Sabinchen war ein Frauenzimmer

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Erste Seite des ältesten Textdrucks (1849)

Die Ballade „Sabinchen war ein Frauenzimmer“ ist ein deutsches Volkslied. Sie stellt eine zersungene, das heißt abgeänderte Parodie auf eine Moritat dar, wie sie früher die Bänkelsänger auf Jahrmärkten oder Kirchweihfesten vortrugen. Dabei zeigten die Sänger mit einem Stock auf die zugehörigen Bilder, die nach Art eines Comics auf einer großen Tafel präsentiert wurden.

Inhalt

Das Lied,[1] das in verschiedenen Versionen existiert, erzählt die Geschichte einer Dienstmagd, die „gar hold und tugendhaft“ ist, bis sie sich mit einem jungen Schuster einlässt, der „aus Treuenbrietzen“ kommt. „Sein Geld hat er schon lang versoffen“, deswegen fordert er welches von ihr. Da sie keines besitzt, stiehlt „er“ (in manchen Versionen „sie“) „von ihrer guten Dienstherrschaft“ „silberne Blechlöffel“. Als der Diebstahl entdeckt wird, „da jagte man mit Schimpf und Schande Sabinchen aus dem Haus.“ Die Beschimpfungen durch Sabinchen beendet der Schuster, indem er ihr kurzerhand mit seinem Rasiermesser „den Schlund“ – gemeint ist die Kehle – durchschneidet. Er wird verhaftet und gesteht „bei Wasser und bei Brot“ die Untat. Wie es typisch für Moritaten ist, endet auch diese mit einer moralischen Belehrung des Zuhörers:

„Trau keinem Schuster nicht!
Der Krug, der geht so lange zum Brunnen,
bis dass der Henkel abbricht.“

Hintergrund

Das Original ist eine Ballade, die erstmals 1849 in der Liedersammlung Musenklänge aus Deutschlands Leierkasten erschien. Anders als die heute verbreiteten Versionen spricht die ursprüngliche nicht von „Sabinchen“, sondern von „Sabine“, und beginnt auch anders, nämlich mit einer ermahnenden Einleitungsstrophe. Darin wird der Diebstahl als solcher verurteilt und nicht der Beruf des Schusters in Misskredit gebracht:

„Der Diebstahl, der bringt große Schmerzen,
Und nie kein Segen nicht.“

Die Moral der letzten Strophe lautet hier:

„Drum soll man keine Kehl abschneiden,
Es thut kein Gut ja nicht.
Der Krug, der geht so lang zu Wasser,
Bis ihm sein Henkel bricht.“[2]

Da Text und Melodie bis heute recht bekannt sind, wurde und wird das Lied seinerseits gerne als Vorlage für Parodien verwendet oder politisch umgewidmet. So entstand etwa 1980 im Zuge der Anti-Atomkraft-Bewegung eine Fassung der Biermösl Blosn, bei der Sabinchen den falschen Sicherheitsversprechungen eines Ingenieurs im Kernkraftwerk Gundremmingen zum Opfer fällt.[3]

Text

Erstdruck 1849

Mundorgel 1984

Höchst schauderhafte Begebenheit,
welche vorigtes Jahr
am dreißigsten Februar ist begangen worden.
Nebst Beschreibung von der Verlaufung der ganzen Sach.

Ihr Leute merkt und nehmt zu Herzen
Die traurige Geschicht;
Der Diebstahl, der bringt große Schmerzen,
Und nie kein Segen nicht.

Sabine war ein Frauenzimmer,
Sie war auch tugendhaft;
Deßhalben war zufrieden immer
Mit ihr auch die Herrschaft.

Da kam einstmals von Treuenbrietzen
Ein junger Mensch daher
Und sprach: Ich möchte sie besitzen.
Es war ein Schuhmacher.

Sie hat sich nicht sehr lang bedenket
Und sprach: es mag so sein!
Sie hat zu leicht Vertrau’n geschenket
Des Schusters falschem Schein.

Er kommt allnächtlich zu Sabinen
Und seufzt: Ich steck’ in Noth;
Gerührt von seinen bittern Mienen
Gibt sie ihm, was sie hat.

Da thut er es sogleich verschwenden
In Schnaps und auch in Bier;
Und thut sich nochmals an sie wenden,
Will wieder Geld von ihr.

Sie kann nicht mehr kein Geld sich leihen;
Drum geht sie auf der Stell
Und muß der Herrschaft veruntreuen
Zwei silberne Löffel.

Als aber sind zwei Tag vergangen,
Da kommt der Diebstahl raus;
Die Herrschaft jug mit Schimpf und Schanden
Sabinen aus dem Haus.

Sie klagt’s in ihren Gewissensbissen,
Ihr ist das Herz so schwer;
Doch will jetzt nichts mehr von ihr wissen
Der Treuenbrietzenehr.

Sie seufzt: Du böser Pflichtvergessner,
Du rabenschwarze Seel!
Da nimmt er schnell ein Transchirmesser
Und schneidt ihr ab die Kehl.

Das Herzblut thut sogleich rausspritzen,
Sie sinket um und um.
Der falsche Schuster von Treuenbrietzen
Der steht um sie herum.

Sie thut auch gleich die Glieder strecken,
Nebst einem Todesschrei;
Den bösen Wicht thun jetzt einstecken
Zwei Mann von der Polzei.

In Ketten und in Eisenbanden,
Bei Wasser und bei Brot,
Hat er reumüthig eingestanden
Die schwarze Frevelthat.

Am Galgen wurd’ der Treuenbrietzner
Gehängt durch einen Strick;
Dazu hat ihn gebracht die Untreu
Und auch die falsche Tück.

Drum soll man keine Kehl abschneiden,
Es thut kein Gut ja nicht.
Der Krug, der geht so lang zu Wasser,
Bis ihm sein Henkel bricht.[4]











Sabinchen war ein Frauenzimmer,
gar hold und tugendhaft.
Sie lebte treu und redlich immer
bei ihrer Dienstherrschaft.

Da kam aus Treuenbrietzen
ein junger Mann daher,
der wollte gern Sabinchen besitzen
und war ein Schuhmacher.











Sein Geld hat er versoffen
in Schnaps und auch in Bier.
Da kam er zu Sabinchen geloffen
und wollte welches von ihr.

Sie konnte ihm keins geben,
da stahl er auf der Stell
von ihrer guten Dienstherrschaft
sechs silberne Blechlöffel.

Jedoch nach achtzehn Wochen,
da kam der Diebstahl ’raus.
Da jagte man mit Schimpf und Schande
Sabinchen aus dem Haus.






Sie rief: „Verruchter Schuster,
du rabenschwarzer Hund!“
Da nahm er sein Rasiermesser
und schnitt ihr ab den Schlund.

Das Blut zum Himmel spritzte,
Sabinchen fiel gleich um.
Der böse Schuster aus Treuenbrietzen,
der stand um ihr herum.






In einem dunklen Keller,
bei Wasser und bei Brot,
da hat er endlich eingestanden
die grausige Moritot.






Moral von der Geschichte:
Trau keinem Schuster nicht!
Der Krug, der geht so lange zum Wasser,
bis daß der Henkel bricht.

Literatur

  • Walter Hansen: Das große Buch der deutschen Volkspoesie. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1989, ISBN 3-7857-0516-6.

Weblinks

Commons: Sabinchen war ein Frauenzimmer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sabinchen war ein Frauenzimmer (Text und Noten). Alojado Lieder-Archiv, abgerufen am 8. Mai 2014.
  2. Sabinchen war ein Frauenzimmer. Edition A: Erstdruck des Textes 1849. In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
  3. Video mit Text.
  4. Musenklänge aus Deutschlands Leierkasten. Mit feinen Holzschnitten. Leipzig o. J. (1849), S. 96–102.