Schleppbahn

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Schleppbahn ist eine dem Bergwerksbetrieb entnommene Bezeichnung für eine Güterbahn, auf der Verkehr analog zu den Schleppzügen zur Kohlen- und Erzförderung auf Grubenbahnen abgewickelt wird. Schleppbahnen dienen somit der Beförderung von Massengütern. Die Schleppzüge durchlaufen die Bahn von ihrem Anfangspunkt bis zum Endpunkt ohne Änderung in ihrer Zusammensetzung, also ohne nennenswerte Verschiebebewegungen zu erfordern.

In Österreich und Tschechien bezeichnet man auch einen privaten Gleisanschluss beziehungsweise ein Industriestammgleis als Schleppgleis oder Schleppbahn (tschechisch: vlečka) und einen auf diesen Gleisen verkehrenden Zug als Schleppzug. Die Bezeichnung als „Schleppbahn“ wird auf den Sprachgebrauch der österreichischen Eisenbahnbehörden im 19. Jahrhundert zurückgeführt: Als Schleppbahnen wurden damals Werks-, Anschluss-, Industrie- und ähnliche Bahnanlagen bezeichnet, die in öffentliche Bahnen einmündeten.[1]

Beispiele

Österreich

Fürstenfeld

In Fürstenfeld wurde um 2010 das etwa 500 m lange Bahngleis vom Bahnhof zur ehemaligen Tabakfabrik entfernt. Es lief nur bis zum südöstlich der Feistritzgasse liegenden Teil des Betriebsgeländes mit den Lagern. Über die etwa 20 m tiefer liegende Feistritzgasse führt bis heute eine verstrebte Stahlbrücke mit Schienen nur für sehr leichte leichte, innerbetrieblich genutzte Transportwagen in die Produktionsstätten 250 m weiter im Nordwesten nahe dem Direktionsgebäude.

Graz

In der steirischen Landeshauptstadt Graz, Bezirk Andritz gibt es eine Schleppbahngasse, wo das Schleppbahngleis noch heute von der Maschinenfabrik Andritz, Statteggerstraße/Andritzer Reichsstraße westwärts abgeht und in einer Linkskurve südwestwärts über die Weinzöttl-Straßenbrücke über die Mur in den Bezirk Gösting und beim Weidweg zur Südbahn führt. Mit angeschlossen war die ehemalige Papierfabrik Kranz. Vor dem Einkaufszentrum Shopping Nord steht als Landmark eine kleine Dampflok.[2]

Ein weiteres Schleppbahngleis zweigt westlich der Mur im Bereich Lagergasse/Viehmarktgasse südwärts von der Ostbahn ab, läuft durch einen Schrottplatz nächst der Mur, vorbei am Schlachthof, wo bis 2014 noch eine zweistöckige Rampe zum Ausladen von Vieh existierte und zum Fernheizkraftwerk Puchstraße.

Im Inneren der GKB (Graz-Köflach-Bahn)-Kurve südwestlich des Hauptbahnhofs zweigt ein Gleis zur Siemens Verkehrstechnik, ehemals Simmering-Graz-Pauker (SGP) ab, wo Drehgestelle für Bahnfahrzeuge entwickelt werden. Etwa 1 km weiter südlich zweigt von der Südbahn ein Gleis zur Stahlschmelze Marienhütte ab. Eine nördlich des Ostbahnhofs gelegene Gleiskurve wurde erst 2015 mit dem Bau des Styria Media Centers, Gadollaplatz 1, an der Conrad-von-Hötzendorfstraße, entfernt.

Innsbruck

In Tirols Landeshauptstadt Innsbruck besteht ein signifikantes Netz aus großteils nicht mehr genutzten Schleppbahngleisen im Industriegebiet am Westbahnhof. Sie sind mit der Arlberg- und Mittenwaldbahn verbunden. Auch im östlich der Stadt auf Thaurer und Haller Gemeindegebiet gelegenen Industriegebiet Logistikzone existieren Schleppbahngleise, verbunden mit der Unterinntalbahn. Inzwischen nur noch lückenhaft vorhanden ist die ehemalige Schlachthofschleppbahn im Stadtteil Saggen, ihre Anschlussrampe auf das Viadukt der Unterinntalbahn musste 2020 dem Neubau des S-Bahnhofs Innsbruck-Messe weichen.

Linz

In der Landeshauptstadt Oberösterreichs Linz besteht ein weit verästeltes Netz im industriell genutzten Osten der Stadt, rechts der Donau. In der Tabakfabrik ist heute noch der Platz einer Drehscheibe erhalten. Ein Gleis das vom Nordosten zur Franck-Kathreiner-Kaffeefabrik (heute Nestlé) führte wurde um 2000 als Bahntrasse aufgelöst, ohne sie als Trasse für ein anderes Verkehrsmittel, etwa Radverkehr, zu nutzen.

Wien-Liesing

Die Schleppbahn Liesing bestand aus zwei insgesamt etwa 10 km langen Ästen, die in unterschiedlichen Gleislagen von 1860 bis 2003 über 140 Jahre lang betrieben wurden.

Literatur

  • Freiherr von Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Band 8. Berlin, Wien 1917, S. 348–349.

Einzelnachweise

  1. Alfred Moser: Anschluss-, Schlepp- und Werksbahnen im Eigenbetrieb. Unter Berufung auf eine Verordnung des Handelsministeriums aus dem Jahr 1879. In: Schienenverkehr Aktuell (SVA), Verlag Pospischil, Wien. ZDB-ID 568412-2. Heft 8/2002, S. 46. Bei dieser Verordnung handelt es sich um die Verordnung des Handelsministeriums vom 25. Jänner 1879 betreffend die Verfassung der auf Eisenbahnen bezüglichen Projecte und die damit zusammenhängenden Amtshandlungen. Reichsgesetzblatt für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder. VIII. Stück, ausgegeben und versendet am 5. Februar 1879. RGBl. Nr. 19/1879 (abgerufen 23. April 2017): Die Schleppbahnen sind dort in den §§ 35 ff. (S. 141 ff.) behandelt.
  2. Karl A. Kubinzky: Die Straßen von Graz. Schleppbahngasse. Kronenzeitung, Steirerkrone, 10. April 2016, S. 21.