Schaffitzel Möbelwerk
Die Schaffitzel Möbelwerk GmbH & Co. war ein Küchenmöbelhersteller mit Sitz in Sulzdorf (Schwäbisch Hall). Das Unternehmen entstand aus einem Sägewerk und bestand von 1910 bis 1990. Die zwei Schwesterunternehmen, die Schaffitzel Holzindustrie GmbH & Co. KG mit Fokus auf Holzbautechnik und die Hohenloher Spezial Möbelwerk Schaffitzel GmbH & Co. KG, bestehen heute noch.
Geschichte
Anfänge
Wilhelm und Gottlob Schaffitzel erwarben 1910 in Sulzdorf bei Schwäbisch Hall eine kleine Sägerei, die sie unter der Firma W. & F. Schaffitzel OHG, Werk Sulzdorf gemeinsam führten. Die Familie Schaffitzel ist ein alteingesessenes württembergisches Geschlecht, das schon 1384 urkundlich dokumentiert wurde.[1] Die beiden Sägewerksbesitzer waren Söhne des Schmiedes Johann Philipp Schaffitzel aus Weikersheim, der seit 1888 in Obersontheim auch ein Sägewerk betrieb, das jedoch an dessen ältesten Sohn Friedrich überging.[2]
Während des Ersten Weltkriegs kam das Sägewerk in Sulzdorf fast zum Erliegen, denn beide Brüder wurden zum Wehrdienst eingezogen. Das kleine Sägewerk wurde durch den Bau eines Kessel- und Maschinenhauses und weitere Anbauten zu einem Zwei-Gatter-Dampfsäge- und Hobelwerk sowie zu einer Kistenfabrik ausgebaut.[1]
Trennung der Brüder
Bis 1928 führten die Brüder das Sägewerk in Sulzdorf gemeinsam, dann trennten sie sich gütlich. Wilhelm Schaffitzel übernahm die Schulmöbelfabrik Kottmann AG in Öhringen und führte sie als Hohenloher Schulmöbelwerk Schaffitzel weiter. Dieses Werk besteht noch heute unter der Firma Hohenloher Spezial Möbelwerk Schaffitzel GmbH & Co. KG in Öhringen.[1]
Das Sägewerk in Sulzbach führte Gottlob nun allein als Einzelfirma. Nach Ende der Weltwirtschaftskrise modernisierte er das Sägewerk grundlegend: 1936 wurde die Fabrikhalle abgerissen und durch eine 20 auf 50 Meter vollunterkellerte Sägehalle ersetzt. Die Sägemaschinen wurden erneuert, zwei Kammern zum Trocknen des Holzes und eine Absaugeinrichtung für die Holzspäne wurden erstellt.
Das bearbeitete Qualitätsholz aus dem schwäbischen Wald ging vor allem ins Ruhrgebiet. In Weinheim an der Bergstraße richtete er ein Zwischenlager ein, aus dem die Auslieferung des Holzes erfolgte.[2]
Zweiter Weltkrieg
1941 wandelte Gottlob das Unternehmen in eine Kommanditgesellschaft und beteiligte seine drei Söhne Walter, Helmut und Kurt Schaffitzel. Im Zweiten Weltkrieg kam das Unternehmen wieder fast zum Erliegen, denn alle Söhne und ein großer Teil der Belegschaft wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Vater Gottlob übernahm in dieser Zeit trotz eines schweren Herzleidens selbst die Geschäftsführung.
Nachkriegszeit
Die drei Söhne kehrten nach dem Krieg unversehrt in ihre Heimat zurück. Ihre Fachkenntnisse als Holztechniker, Bauingenieur und Holzkaufmann ermöglichten eine bedeutende Ausweitung des Geschäftsumfanges des Werkes. Mit einem gut geschulten Stammpersonal, bestehend aus erfahrenen Facharbeiten und Meistern, wurde aus dem Unternehmen die Gottlob Schaffitzel KG Holzindustrie. Unter dem Begriff „Holzindustrie“ verbarg sich ein breitgefächertes Angebot bestehend aus Kistenfabrik, Holzhandlung, Holzbau- und Treppenbau, Bauschreinerei- und Möbelwerkstätte. Mitte der 1950er Jahre konzentrierte sich das Unternehmen auf zwei Geschäftsfelder, die Herstellung von Holzleimbalken und von Einbauküchen.[2]
Holzleimbautechnik
Helmut Schaffitzel, der Bauwesen und Architektur studiert hatte, leitete ab 1965 im Unternehmen die Holzbauabteilung, die sich bald der moderneren Holzleimbautechnik zuwandte. Dafür unternahm er Studienreisen unter anderem in die USA und nach Kanada. Im Jahr 1970 wurde eine voll automatische Fertigungsstraße zur Herstellung von verleimten Holzbauteilen in Betrieb genommen werden. Jetzt konnten Holzbauteile von nahezu unbegrenzten Dimensionen hergestellt werden.[2] Brettschichtverleimte Bauteile haben ein leichteres Eigengewicht und ermöglichen eine elegantere Formgebung und haben ein günstigeres Brandverhalten. Sie werden vor allem beim Hallen - und Brückenbau eingesetzt. Kurt Schaffitzel kümmerte sich ab 1965 um diese Abteilung.[2]
Küchenproduktion
Aus der handwerklich betriebenen Schreinerei wurde eine Produktionsstätte für moderne Küchen. 1955 wurde mit der Serienproduktion von Einbauküchen begonnen, zuvor waren diese einzeln hergestellt worden.
Die ursprünglich mit Polyester überzogenen Küchenoberflächen wurden durch Schichtstoffplatten, bekannt als Resopal, ersetzt. Der Bügelgriff wurde durch Griffleisten ersetzt. Statt der weißen Küche gab es neue Farben und Dekors. Auf Grund gestiegener Ansprüche an den Wohnungsbau und moderne Haushaltsgeräte wurde die Küche jetzt als eine Einheit geplant. Mit dem Entwurf der ersten Einbauküche für den Serienbau beauftragte das Unternehmen die Stuttgarter Architektin Gruner-Langhorst. Aus deren Namen wurde die erste Programm Bezeichnung abgeleitet: Das neue Produkt wurde erstmals 1956 auf der Hausrat- und Eisenwarenmesse in Köln als „GRULA-Küche“ vorgestellt.[2]
Die Einbauküche, die fachgerecht geplant gebaut und montiert werden musste, wurde sehr bald zu einem Bestandteil jeder Wohnung. Als weitere Marke wurde deshalb „Installino“ verwandt. Schon 1963 wurden die Produktionsflächen in Sulzbach verdoppelt. Der Vertrieb erfolgte zunächst über den Sanitärfachhandel.[2]
Als dieser Vertriebsweg nicht mehr so erfolgreich war, entschloss sich Schaffitzel, die Verbraucher auch direkt zu bedienen. 1969 wurden Verkaufsbüros in Stuttgart und Nürnberg eröffnet. Es folgten sehr schnell Filialen in Heilbronn, Darmstadt, Schwenningen, Hanau, Leonberg, Tuttlingen, Ulm und Göppingen.[2]
Aufspaltung von Küchenproduktion und Holzbautechnik
1969 wurde die Herstellung von Einbauküchen von Helmut Schaffitzel in eine neue Gesellschaft, die Schaffitzel Möbelwerk KG, überführt. Kurt Schaffitzel führte die Holzleimbautechnik in der bestehenden Gottlob Schaffitzel KG weiter. Das Unternehmen besteht heute noch als Schaffitzel Holzindustrie GmbH & Co. KG in Schwäbisch Hall-Sulzdorf.[2]
Niedergang
Am 1. Juli 1983 starb Helmut Schaffitzel. Als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellten die Familiengesellschafter Roland Eckert. Er hatte ehrgeizige Ziele und beabsichtigte, den Umsatz von 23 Mio. DM auf 125 Mio. DM zu steigern und die Belegschaft von 150 auf 240 Arbeitnehmer aufzubauen.[3]
Unter dem Namen „Schwabenküche“ wurden eigene Küchenstudios eröffnet und Lizenzen an Franchisenehmer vergeben. Eigene Verkaufsstudios waren in Sulzdorf, Griesheim, Villingen-Schwenningen, Neu-Ulm, Bayreuth und Ettlingen. Verkaufsstudios von Franchisenehmern befanden sich in Ludwigsburg, Stuttgart-Vaihingen, Frankfurt, Nürnberg und Heilbronn. Durch zahlungsunfähige Franchisenehmer musste Schaffitzel in den Jahren 1997 und 1998 rund 4,5 Million DM an Forderungen ausbuchen. Die gesteckten Ziele wurden weit verfehlt. 1997 wurde lediglich ein Umsatz von 21,5 Mio. DM erzielt und ein Verlust von 8,1 Mio. DM ausgewiesen.[3]
Ein außergerichtlicher Sanierungsversuch blieb erfolglos. Der Geschäftsführer Roland Eckert sollte durch Walter Bruhns abgelöst werden. Die Unternehmensberatung Dr. Lipfert, Stuttgart, sollte ein Sanierungskonzept erarbeiten und umsetzen. Die Kündigung von Arbeitnehmern führte Ende des Jahres 1997 zu einer mangelhaften Lieferbereitschaft und dem Ausfall von Kundenzahlungen. Roland Eckert trat als Geschäftsführer zurück. Walter Bruhns war jedoch unter den gegebenen Umständen nicht bereit, das Amt als Geschäftsführer anzutreten.[3]
Konkurs
Als die Kreditversicherer Mitte Januar 1998 den Versicherungsschutz für Lieferungen an das Unternehmen nicht mehr gewährleisteten und die Gesellschafter nicht mehr in der Lage waren, dem Unternehmen weitere Liquidität zuzuführen, stellte die Schaffitzel Möbelwerk GmbH und Co. KG am 27. Januar 1998 beim Amtsgericht Schwäbisch Hall den Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses. Der Stuttgarter Rechtsanwalt Volker Grub wurde als vorläufiger Vergleichsverwalter bestellt. Auch er kam zu dem Ergebnis, dass das Unternehmen ohne Zuführung von Kapital nicht sanierungsfähig sei. Es fanden sich jedoch keine Interessenten für eine Übernahme des Betriebs.[4][5]
Am 1. April 1998 eröffnete das Amtsgericht Schwäbisch Hall das Konkursverfahren; Grub wurde auch zum Konkursverwalter bestellt. Er legte den Betrieb bis zum 31. Juli 1998 still. Das Konkursverfahren wurde 2004 mangels Masse eingestellt. Die Konkursforderungen in Höhe von 13,2 Mio. € wurden nicht bedient.[6]
Literatur
- Roland Biser: Schaffitzel Möbelwerk KG und Gottlob Schaffitzel KG. In: Theiss, Stuttgart 1976, ISBN 3-8062-0143-9, S. 416–417.
- Kurz gefasste Betriebschronik des Werkes der Gottlob Schaffitzel KG, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Y 517
- Julius Keil: Gottlob Schaffitzel KG Holzindustrie, Sulzdorf. In: Die Westdeutsche Wirtschaft und ihre führenden Männer, Teil IV, Land Baden-Württemberg, 1966
Einzelnachweise
- ↑ a b c Kurt Schaffitzel: Das Dampfsäge- und Hobelwerk der Firma Schaffitzel, in fast 100 Jahren vom kleinen Sägewerk zur heutigen Holzindustrie, Festschrift 2010, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Y 517
- ↑ a b c d e f g h i Roland Biser: Schaffitzel Möbelwerk KG und Gottlob Schaffitzel KG. In: Der Kreis Schwäbisch Hall. Theiss, Stuttgart 1976, ISBN 3-8062-0143-9, S. 416–417.
- ↑ a b c Volker Grub: Bericht des Konkursverwalters im Konkursverfahren über das Vermögen der Firma Schaffitzel Möbelwerk GmbH & Co. in Schwäbisch Hall-Sulzdorf vom 15. Juni 1998, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Y 517
- ↑ „unbedingt am Markt bleiben“, Schwabenküche/Sulzdorfer Möbel Werk Schaffitzel stellt Vergleichsantrag, Haller Tagblatt vom 28. Januar 1998
- ↑ Schwabenküche im Vergleich, INSIDE vom 13. Februar 1998
- ↑ Volker Grub: Schlussbericht im Konkursverfahren über das Vermögen der Firma Schaffitzel Möbelwerk GmbH & Co. in Schwäbisch Hall Sulzdorf vom 26. Mai 2004, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Y 517