Schiffskatastrophe vor Kamarina

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Satellitenbild der Straße von Sizilien
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Römisches Kriegsschiff mit Enterbrücke (corvus). Es wird diskutiert, dass diese neuartige Waffe die Schiffe im Sturm instabil machte
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Blick von der archäologischen Stätte Kamarina auf die Küste

Die Schiffskatastrophe vor Kamarina im Juli 255 v. Chr. in der Straße von Sizilien war der schwerste Seeunfall der Antike und der gesamten Schiffahrtsgeschichte. Bis zu 100.000 Menschen starben.[1]

Vorgeschichte

Im Ersten Punischen Krieg wurden die beiden Konsuln des Jahres 255 v. Chr., Servius Fulvius Paetinus Nobilior und Marcus Aemilius Paullus, beauftragt, die römischen Überlebenden der Schlacht von Tunes zu evakuieren. Sie erhielten für diese Rettungsmission in Nordafrika 350 Kriegsschiffe, die sie seefertig machen mussten. Die Seeleute und Ruderer wurden von Roms „seefahrenden Verbündeten“ (socii navales) gestellt.[2] Wohl Anfang Juni lief diese Flotte aus.[3] Auf der Hinfahrt besiegten die Konsuln eine kleinere karthagische Flotte bei Kap Hermaion (sogenannte Seeschlacht bei Kap Bon). Bei geringen eigenen Verlusten kaperten sie 114 gegnerische Schiffe, womit die Gesamtgröße dieser Flotte auf über 450 Schiffe stieg. In Clupea wurden die Überlebenden der geschlagenen Expeditionsarmee an Bord genommen, die auch über einige Schiffe verfügten. Man unternahm Plünderungszüge auf dem nordafrikanischen Festland. Versorgungsprobleme zwangen die Konsuln, vorzeitig die Rückfahrt nach Rom anzutreten.[4] Die Schiffe dieser großen Flotte wurden nur mit einem Minimum an Seeleuten gesteuert, wobei anzunehmen ist, dass karthagische Gefangene als Ruderer eingesetzt wurden.[5]

Sturm und Schiffbruch

Die Rückfahrt sollte für Piraterie und Plünderungen im karthagisch kontrollierten Gebiet genutzt werden und so zusätzliches Prestige und Beute einbringen.[6] Deshalb befahlen die Konsuln gegen den Rat der Steuerleute, an der gefährlichen Südküste Siziliens entlangzufahren.[7] Die Küste von Kamikos und Agrigent stand unter römischer Kontrolle; aber ab Herakleia Minoa war es karthagisches Gebiet. Auf der Höhe von Kamarina geriet die römische Flotte im Juli[8] in einen schweren Sturm.[9] 384 der insgesamt 464 Schiffe sanken oder zerschellten an den küstennahen Felsen.[1][10] Zehntausende Ruderer, Seeleute und Soldaten starben.[11] Johannes Hendrik Thiels viel aufgegriffene Vermutung, das Gewicht der Enterbrücken habe die Schiffe instabil gemacht, ist nicht zwingend; diese Corvi trugen zerlegt und unter Deck verstaut nicht wesentlich zum Gesamtgewicht bei.[12] An der Küste wurden viele Leichen und Schiffstrümmer angespült.[13] Etwa 80 Schiffen gelang es, Kap Pachynon zu umfahren und den Hafen von Syrakus zu erreichen.[14]

Reaktionen

Trotz dieser Katastrophe feierten beide Konsuln für ihren Sieg bei Kap Hermaion und einen Raubzug auf Kossyra (Pantelleria) einen Triumph; außerdem wurde Aemilius Paullus in Rom mit einer Columna rostrata geehrt.[15] „Seemännisches Ungeschick spielte für die Vergabe des Triumphes also offensichtlich keine Rolle, auch wenn infolgedessen keine Beute übrig war, um sie im Triumphzug zu zeigen.“[16]

Für den Historiker Polybios hatte die grenzenlose römische Hartnäckigkeit und Kühnheit, die sich nicht einmal den Naturgesetzen beugte, zum Verlust der römischen Flotte im Sturm vor Kamarina geführt.[17]

Literatur

  • Bruno Bleckmann: Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz in der Republik. Akademie Verlag, Berlin 2002; ISBN 3-05-003738-5. (abgerufen durch Verlag Walter de Gruyter)
  • Michael Pitassi: The Navies of Rome. Boydell & Brewer, Woodbridge 2009; ISBN 978-1-84383-600-1.

Einzelnachweise

  1. a b Michael Pitassi: The Navies of Rome, Woodbridge 2009, S. 65: … as many as 100.000 men perished, their ships foundering on or being dashed onto the rocks of south-east Sicily. It was, and remains to this day, the greatest known loss of human life in a single incident of shipwreck in the history of seafaring.
  2. G. K. Tipps: The Battle of Ecnomus. In: Historia. Zeitschrift für Alte Geschichte 34/4, S. 432–465, hier S. 435.
  3. Robert Werner: Der Beginn der Römischen Republik. Historisch-chronologische Untersuchungen über die Anfangszeit der libera res publica. Oldenbourg, München 1963, S. 65. (abgerufen durch Verlag Walter de Gruyter)
  4. Bruno Bleckmann: Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz in der Republik, Berlin 2002, S. 170. Vgl. Eutropius: Breviarium ab urbe condita 2.22.2.
  5. Michael Pitassi: The Navies of Rome, Woodbridge 2009, S. 64.
  6. Bruno Bleckmann: Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz in der Republik, Berlin 2002, S. 171.
  7. Polybios: Historien 1.37.4f.
  8. Nämlich zwischen dem Aufgang des Orion am 30. Juni und dem Aufgang des Sirius am 28. Juli, vgl. Polybios: Historien 1.37.4.
  9. Bruno Bleckmann: Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz in der Republik, Berlin 2002, S. 170f. Vgl. auch Boris Rankov: A War of Phases: Strategies and Stalemates 264-241. In: Dexter Hoyos (Hrsg.): A Companion to the Punic Wars, Chichester 2011, S. 149–166, hier S. 158.
  10. Gunnar Manz: Roms Aufstieg zur Weltmacht: Das Zeitalter der Punischen Kriege, Wiesbaden 2017, S. 220f.; die Zahl von 464 Schiffen erfordert eine Korrektur des Polybios-Textes, siehe dazu ebd., Anm. 98. Manz geht von einer Gesamtbesatzung von 120.000 bis 125.000 Römern und Bundesgenossen aus, zuzüglich karthagischen Gefangenen als Ruderern. Die Opferzahl veranschlagt er „im besten Fall“ mit 85.000 bis 90.000 Toten (ebd., S. 121).
  11. Herbert Heftner: Der Aufstieg Roms. Vom Pyrrhoskrieg bis zum Fall von Karthago (280–146 v. Chr.), Regensburg 2005, S. 140.
  12. Boris Rankov: A War of Phases: Strategies and Stalemates 264-241. In: Dexter Hoyos (Hrsg.): A Companion to the Punic Wars, Chichester 2011, S. 149–166, hier S. 158. Vgl. Johannes Hendrik Thiel: A History of Roman Sea-Power before the Second Punic War, Amsterdam 1954, S. 114.
  13. Polybios: Historien 1.37.2.
  14. Boris Rankov: A War of Phases: Strategies and Stalemates 264-241. In: Dexter Hoyos (Hrsg.): A Companion to the Punic Wars, Chichester 2011, S. 149–166, hier S. 158.
  15. Titus Livius: Ab urbe condita 42.20.1.
  16. Tanja Itgenshorst: Tota illa pompa: der Triumph in der römischen Republik. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, S. 102.
  17. Bruno Bleckmann: Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz in der Republik, Berlin 2002, S. 28. Vgl. Polybios: Historien 1.37.7-10.