Sandwichtheorie
Die lineare Sandwichtheorie beschreibt das Verhalten eines aus drei Schichten bestehenden Balkens unter Belastung. Es handelt sich um eine Erweiterung der statischen Balkentheorie erster Ordnung.
Von Bedeutung ist die lineare Sandwichtheorie für die Auslegung und den Nachweis von Sandwichplatten, wie sie im Hoch-, Fahrzeug- und Flugzeugbau und sehr häufig in der Kältetechnik verwendet werden.
Die Bezeichnung stammt von dem ebenfalls aus mehreren Schichten bestehenden Imbiss namens Sandwich.
Voraussetzungen
- Sandwichquerschnitte sind Verbundquerschnitte. Sie bestehen aus einem mäßig schubsteifen Kern, der mit zwei außenliegenden dehnsteifen Deckschichten schub- und zugfest verbunden ist.
- Die Deckschichten können jeweils biegesteif sein.
- Die Schichten genügen jede für sich der Anforderung an die Ebenheit des Querschnittes, der Gesamtquerschnitt jedoch nicht.
Grundzüge
Balken mit Sandwichquerschnitten verhalten sich unter Lasteinwirkung anders als Balken mit gleichmäßig elastischem Querschnitt:
- Neben den elastischen Verformungen der gegeneinander verspannten und gegebenenfalls profilierten Deckschichten tritt die Schubdurchsenkung, die der mäßig schubsteife Kern verursacht.
- Wenn eine oder zwei Deckschichten profiliert sind, sind die Teilschnittgrössen unbestimmt.
- Temperaturdifferenzen zwischen den Deckschichten bleiben aufgrund der thermischen Trennung durch das Kernmaterial bestehen. Sie führen durch die unterschiedliche Längsdehnung der Deckschichten zu einer Krümmung des Sandwichbalkens in Richtung der wärmeren Deckschicht. Soweit diese Verformung durch Zwischenauflager oder die Biegesteifigkeit der Deckschichten behindert wird, kommt es zur Zwängung.
Unter der Annahme, dass die Teilquerschnitte jeder für sich der bernoullischen Hypothese genügen, kann das Gleichgewicht am verformten Sandwichbalkenelement formuliert werden, um daraus die Biegegleichung des Sandwichdurchlaufträgers abzuleiten.
Die Schnittgrößen und die korrespondierenden Verformungen des Balkens und des Querschnittes können Abbildung 1 entnommen werden. Nach der Elastizitätstheorie ergeben sich die Zusammenhänge:[1][2]
mit folgenden Bezeichnungen:
Durchsenkung des Durchlaufträgers | ||
Schubwinkel des Kerns | ||
Verdrehung der Deckschichten bezogen auf das Lot der Biegelinie | ||
Verdrehung der geraden Verbindung der Deckschichtschwerpunkte | ||
Sandwich- oder Steineranteil des Biegemomentes | ||
Sandwich- oder Steineranteil der Biegesteifigkeit | ||
Biegemoment der Deckschicht(en) | ||
Biegesteifigkeit der Deckschicht(en) | ||
Sandwichanteil der Querkraft, also Querkraft im Kern | ||
Querkraftanteil der Deckschichten | ||
Schubsteifigkeit des Kernes | ||
Das Fehlen des Index zeigt die Summe von Sandwich- und Deckschichtanteil als Größe des gesamten Querschnittes an. | ||
durch Temperaturgefälle bedingte Krümmung | ||
Temperaturausdehnungskoeffizient der Deckschichten |
Durch Umformen können die Differentialgleichungen für den Sandwichdurchlaufträger ermittelt werden:
In der Literatur ist ebenfalls die entmischte Darstellung gebräuchlich:
Lösungsansätze
Der Sandwichdurchlaufträger ist im Allgemeinen durch die Überzahl der Gleichgewichtsbedingungen statisch unbestimmt.
Dazu kommt – bei biegesteifen Deckschichten – die innere Unbestimmtheit hinsichtlich der Verteilung der Schnittgrößen auf Normalkräfte und Biegung in den Deckschichten.
Analytische Lösungen
Durch Ausnutzung der Rand- und Übergangsbedingungen können die Differentialgleichungen für jeden einzelnen Fall analytisch gelöst werden. Derartige Lösungen werden z. B. in DIN EN 14509:2006[3] mitgeteilt (Tabelle E10.1); sie können ohne weiteres für die Berechnung einfacher Systeme verwendet werden (Zweifeldträger unter Gleichlast etc.). Darüber hinaus können Lösungen durch die Anwendung der Energiemethode (Kraftweggrößenverfahren) ermittelt werden.
Numerische Verfahren
Die Differentialgleichungen der Sandwichdurchlaufträger können mit numerischen Verfahren gelöst werden. Das geschieht
- durch Differenzenrechnung oder
- nach der Methode der finiten Elemente (FEM).
Für die Differenzenrechnung teilt Berner[4] einen zweistufigen Ansatz mit:
- Lösung der Differenzengleichung für die Normalkräfte in den Deckblechen für einen Einfeldträger unter beliebiger Belastung
- danach wird das Verfahren der Kraftweggrößen eingesetzt, um den Ansatz auf die Berechnung von Mehrfeldträgern auszuweiten.
Mit dem Programm swe1 wird das Differenzenverfahren für Mehrfeldträger mit gleichmäßig elastischem Querschnitt um die Anteile der Schubdurchsenkung und der Verformung aus Temperaturdifferenzen der Deckschalen erweitert. Dabei wird der Umstand ausgenutzt, dass die Partialdurchsenkungen des Sandwichdurchlaufträgers mit biegeweichen Deckschichten superponiert werden können. Das Verfahren ist dementsprechend auf diese Teilmenge der Sandwichquerschnitte beschränkt.
Für die Berechnung der Verformungen und Schnittgrößen der Sandwichdurchlaufträger können FEM-Programme verwendet werden, unter der Bedingung, dass sie mit Volumenelementen umgehen können.
Ein speziellerer Ansatz wird von Schwarze[2] mitgeteilt:
Durch Einsetzen von Gleichung (1) in Gleichung (2) unter Anwendung des Zusammenhanges
kann folgende Gleichung angeschrieben werden:
unter Verwendung der Abkürzungen:
Schwarze gibt die allgemeine Lösung für den homogenen Teil der Gleichung (3) an. Zudem entwickelt er unter Ausnutzung der Gleichgewichtsbedingungen einen Polynomansatz zur Bestimmung des Partikularintegrals für .
Mit der Forderung
wird durch Überlagerung der Anteile eine Funktion für mitgeteilt, die neben den vier Integrationskonstanten die Randmomente und als Faktoren aufweist.
Durch dreifaches Ableiten und durch Ausnutzung des Zusammenhanges nach Gleichung (3) lassen sich ebenfalls aus den vorgenannten sechs Faktoren gebildete Funktionen für , , , und angeben. Für die Berechnung eines Sandwichdurchlaufträgers kann dieser in Bereiche eingeteilt werden, in denen die unbekannten Funktionen und ihre Ableitungen stetig sind.
Der vorgenannte Ansatz ist im Programmsystem swe2 erweitert worden. Die Implementierung steht quelloffen zur Verfügung.
Praktische Bedeutung
Die nach der linearen Sandwichtheorie vorhergesagten Ergebnisse stimmen mit experimentell ermittelten Ergebnissen hinreichend überein.
Die lineare Sandwichtheorie ist die Grundlage für den Standsicherheitsnachweis bei der Errichtung von ausgedehnten mit Sandwichpaneelen bekleideten und eingedeckten Industrie- und Gewerbebauten. Ihre Anwendung wird in den bauaufsichtlich erteilten Zulassungen und in der entsprechenden Fachnorm[3] ausdrücklich gefordert. Sie repräsentiert den Stand der Technik.
Literatur
- Klaus Berner, Oliver Raabe: Bemessung von Sandwichbauteilen. IFBS-Schrift 5.08, IFBS e.V., Düsseldorf 2006.
- Ralf Möller, Hans Pöter, Knut Schwarze: Planen und Bauen mit Trapezprofilen und Sandwichelementen. Band 1, Ernst & Sohn, Berlin 2004, ISBN 3-433-01595-3
- Karl-Eugen Kurrer: Geschichte der Baustatik. Auf der Suche nach dem Gleichgewicht, Ernst und Sohn, Berlin 2016, S. 627–632, ISBN 978-3-433-03134-6.
Weblinks
- http://www.swe1.com/ Programm zur Ermittlung der Schnittgrössen und Spannungen von Sandwich-Wandplatten mit biegeweichen Deckschichten (Open Source)
- http://www.swe2.com/ Berechnung von Sandwich-Durchlaufträgern (Open Source)
Einzelnachweise
- ↑ K. Stamm, H. Witte: Sandwichkonstruktionen - Berechnung, Fertigung, Ausführung. Springer-Verlag, Wien - New York 1974.
- ↑ a b Knut Schwarze: „Numerische Methoden zur Berechnung von Sandwichelementen“. In Stahlbau. 12/1984, ISSN 0038-9145.
- ↑ a b DIN EN 14509 (D): Selbsttragende Sandwich-Elemente mit beidseitigen Metalldeckschichten. Februar 2007.
- ↑ Klaus Berner: Erarbeitung vollständiger Bemessungsgrundlagen im Rahmen bautechnischer Zulassungen für Sandwichbauteile. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2000 (Teil 1).