Schildkrötensuppe
Schildkrötensuppe (englisch turtle soup, französisch claire de tortue) gehört zu den Suppen der klassischen Küche. Sie ist eine klare Brühe aus dem Fleisch der Suppenschildkröte sowie Rind und Kalbsfuß, die mit einer speziellen Kräutermischung, Schildkrötenkräuter genannt, gewürzt und meist mit Sherry oder Madeira verfeinert wird. Das Schildkrötenfleisch wird vor dem Servieren fein gewürfelt hinzugegeben.
Geschichte und Varianten
Die im 18. Jahrhundert in Großbritannien erfundene Schildkrötensuppe hat ein dunkel bernsteinfarbenes Aussehen, einen sehr aromatischen Geruch und einen speziellen, pikanten Geschmack. Sie erlangte bald den Ruf, die „Königin der Suppen“ zu sein, sicher auch wegen der für Europäer zum Teil exotischen Zutaten. Später wurde sie auch in Konservendosen als Feinkost angeboten.
Bei der Variante Lady Curzon (benannt nach Mary Victoria Curzon) wird sie noch mit Schlagsahne bedeckt, mit Curry gewürzt und kurz gratiniert. Schildkrötensuppe Sir James ist mit Cognac und Madeira aromatisiert. Die ebenfalls klassische Variante mit Sterlet (claire de tortue au sterlet) enthält eine Einlage aus Streifen von Sterletfleisch, Sterletklößchen und Aalruttenleber.
Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts war allerdings die Suppenschildkröte durch die Beliebtheit der Schildkrötensuppe und anderer Gerichte aus Schildkrötenfleisch vom Aussterben bedroht, was der Suppe zunächst nur zu mehr Exklusivität verhalf. Seit 1988 jedoch steht die Suppenschildkröte durch das Washingtoner Artenschutzabkommen unter internationalem Schutz – seitdem ist Schildkrötensuppe nicht mehr legal erhältlich.
Weltweit größter Hersteller von Schildkrötensuppe war nach dem Zweiten Weltkrieg die Firma Eugen Lacroix in Frankfurt-Niederrad. 1959 wurden dort 250 Tonnen Schildkröten verarbeitet. Nach Übernahme der Firma durch die Campbell Soup Company im Jahr 1979 wurde die Herstellung von Schildkrötensuppe 1984 aufgegeben. Das Frankfurter Lacroix-Werk wurde am 27. Juli 1996 geschlossen.
2002 wurde in Deutschland kurzzeitig eine aus nicht geschützten Schildkrötenarten hergestellte Suppe zum Verkauf angeboten, nach Protesten von Tierschützern (und weil keine nennenswerte Nachfrage bestand) nahm der Verkäufer das Produkt wieder vom Markt.[1]
Schildkrötensuppe wurde traditionell in kleinen Tassen aus Porzellan serviert, die oft mit Schildkröten bemalt waren. Solche Tassen sind heute noch gelegentlich auf dem Antiquitätenmarkt anzutreffen.[2]
Mockturtlesuppe
Ursprünglich als preiswerter Ersatz für die Schildkrötensuppe gedacht, gibt es bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts die Mockturtlesuppe (englisch mock turtle soup, „unechte Schildkrötensuppe“), für die – bei sonst fast gleicher Zubereitung – statt Schildkrötenfleisch Kalbfleisch vom Kopf, teilweise auch Rindfleisch verwendet wird. Aufgrund der von 1714 bis 1837 währenden Personalunion zwischen den Königreichen Großbritannien und Hannover wurde die Mockturtlesuppe Teil der Landesküche von Niedersachsen.
In Fleischereien und Lebensmittelmärkten wird die Suppe auch in Dosen angeboten.
Literatur
- Renate Kissel, Harald Polenz: Niedersachsen. Kulinarische Streifzüge. Mit über 80 Rezepten. Sigloch-Edition, Künzelsau 1999, ISBN 3-89393-180-5.
- Johann Rottenhöfer: Neue vollständige theoretisch-praktische Anweisung in der feinern Kochkunst mit besonderer Berücksichtigung der herrschaftlichen und bürgerlichen Küche. 9. Auflage. Braun u. Schneider, München 1904.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Martin Paetsch: Artenschutz: Die Schildkrötensuppe ist zurück. In: Spiegel Online - spiegel.de. 27. Februar 2002, abgerufen am 24. Dezember 2018.
- ↑ Gabi Werner: Herzogin will Tafelsilber unter die Leute bringen. In: Merkur.de. Münchener Zeitungs-Verlag, 5. September 2014, abgerufen am 24. Dezember 2018.