Satz von Herbrand
Der Satz von Herbrand ist ein Satz der mathematischen Logik, der 1930 vom französischen Logiker Jacques Herbrand publiziert wurde. Er macht eine Aussage darüber, wann eine prädikatenlogische Formel ohne Gleichheit allgemeingültig oder erfüllbar ist und erlaubt eine Reduktion auf Allgemeingültigkeit oder Erfüllbarkeit in der Aussagenlogik.
Der Satz besagt:
- Sei eine geschlossene prädikatenlogische Formel ohne Gleichheit.
- Dann gibt es eine (aus berechenbare) quantorenfreie Formel , sodass gilt: ist eine Tautologie genau dann, wenn es variablenfreie Substitutionsinstanzen von gibt, sodass
- eine aussagenlogische Tautologie ist.
Beweisskizze
Sei eine geschlossene prädikatenlogische Formel gegeben. Diese wird zunächst in eine äquivalente pränexe Normalform umgewandelt. In dieser Formel werden nun, ähnlich zur Skolemisierung, alle Allquantoren eliminiert, indem die gebundene Variable durch einen Term ersetzt wird, der aus einem neuen Funktionszeichen und als Argumenten den gebundenen Variablen aller weiter außen stehenden Existenzquantoren besteht. Wenn beispielsweise die Formel die Form
( quantorenfrei) hat, wird sie umgewandelt in
Es lässt sich zeigen, dass genau dann eine Tautologie ist, wenn eine Tautologie ist. Sei nun . Offensichtlich ist, wenn eine Disjunktion von Substitutionsinstanzen von eine Tautologie ist, auch eine Tautologie. Die nicht-triviale Richtung besteht nun darin, zu zeigen, dass aus der Allgemeingültigkeit von schon die Existenz einer allgemeingültigen Disjunktion von Instanzen von folgt. Angenommen, keine Disjunktion von variablenfreien Instanzen von ist eine Tautologie. Dann ist die Menge
konsistent und wird erfüllt durch eine Herbrand-Struktur , deren Elemente genau die Terme in der Sprache von sind. ist ein Modell von . Damit ist und ebenso keine Tautologie.
Es sind auch andere Beweise bekannt. So lässt sich der Satz beweistheoretisch durch die Vollständigkeit des schnittfreien Sequenzenkalküls zeigen, indem aus einer schnittfreien Herleitung die Einführungen der Quantoren beseitigt werden, sodass man die Herleitung einer Sequenz aus quantorenfreien Instanzen erhält.
Korollare
- Eine geschlossene Formel ist genau dann erfüllbar, wenn sie ein Herbrand-Modell besitzt.[1]
- Eine Klauselmenge ist genau dann unerfüllbar, wenn es eine unerfüllbare endliche Menge von Grundinstanzen von Klauseln aus gibt.
- Eine Formel in Skolemform ist genau dann unerfüllbar, wenn es eine unerfüllbare endliche Konjunktion von Substitutionsinstanzen gibt.
Anwendung des Satzes von Herbrand
Der Satz bildet die Grundlage eines Semi-Entscheidungsverfahrens für die Unerfüllbarkeit von prädikatenlogischen Formeln. Gesucht ist eine (einfache) Teilklasse von Strukturen/Modellen, so dass eine Formel genau dann unerfüllbar (bzw. erfüllbar) wird, wenn sie kein (bzw. ein) Modell in dieser Teilklasse hat.
Will man von einer beliebigen prädikatenlogischen Formel F die Unerfüllbarkeit nachweisen, bringt man diese zuerst mittels gebundener Umbenennung in eine bereinigte Form. Anschließend bildet man den Existenzabschluss, um die freien Variablen zu entfernen und so eine geschlossene Formel zu erhalten. Die Quantoren werden nach links umgestellt, sodass man eine Pränex-Normalform erhält. Anschließend werden die Existenzquantoren entfernt, um eine Skolemform zu erhalten. Die Formel F', die man nach diesen Umformungsschritten erhält, ist nicht mehr äquivalent, aber erfüllbarkeitsäquivalent zur Ausgangsformel F. Diese recht schwache Eigenschaft genügt, um Unerfüllbarkeit von F nachzuweisen.
Nun bildet man zur Formel F' ein Herbrand-Universum, eine Herbrand-Struktur und darauf aufbauend eine Herbrand-Expansion. Jedes Element der Expansion lässt sich mittels einer aussagenlogischen Formel identifizieren. Dazu weist man jedem Prädikat eine aussagenlogische Variable zu. Die Belegungsfunktion bel weist einer aussagenlogischen Variable genau dann 1 zu, wenn auch das Prädikat den Wahrheitswert 1 hat. Die aussagenlogische Formel ist somit genau dann erfüllbar, wenn auch die prädikatenlogische Formel F' erfüllbar ist.
Mit dem Algorithmus von Gilmore kann man anschließend die Unerfüllbarkeit von F' und somit auch F zeigen.
Siehe auch
Literatur
- Peter G. Hinman: Fundamentals of Mathematical Logic. A K Peters, 2005.
- Joseph R. Shoenfield: Mathematical Logic. Addison-Wesley, 1967.
- Jacques Herbrand: Recherches sur la theorie de la demonstration. In: Travaux de la Societe des Sciences et des Lettres de Varsovie, Class III, Sciences Mathematiques et Physiques. Nr. 33, 1930.
Einzelnachweise
- ↑ Gerhard Goos, Wolf Zimmermann: Vorlesungen über Informatik: Band 1: Grundlagen Und Funktionales Programmieren. ISBN 3540244050. S. 203.