Rolf Nesch

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Rolf Nesch, ca. 1925

Rolf Nesch eigentlich: Emil Rudolf Nesch (* 7. Januar 1893 in Oberesslingen am Neckar; † 27. Oktober 1975 in Oslo) war ein deutsch-norwegischer Maler und Grafiker.

Elbbrücke I, 1932 (335 × 595 mm)

Leben

Nach einer Lehre als Dekorationsmaler und dem Besuch der Kgl. Kunstgewerbeschule in Stuttgart (1909–1912) kam er 1912 nach Dresden und arbeitete als Malergeselle. Hier wurde er in die Akademie aufgenommen. Im Krieg musste er sein Studium unterbrechen, er kam in englische Gefangenschaft.

1919 nahm er das Studium in Dresden bei Oskar Kokoschka wieder auf und erhielt ein Meister-Atelier. Rolf Nesch war Mitglied der Künstlergruppe Die Schaffenden. 1924 besuchte er Ernst Ludwig Kirchner in Davos. Kirchner hatte einen großen stilistischen und technischen Einfluss auf Rolf Nesch.

Bedeutung

Durch Zufall entdeckte Rolf Nesch 1925 die Lichteffekte, die bei Durchätzung einer Radierplatte im Druck entstanden und nutzte dies fortan bewusst als künstlerisches Verfahren. Ein Jahr später radierte er den Werkzyklus der Hamburger Brücken. Die Platten hatte er dazu zum Teil in einzelne Schablonen zersägt – ein Verfahren, zu dem ihn Edvard Munchs Holzschnitte inspiriert haben. Und er kombinierte Hoch- und Tiefdruckverfahren, indem er mit Drähten und Gittern experimentierte, die er auf die Druckplatten aufschweißte. Damit hatte er zusätzlich die Technik des Metalldrucks erfunden.

1929 ließ sich Rolf Nesch in Hamburg nieder und wurde Mitglied der Hamburgischen Sezession. Die Bilder aus dieser Zeit vernichtete er später.

Als Max Sauerlandt, damals Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg, ihm 1931 den Senatsauftrag vermittelte, Karl Muck und sein Orchester zu porträtieren, schuf er nach zahlreichen Vorarbeiten eine Reihe vom Radierungen, in denen er diese Durchätzungen einsetzte.

1937 wurden in der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ eine große Anzahl von Arbeiten Neschs aus dem Kupferstichkabinett Berlin, dem Schlesischen Museum der Bildenden Künste Breslau, der Gemäldegalerie Dresden, dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, der Kunsthalle Hamburg, der Hansische Hochschule für Bildende Künste Hamburg, dem Museum Behnhaus Lübeck, der Württembergischen Staatsgalerie Stuttgart und dem Stadtmuseum Ulm beschlagnahmt. Die meisten wurde danach zerstört.[1]

Im Hamburger Warburg-Haus sind 325 Schriftstücke des Gedankenaustausches zwischen ihm und der Familie des Arts in den Jahren von 1922 bis 1973 archiviert.

Materialbilder

1933, im selben Jahr als sich die Hamburgische Sezession aus Protest gegen den Druck der Nazis gegen jüdisch-stämmige Sezessionskünstler selbst auflöste, ging Nesch in die Emigration nach Norwegen. Dort erweiterte er die von ihm erfundene Technik. Er reicherte die Bilder mit Strandgut, Glasstücken, Korken und anderen Produkten in Richtung von Materialbildern an. Rolf Nesch hat versucht, Haptik und Optik des Materials und die Gestaltung zu einer Einheit zu verschmelzen.

1936 entstand ein Kontakt zum ebenfalls nach Norwegen emigrierten Dada-Künstler Kurt Schwitters.

Während der Besetzung Norwegens durch Nazi-Deutschland sollte Nesch 1943 zum Wehrdienst eingezogen werden. Durch einen selbstverschuldeten Straßenbahnunfall, bei dem er sich schwerste Verletzungen zuzog, entging er dem Zugriff durch die Wehrmacht. Als Folge des Unfalls traten Lähmungen und epileptische Anfälle auf, die niemals ausheilten. Einige Zeit konnte er nicht arbeiten.

1946 erhielt Nesch die norwegische Staatsbürgerschaft. 1950 heiratete er die norwegische Schauspielerin Ragnhild Hald. Es folgte eine Reise nach New York.

Rolf Nesch wird in die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts als Neuerer grafischer Techniken eingehen. In diesem Medium gelangen ihm revolutionäre Weiterentwicklungen, die völlig neue künstlerische Ausdrucksformen ermöglichten. In Norwegen gilt er als einer der bedeutendsten Künstler des Landes.

Rolf Nesch war Mitglied im Deutschen Künstlerbund[2]. Er nahm an der documenta 1 (1955), der documenta II (1959), und auch der documenta III im Jahr 1964 in Kassel teil.

Bedeutende Werke

  • Landungsbrücken (Leinwand, 1933, Hamburg, Sammlung Holthusen)
  • Elbchaussee (Leinwand, 1931, Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Köln)
  • S. Marco (Kupferplatten mit Metallstücken, 1961, Stuttgart, Belser-Haus)
  • Hl. Sebastian (Kupferplatten mit farbigem Glas und Marmor, 1941–1943, Stuttgart, Galerie der Stadt)
  • Lofotenfischer ziehen Netze (Zinkplatten mit aufgelöteten Zinkstreifen, teilweise mit Messing unterlegt, 1936–1937, Staatsgalerie Stuttgart)
  • Karl Muck und sein Orchester (Radierungszyklus – Metalldruck, Grafiksammlung der Hamburger Sparkasse, Hamburg)
  • Hamburger Brücken (Radierungszyklus – Metalldruck, Grafiksammlung der Hamburger Sparkasse, Hamburg)

Ehrungen

Rolf-Nesch-Museum

Die größte permanente Ausstellung von Werken Neschs.

1951 zieht Rolf Nesch zum Bauernhof Ragnhildrud in Ål (Norwegen) und wohnt die darauffolgenden 20 Jahre dort. Das Nesch-Museum im Ål Kulturhus (Norwegen) wurde 1993 eröffnet.

Die Sammlung im Museum umfasst Grafik, Skulptur, Gemälde und Material-Arbeiten und zeigt eine repräsentative Auswahl des künstlerischen Lebenswerkes von Rolf Nesch, von 1961 bis zu seinem Tod.

Literatur

  • Helliesen, Sidsel und Sörensen, Bodil: The Complete Graphic Works, Milano/Oslo 2009
  • Eivind Otto Hjelle: Rolf Nesch. Oslo 1998
  • Eivind Otto Hjell: Nesch, Rolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 68 f. (Digitalisat).
  • Heinrich Kohlhaussen, Rolf Nesch, in: Der Kreis – Zeitschrift für künstlerische Kultur, Hamburg 1930, Jg. 7, Heft 11
  • Max Sauerlandt, Muck, in: ebd., Jg. 8, Heft 6
  • Ehrenmitglied Professor Rolf Nesch verstorben. In: Akademie-Mitteilungen 7 / Staatliche Akademie der bildenden Künste Stuttgart / Für die Zeit vom 1. April 1975 bis 31. Mai 1976. Hrsg. Wolfgang Kermer. - Stuttgart: Staatliche Akademie der bildenden Künste Stuttgart, August 1976, S. 100
  • Sidsel Helliesen, Med Rolf Nesch pa teaterturné til Finnmark, Oslo 1976
  • Maike Bruhns: Rolf Nesch in Hamburg, Graphik, Gemälde, Plastik, Hamburg 1993
  • Maike Bruhns: Rolf Nesch – Zeugnisse eines ungewöhnlichen Künstlerlebens in turbulenter Zeit, Merlin Verlag, Gifkendorf 1993, ISBN 978-3-926112-37-8
  • Hermann-Josef Bunte, Rolf Nesch. Frühe Graphik und Hamburger Brücken, Galerie in der Haspa, Hamburg 1998
  • Rolf Nesch (1893–1975), Musik- und Theatergrafik, Galerie in der Haspa, Hamburg 2000

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Stale Session. Abgerufen am 2. Juli 2022.
  2. Ordentliche Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes. In: kuenstlerbund.de. Archiviert vom Original am 10. November 2013; abgerufen am 9. April 2019.