Horrortrip

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Klassifikation nach ICD-10
F16.0 Akute Intoxikation (akuter Rausch) (Halluzinogene)
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Ein Horrortrip (engl. bad trip) ist ein akuter, sehr negativ erlebter und von starken Angstzuständen begleiteter Rauschzustand.[1] Er kann unter Einfluss verschiedener psychotroper Substanzen – insbesondere Halluzinogenen – auftreten. Personen, die einen Horrortrip erleben, haben Panikanfälle, das Gefühl des Alleinseins, Verlust der Selbstwahrnehmung, Depersonalisation, Derealisation, Weinkrämpfe, Verfolgungswahn oder Todesangst.

In jüngerer Zeit werden Horrortrips vermehrt positiv umgedeutet und als Konfrontationen mit verdrängten Bewusstseinsinhalten gesehen, die zur Verarbeitung und letztlichen Lösung psychischer Probleme führen können.

Substanzen

Psychedelika (z. B. LSD, Psilocybin, DMT usw.), Delirantia (Anticholinergika, wie DPH, Scopolamin, Atropin, Engelstrompete, Stechapfel usw.) und Dissoziativa (Ketamin, PCP, MXE, DXM usw.), die allgemein unter dem Begriff Halluzinogene zusammengefasst werden, können einen Horrortrip auslösen.

Horrortrip-ähnliche Zustände können aber auch durch den Konsum von Cannabis – hier v. a. durch ungewohnte Mengen oder Verabreichungsformen (z. B. Space-Cookies) –, synthetischen Cannabinoiden, Ecstasy oder durch Mischkonsum ausgelöst werden. Infolge eines Konsums von erregenden Substanzen (Amphetamin, Kokain, selbst Kaffee in exzessiver Dosierung[2]) können Horrortrip-Zustände auftreten, z. B. wenn die Person ununterbrochen über einen längeren Zeitraum ohne Schlaf gewesen ist; hier wirken Substanzeffekt und Schlafentzug zusammen. Jedoch spricht die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) ausschließlich der akuten Intoxikation von Halluzinogenen den Begriff des Horrortrips oder der Angstreise zu.[1]

Auslösende Faktoren

Das Auftreten von Horrortrips ist in hohem Maße vom Gemütszustand der Person sowie von der Umgebung (Set und Setting) abhängig. „Echte“ Horrortrips treten v. a. nach Konsum unter „ungünstigen“ Umständen auf: etwa, wenn die konsumierende Person ohnehin in einer psychischen Problemlage steckt, wenn die Droge in „unangemessenem“ Umfeld (Party oder Disco oder sonstige stark frequentierte Orte) konsumiert wurde oder wenn während des Rausches unvorhergesehene Dinge passieren. Der US-Wissenschaftler Richard Bunce hat bereits 1982 dargelegt, wie im Nachklang der ersten „Drogenwelle“ durch die Zunahme des subkulturellen Wissens über „günstige“ Bedingungen für den Halluzinogenkonsum die Zahl der Horrortrips innerhalb weniger Jahre deutlich zurückging, obwohl der LSD-Konsum insgesamt stagnierte.[3]

Ein erhöhter Neurotizismuswert kann das Auftreten schwieriger Erlebnisse unter dem Einfluss von Psilocybin begünstigen.[4][5]

Auf Psychedelika spezialisierte Psychotherapeuten (z. B. psycholytische Psychotherapeuten) sehen in der Regel verdrängte psychische Probleme als Hauptauslöser von Horrortrips. Sie betrachten Psychedelika vor allem als „Katalysatoren des Unbewussten“, die die Konfrontation mit bis dato verdrängten Bewusstseinsinhalten ermöglichen, indem diese (teils sehr symbolisch) wiedererlebt werden. Psychedelika besitzen demnach großes Potenzial für die Lösung psychischer Probleme. Aufgrund dieses psychotherapeutischen Potenzials wird in den letzten Jahren vermehrt mit Psychedelika als mögliche Medikamente für die Psychotherapie geforscht.[6] Unangenehme Erfahrungen unter dem Einfluss von Psychedelika sind damit nicht zwingend als etwas Schlechtes anzusehen. Auch der britische Psychiater Ronald D. Laing sah solche zunächst einmal sehr belastenden Erlebnisse wie drogeninduzierte Horrortrips als Zeichen innerer Konflikte und damit als Gelegenheiten der Selbst-Heilung.

Gegenmaßnahmen

Bei starker Erregung durch psychedelische Substanzen ist unter anderem medizinische Behandlung indiziert. „Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics“ schlägt 20 mg Diazepam peroral vor. Tiefenpsychologen wie Stanislav Grof widersprechen dem vehement. Sie sehen Psychedelika als „Katalysatoren des Unbewussten“ (siehe oben). Die Gabe von angstlösenden Medikamenten wie Diazepam ist damit kontraindiziert, da sie die Verarbeitung des verdrängten psychologischen Materials abbricht und damit das Leiden nur unnötig verlängert.[7]

Beruhigende Gespräche haben sich als wirksam erwiesen und sind daher als erste Maßnahme angezeigt. Antipsychotika können das Erleben verstärken und sind daher kontraindiziert.[8]

Literatur

  • H. D. Abraham, A. M. Aldridge: Adverse consequences of lysergic acid diethylamide. In: Addiction. Band 88, Nummer 10, Oktober 1993, S. 1327–1334. PMID 8251869 (Review).
  • R. J. Strassman: Adverse reactions to psychedelic drugs. A review of the literature. In: The Journal of nervous and mental disease. Band 172, Nummer 10, Oktober 1984, S. 577–595, PMID 6384428 (Review).

Einzelnachweise

  1. a b DIMDI - ICD-10-WHO Version 2016. In: dimdi.de. 25. September 2015, abgerufen am 27. November 2021.
  2. Kopfschmerz aus der Tasse. (Memento des Originals vom 12. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.medical-tribune.de In: Medical Tribune. 38/2002.
  3. Richard Bunce: Social and political sources of drug effects: The case of bad trips on psychedelics. (Memento vom 20. Oktober 2002 im Internet Archive) In: E. Zinberg, W. M. Harding: Control Over Intoxicant Use: Pharmacological, Psychological, and Social Considerations. In: Human Sciences Press. 1982, S. 105–125.
  4. Frederick S. Barrett, Matthew W. Johnson, Roland R. Griffiths: Neuroticism is associated with challenging experiences with psilocybin mushrooms. In: Personality and Individual Differences. 117, 2017, S. 155, doi:10.1016/j.paid.2017.06.004.
  5. Christiane Gelitz: Psilocybin: Wem droht ein Horrortrip? In: spektrum.de. 12. Juni 2017, abgerufen am 19. August 2017.
  6. Nicolas Langlitz: The Persistence of the Subjective in Neuropsychopharmacology. Observations of Contemporary Hallucinogen Research. (Memento des Originals vom 13. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/hhs.sagepub.com In: History of the Human Sciences. 23, 1, 2010, S. 37–57.
  7. Grof, Stanislav: LSD-Psychotherapie (1983), mit Christina Grof, ISBN 3-608-94017-0.
  8. „Severe agitation may respond to diazepam (20 mg orally). “Talking down” by reassurance also is effective and is the management of first choice. Antipsychotic medications may intensify the experience and thus are not indicated.“ Laurence Brunton, Bruce A. Chabner, Bjorn Knollman: Goodman and Gilman’s Manual of Pharmacology and Therapeutics. 12. Auflage. McGraw-Hill, 2011, ISBN 978-0-07-176939-6, S. 1537.