Schauplatz Eisenbahn

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Schauplatz Eisenbahn
Daten
Ort Chemnitz-Hilbersdorf Welt-IconKoordinaten: 50° 51′ 39,6″ N, 12° 57′ 11,7″ O
Art
Eisenbahnmuseum
Eröffnung 2020
Betreiber
Website

Der Schauplatz Eisenbahn in Chemnitz-Hilbersdorf ist ein Eisenbahnmuseum in Sachsen. Es befindet sich auf dem Areal des früheren Rangierbahnhofs Chemnitz-Hilbersdorf. Mit einer Gesamtfläche von 260.000 m² und einem wertvollen Bestand an historischen Fahrzeugen ist es das größte und eines der bedeutendsten Eisenbahnmuseen in Deutschland.

Geschichte

Am Ende der 1920er Jahre stieß der Rangierbahnhof Chemnitz-Hilbersdorf an seine kapazitiven Grenzen. Eine räumliche Erweiterung der Gesamtanlage war nicht möglich. Aus diesem Grund wurde, basierend auf dem Vorbild des Rangierbahnhofs Dresden Friedrichstadt eine technische Lösung in Form der sogenannten Seilablaufanlage gefunden. Die aufzulösenden Wagenverbände wurden nun nicht mehr mit Rangierlokomotiven abgedrückt, sondern wurden an Seilwagen über ein Gefälle von 1:180 herabgelassen. Während dieses Prozesses konnte auf dem Ablaufberg bereits der nächste Zug bereitgestellt und vorbereitet werden. Die Seilwagen wurden dann, in zusammengelegtem Zustand unter dem Wagenverband hindurchgefahren und am Ende des Zuges wieder aufgestellt. Mittels dieser Seilwagentechnologie konnte eine Produktionssteigerung von ca. 35 % erreicht werden – zu Spitzenzeiten wurden in Hilbersdorf 3.600 Wagen am Tag behandelt.[1]

Nach 1990 setzte ein zwischenzeitlicher, wirtschaftlicher Niedergang in der Region ein. Die Nachfrage nach Industrieprodukten aus Chemnitz brach ab. Dadurch sank der Transportbedarf im Güterverkehr schlagartig. Zugleich wurde der verbliebene Güterverkehr – politisch gewollt – von der Schiene auf die Straße verlagert. Die Mangelwirtschaft der DDR hatte sich negativ auf den technischen Zustand der Seilablaufanlage ausgewirkt. Aufgrund der schlechten Erhaltung und der sinkenden Leistungszahlen wurde 1992 zuerst die Seilablaufanlage und 1996 auch der gesamte Rangierbetrieb in Hilbersdorf eingestellt. Die technischen Ausstattung wurde in den folgenden Jahren durch die Deutsche Bahn AG zurückgebaut, und das Areal verwahrloste zusehends.

Schon zu Beginn der 1990er Jahren hatte sich im früheren Bahnbetriebswerk der Sächsische Eisenbahnmuseum e.V. angesiedelt. Der Verein bemüht sich nicht nur um den Erhalt zahlreicher wertvoller historischer Schienenfahrzeuge, er nahm auch die verbliebenen Gebäude und Anlagen in seine Pflege. Für die vorbildliche Sanierung des Maschinenhauses und des dazugehörigen Stellwerkes 2 erhielt der auf dem benachbarten Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs agierende Eisenbahnfreunde Richard Hartmann Chemnitz e.V. 2014 vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz die Silberne Halbkugel. Seit 2020 erzählen mehrere Ausstellungen die Geschichte der Eisenbahn in Sachsen, von ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und den technischen Aspekten.

Ausstellung und Gebäude

Historischer Güterschuppen

Der 1916 errichtete Güterschuppen beherbergt das Besucherzentrum des Schauplatz Eisenbahn. Bis zur Errichtung dieses Gebäudes während des Ersten Weltkrieges konnten Versandgüter nur im Chemnitzer Hauptbahnhof aufgegeben werden. Auch die Anwohner von Hilbersdorf und Ebersdorf hatten keine Möglichkeit ihre Waren auf kurzem Weg zu versenden und zu empfangen. Der im Güterschuppen tätige Bodenmeister nahm die zum Versand bestimmten Güter und Waren entgegen, wog und begutachtete diese, legte den Versandtarif fest und kassierte diesen sofort. Nun wurden die Versandgüter entweder direkt in den Güterwagen auf der anderen Seite des Schuppens verladen, oder im Güterschuppen kurzzeitig zwischengelagert. Da die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen verpflichtet waren, alle transportfähigen Güter anzunehmen, wurden neben Kartons und Kisten auch Säcke, Eimer, Körbe usw. aufgegeben. Heute dient der Güterschuppen als Besucherzentrum. Zugleich befindet sich hier eine Auftaktausstellung zur Geschichte der Eisenbahnen in Sachsen. Folgende Ausstellungsthemen werden hier dargestellt:

  • „Von der Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie zur Deutschen Bahn AG“ – 180 Jahre Eisenbahngeschichte in Sachsen
  • „Sächsische Superlative“ – Pionierleistungen auf dem Gebiet der Eisenbahn in Sachsen
  • „Die Sächsische Maschinenfabrik, vormals Richard Hartmann – ein Weltunternehmen aus Chemnitz“ – über die einzige sächsische Lokomotivfabrik
  • „Auf schmaler Spur“ – über die Geschichte und Besonderheiten der sächsischen Schmalspurbahnstrecken
  • etwa 20-minütige Videodokumentation aus den 1960er Jahren zu den Rangierabläufen auf dem Bahnhof Hilbersdorf

Rangierbahnhof und Seilablaufanlage

Um die stetig steigenden Transportleistungen des Rangierbahnhofs bewältigen zu können, wurde in den 1920er Jahren die Erweiterung der Bahnhofsanlagen notwendig. Da eine Räumliche Erweiterung kaum möglich war, griff der Verkehrsingenieur der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen Dr. Edmund Frohne auf eine technische Lösung zurück, die dieser kurz zuvor für den Güterbahnhof Dresden-Friedrichstadt entwickelt hatte. Dabei wurden die Wagenverbände nicht mehr durch Rangierlokomotiven bewegt, sondern durch ein Seilwagensystem. Die Seilwagen der sechs Gleise des Ablaufberges waren paarweise miteinander verbunden. Die Seilwagenpaare wurden mittels Seilzügen über motorisierte, große Seilscheiben, sogenannte Karlik-Scheiben, bewegt.

Vor einem jeden Ablauf wurden die bereitgestellten Wagen, deren Fahrtziele sowie die geladenen Güter erfasst. Diese Informationen wurden an das Befehlsstellwerk 3 weitergegeben. Hier wurden für die einzelnen Waggons die entsprechenden Fahrstraßen gelegt, damit diese zu neuen Güterzugverbänden zusammengestellt werden konnten. Zeitgleich wurden die Kupplungen zwischen den Wagen lang gemacht – d. h. die Spindelkupplungen wurden auf das äußerste auseinandergedreht –, die durchgehende Druckluftleitung wurde unterbrochen und die Bremsen durch manuelles Entlüften der Hilfsluftbehälter gelöst. Waren Wagenverband und Seilwagen miteinander verbunden, übernahm der Ablaufmeister im Stellwerk 3 die Steuerung des Wagenablaufs. Langsam (Vmax 21/2 km/h) wurde der Wagenverband am Ablaufberg herabgelassen. Die potentielle Energie der Wagen wurde während dieses Prozesses über die kinetische Energie der Seile, Seilwagen und Seilscheiben durch Generatoren in Elektroenergie umgewandelt und in das Bahnnetz eingespeist.

Kurz vor dem Befehlsstellwerk 3 befand sich der Aushängepunkt. An dieser Stelle änderten sich das Gefälle des Ablauflaufberges von 1:180 auf 1:50, wodurch die Wagen schnell Fahrt aufnahmen. Mit einem Radaufhalter und einer Kupplungsgabel wurden an dieser Stelle die Waggons von dem bestehenden Zugverband gelöst und über die weiter westlich gelegenen Richtungsgruppen und -gleise zu neuen Güterzügen zusammengestellt. Auf ihrem Weg in das richtige Gleis wurden die Wagen mittels Hemmschuh immer wieder abgebremst, bis sie ihre neue Position im neuen Zugverband erreicht hatten.

Bereits während des Prozesses der Zugauflösung konnten auf dem Ablaufberg der nächste Zug bereitgestellt und für den Ablauf vorbereitet werden. Am Aushängepunkt angekommen, wurden der Seilwagen zusammengelegt und danach unter den zum Ablauf vorbereiteten und bereitstehenden Waggons hindurchgefahren. Hinter dem Wagenverband, an der Seilwagenwärterstation angekommen, wurde der Seilwagen wieder aufgestellt und erneut an den letzten Güterwagen angekoppelt. Der Prozess des Wagenablaufs, welcher sich in Hilbersdorf täglich bis zu 90 mal wiederholte konnte von neuem beginnen. Damit die im Gleis tätigen Rangierer nicht von dem sich unter dem Zug bewegenden Seilwagen überrascht wurden, wurde dieser mit einer Glocke ausgestattet, die durch die Rollen des Seilwagen angeschlagen wurde und so während dessen Fahrt ein monotones, rhythmisches Läuten verursachte. Dieses Läuten entwickelte sich zum akustischen Merkmal des Hilbersdorfer Rangierbahnhofs und wurde als „Klang von Hilbersdorf“ bezeichnet.

Befehlsstellwerk 3

Dieses Befehlsstellwerk wurde um 1929 errichtet und 1930 in Betrieb genommen[2]. Es war das Herzstück des Rangierbahnhofs und die Steuerungszentrale der Seilablaufanlage. Mit einer Breite von ca. 50 m ist dieses Gebäude ein Wahrzeichen des Schauplatz Eisenbahn. Es ein herausragendes Denkmal der Industriekultur im Freistaat Sachsen[3]. Im Inneren des Stellwerks vom Typus Großes Reiterstellwerk hat sich die Steuerungstechnik der Seilablaufanlage sowie die elektromechanische Stellwerkstechnik im Original erhalten und kann von den Besuchern besichtigt werden. Trotz der Größe des Bauwerkes waren an diesem Ort nur wenige Mitarbeiter beschäftigt. Auf der Brücke selbst durften sich nur der Ablaufmeister (zuständig für die Steuerung der Seilablaufanlage) sowie der Fahrdienstleiter (zuständig für die Fahrstraßen und die Steuerung der Weichen) aufhalten. Aufgrund der immensen Anforderungen an die Konzentration und kognitive Leistungsfähigkeit wurde der Fahrdienstleiter bereits nach der halben Schichtzeit abgelöst.

Unter der Stellwerksebene befindet sich ein Gang. Dieser war ursprünglich offen und nur durch eine Lattung gesichert, was ihm die Bezeichnung „Affenkäfig“ einbrachte. Er führte vom Stellwerk über die Gleise des Rangierbahnhofes und über die Gleise der Sachsen-Franken-Magistrale hinweg in das Sozialgebäude der Deutschen Reichsbahn an der Ebersdorfer Straße. Heute ist der Durchgang unterbrochen und auf das Maß des Stellwerks begrenzt. Die offene Lattung wurde mit Trapezblechen verkleidet. In dem Gang erzählt eine Ausstellung von der wechselvollen Geschichte des Güterbahnhofs Chemnitz/Karl-Marx-Stadt Hilbersdorf.

Vor dem Stellwerk befinden sich drei markante Stahlgittertürme (Spanntürme). In diesen Türmen hängen Gewichte mit einer Masse von jeweils 10,5 t. Diese dienten dazu, die über Lager- und Umlenkrollen geführten Seile der Seilablaufanlage straff zu halten, damit diese nicht aus ihrer Führung geraten. Da Drahtseile auf Temperaturschwankungen und auf dauernde Zugkräfte mit Längenänderungen reagieren, müssen sie über ein Seilzugsystem unter Zugspannung gehalten werden.

Seilwagenwärterstation

An diesem Ort wurden die Lokomotiven vom Wagenverband getrennt, dieser wurde hier für den Ablauf vorbereitet und anschließend an die Seilwagen angekoppelt. Das Rangierhaltzeichen (Ra11) setzt das Signal für den Halt der Lokomotive und erst wenn über das Sh1-Signal (Schutzsignal) am Signalausleger das Fahrverbot aufgehoben wurde, darf dieser seine Fahrt fortführen. Nachdem sämtliche Vorbereitungen zum Wagenablauf – aufschreiben, langmachen, Bremse entlüften – abgeschlossen waren, meldete der Seilwagenwärter den Seilwagen per Druckluftsignal (graues Pult mit sechs Druckluftschaltern) zum Ablauf bereit. Ein Lichtsignal konnte, aufgrund des gekrümmten Geländeverlaufs und der fehlenden Sichtverbindung zwischen Seilwärterstation und Befehlsstellwerk nicht eingesetzt werden.

Stellwerk 2 mit Maschinenhaus

Wie an dessen Bauweise in den Formen der Neuen Sachlichkeit erkennbar, wurde dieses Stellwerk ebenfalls um 1929 erbaut. Es fasst zwei Funktionen in einem Gebäude zusammen: das Stellwerk für den Einfahrtsbereich von Osten zu den Ablaufgleisen und die Maschinenhalle der Seilablaufanlage.

Die Stellwerksebene ist aufgrund des steilen und engen Aufstieges für Besucher unzugänglich. Von dieser, zu drei Seiten durchfensterten Ebene geht der Blick in Richtung des Anschlussbahn von Niederwiesa (Osten), auf das Gleispaar der Sachsen-Franken-Magistrale (Norden) und auf die Gleise des Ablaufberges (Westen). Auch in diesem Gebäude hat sich die historische elektromechanische Stellwerksausstattung erhalten.

Unter dem Stellwerk befindet sich neben einzelnen Funktionsräumen, die Maschinenhalle der Seilablaufanlage. Diese Maschinenhalle ist nur im Rahmen von Führungen zugänglich, verglaste Türen bieten allerdings zu jeder Zeit den Einblick in die Maschinenhalle. Prägend sind die drei Seilscheiben der Bauart Karlik. Mit Hilfe der Siemens AG war es möglich eine dieser Seilscheiben wieder beweglich zu machen. Im Rahmen von Führungen wird die Maschine für die Gleise 3/4 vorgeführt. Angetrieben werden die Seilscheiben über ein innenliegendes Planetengetriebe durch Elektromotore von Siemens & Halske. Diese Motore fungieren zugleich als Generatoren, welche die Bewegungsenergie der Seilwagen in elektrischen Strom umwandeln. Dieser wird dann in das Bahnnetz eingespeist. Das Besondere der Karlik-Scheiben sind die, in die Scheibe eingesetzten zahlreichen Krallen („Karlik-Klemmen“), die unter dem Seildruck das Stahlseil umfassen. Auf diese Weise wird das Durchrutschen des Seils verhindert und ein Durchscheuern einzelner Stahlseelen minimiert. Diese Seilscheiben sind dadurch sehr verschleiß- und wartungsarm.

Gegenüber dem Eingang zur Maschinenhalle befindet sich eine Garage aus Fertigbetonelementen. Dieses Gebäude wurde später errichtet und bietet dem Leonhardsatz, einem Konverter und Steuerungsgerät für elektrische Anlagen, seit den frühen 2000er Jahren ein trockenen Standort. ursprünglich befand sich dieser Leonardsatz im DR-Sozialgebäude gegenüber dem Stellwerk 3 und in der Nähe des Bahnhofs Hilbersdorf.

Bahnbetriebswerk für Güterzugdampflokomotiven

Mit der Errichtung des Rangierbahnhofs in Hilbersdorf wurde auch ein Bahnbetriebswerk erbaut. Von den ursprüngliche geplanten drei Rundhäusern wurden nur die Häuser 1 und 2 erbaut. Weitere Bauten und Anlagen, die dem Bw zuzuordnen sind, sind der Ausschlackkanal, der Sandschuppen, der Kohlebansen mit dem Kohlenkran, der Kohlenhochbunker sowie verschiedene Wasserkräne. Auch die ca. 5 km oberhalb des Bahnbetriebswerkes gelegene Talsperre Euba, die 1913 zur Wasserversorgung der Chemnitzer Eisenbahnanlagen erbaut wurde, gehört zu den technischen Einrichtungen der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen am Standort Chemnitz-Hilbersdorf.

Signalgarten

Ein 250 m langer Signalgarten ist ebenso Teil des Schauplatzes. 50, teilweise historische, teilweise aktuelle Form- und Lichtsignale, sowie Signaltafeln staatlicher deutscher Eisenbahnen werden dort präsentiert.

Feldbahn

Zum Schauplatz gehört ein 1000 m langer Rundkurs einer Feldbahn mit 600 mm Spurweite (mit Fahrbetrieb). Daneben werden auch historische Feldbahnexponate präsentiert.

Hintergrund

In Vorbereitung auf die 4. Sächsische Landesausstellung sind der Sächsisches Eisenbahnmuseum e. V. und der Eisenbahnfreunde Richard Hartmann Chemnitz e. V. (Technikmuseum Seilablaufanlage) im Jahr 2018 eine Kooperation eingegangen. Nach erfolgreicher Teilnahme an der Landesausstellung 2020 haben beide Vereine ihre Zusammenarbeit fortgesetzt und in eine gGmbH überführt. Diese wurde im Sommer 2021 gegründet und übernimmt die musealen Aufgaben beider Vereine.

Derzeit ist der Schauplatz Eisenbahn saisonal von April bis Oktober, zwischen Donnerstag und Sonntag von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet.[4]

Einzelnachweise

  1. Dampfbahnmagazin, Spezial 31, 2020, SSB-Medien, SOEG, Zittau.
  2. Ein Verein und sein Museum stellen sich vor, Eisenbahnfreunde Richard Hartmann Chemnitz e.V., Chemnitz, 2015.
  3. Denkmalpflege in Sachsen, Jahrbuch 2019, Sandsteinverlag, Dresden, 2020.
  4. Schauplatz Eisenbahn. Abgerufen am 14. Februar 2022 (deutsch).