t, 10. März 2006, S. 3, archiviert vom Original am 31. August 2006; abgerufen am 6. Mai 2013 (ca. 180 kB; auf einer Übersichtsseite (Memento vom 20. Juni 2006 im Internet Archive) finden sich weiterführende Informationen, etwa die Folien vom Vortrag vom 12. März 2006 (Memento vom 31. August 2006 im Internet Archive) (PDF; 179 kB) oder die Referenz zur Titelgeschichte in c’t 5/2006).
  3. Dr. Franz Schmidbauer: Konsument oder Urheberrechtsverbrecher? In: Internet & Recht. 18. Februar 2009, abgerufen am 9. Mai 2013 (der Artikel wurde für das Konsumentenpolitische Jahrbuch 2007–2008 des BMSK verfasst).
  4. Illegale Downloads sollen weiterhin straffrei sein. In: Tages-Anzeiger vom 22. November 2017, abgerufen am 22. November 2017.
  5. BSA: Global Piracy Study.
  6. a b zeit.de Verluste durch Filesharing stark übertrieben, 15. April 2010
  7. heise.de US-Rechnungshof: Schaden durch Piraterie lässt sich schwer bemessen
  8. vgl. Krömer/Sen, S. 226 ff., no-copy.org
  9. http://news.netcraft.com/archives/2010/06/16/june-2010-web-server-survey.html Marktanteile Server-Software, 2010
  10. heise.de Software-Verband: "Software-Piraterie" weltweit auf Vormarsch
  11. ivir.nl (Memento vom 15. August 2011 im Internet Archive) (PDF; 1,00 MB)
  12. sueddeutsche.de Profitieren vom Klau
  13. zeit.de Studie über Kino.to-Nutzer bleibt unter Verschluss
  14. heise.de Studie: Filesharer kaufen mehr Musik als Nicht-Filesharer, 16. Oktober 2012
  15. heise.de Piraten sind die besten Kunden – auch im Musikgeschäft
  16. heise.de Nutzer von kino.to gehen überdurchschnittlich oft ins Kino
  17. Danaher, Brett and Waldfogel, Joel, Reel Piracy: The Effect of Online Film Piracy on International Box Office Sales 16. Januar 2012. doi:10.2139/ssrn.1986299
  18. heise.de EU-Studie: Online-Piraterie schadet dem digitalen Musikabsatz nicht, 18. März 2013
  19. Der Mitautor „In eigener Sache...“
  20. Piracy and Movie Revenues: Evidence from Megaupload: A Tale of the Long Tail?
  21. heise.de Piraterie nutzt Hollywood - Filesharing verursache riesige Einnahmeverluste, klagt die Filmindustrie gern. In Wahrheit steigert die Kopiererei Hollywoods Umsätze sogar., 28. März 2014
  22. heise.de Wie Piraterie Hollywood hilft - Filesharing verursache riesige Einnahmeverluste, klagt die Filmindustrie gern. In Wahrheit steigert die Kopiererei Hollywoods Umsätze sogar. Die Branche sollte neue Technologie endlich als Chance begreifen., 11. August 2014
  23. BVMI Studie zur Digitalen Content-Nutzung, Eine Bilanz aus 10 Jahren Brennerstudie
  24. Medienboard Metastudie zu Auswirkungen digitaler Piraterie auf die regionale Medienwirtschaft (Memento vom 16. Juli 2013 im Internet Archive)
  25. onlinewelten.comStudie beziffert ökonomischen Schaden durch Raubkopien auf über 680 Millionen Euro im Jahr
  26. spiegel.de Raubkopien kosten Filmwirtschaft 193 Millionen Euro
  27. reaktanz.de SIGINT 2010: musikindustrie widerlegt sich selbst
  28. students.uni-marburg.de »die gescheiterte revolution« - chancen, risiken & nebenwirkungen freier musikkultur (Memento vom 13. Mai 2014 im Internet Archive), PDF, Seiten 3–6