Vollstreckungstitel (Deutschland)

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Jugendamtsurkunde als Beispiel für einen Vollstreckungstitel

Ein Vollstreckungstitel ist in der Bundesrepublik Deutschland eine amtliche Urkunde, in der die rechtliche Anordnung zu einer bestimmten Zahlung bzw. zu einer bestimmten Handlung (z. B. Herausgabe einer Sache), Duldung oder Unterlassung (z. B. beleidigender Äußerungen) enthalten ist. Erst aufgrund eines solchen Titels ist eine Zwangsvollstreckung möglich. Nur deshalb, weil gerichtliche Urteile (in der Regel) Vollstreckungstitel darstellen, werden sie für den Gläubiger des titulierten Anspruches überhaupt praktisch durchsetzbar. Er muss nicht darauf warten, dass der Schuldner den Inhalt des Urteils freiwillig befolgt, sondern kann ihn mit den staatlichen Zwangsmitteln der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner durchsetzen.

Wichtige Vollstreckungstitel

Die wichtigsten Vollstreckungstitel sind rechtskräftige Endurteile, bestimmte gerichtliche Beschlüsse, Vollstreckungsbescheide, Prozessvergleiche und vollstreckbare Ausfertigungen notarieller Urkunden.

Für die Möglichkeit, aus Urteilen bereits vor Eintritt der Rechtskraft zu vollstrecken, existieren detaillierte Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.

Vollstreckungsfähiger Inhalt

Der Vollstreckungstitel muss bestimmt sein, das heißt, er muss die Parteien (Gläubiger und Schuldner) sowie Inhalt, Art und Umfang der geschuldeten Leistung genau bezeichnen. Ist aus dem Titel nicht eindeutig bestimmbar, was der Schuldner zu leisten oder zu dulden hat, kann aus ihm nicht vollstreckt werden. Der Schuldner kann bei Gericht beantragen, dass die Zwangsvollstreckung aus einem solchen Titel für unzulässig erklärt wird (§ 767 Zivilprozessordnung analog[1]).

Liste der Vollstreckungstitel

Endurteile gehören zu den praktisch bedeutsamsten Vollstreckungstiteln.

Die Zwangsvollstreckung findet gem. § 794 Abs. 1 ZPO ferner statt

  1. aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO oder § 492 Abs. 3 ZPO zu richterlichem Protokoll genommen sind;
  2. aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen;
  3. aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet;
  4. aus Vollstreckungsbescheiden;
  5. aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind;
  6. aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c ZPO;
  7. aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat;
  8. aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006;[2]
  9. aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 (Vollstreckungstitel-Verordnung) für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind;
  10. aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 (Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen) ergangen sind;
  11. aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.

Außerhalb der ZPO genannte Vollstreckungstitel sind beispielsweise

  1. Eintragungen in eine Insolvenztabelle (§ 201 Abs. 2 InsO);
  2. Zuschlagsbeschlüsse in der Zwangsversteigerung (§ 93, § 132 ZVG);
  3. Jugendamtsurkunden (§ 60 SGB VIII).

Ausländische Vollstreckungstitel

Besonderheiten gibt es bei der Vollstreckung ausländischer Vollstreckungstitel. Hier muss häufig ein Vollstreckbarerklärungsverfahren (sogenanntes Exequaturverfahren) vorgeschaltet werden, bevor sie im Inland als Vollstreckungstitel anerkannt werden. Durch Art. 5 der Vollstreckungstitel-Verordnung (EuVTVO) wurde dieses Verfahren für europäische Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen zur Schaffung eines funktionierenden Binnenmarkts abgeschafft.[3] Dies führte in der Literatur zu verfassungsrechtlichen Bedenken,[4] verstößt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedoch nicht gegen höherrangiges Recht.[5][6]

Einzelnachweise

  1. BGHZ 124, 164.
  2. Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens ABl. L 399 vom 30. Dezember 2006.
  3. Anja Heringer: Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen. Nomos-Verlag, 2007. ISBN 978-3-8329-2533-8.
  4. Peter‑Andreas Brand: Aktuelle Probleme bei Zivilrechtsstreiten mit Auslandsbezug – Zuständigkeit, Zustellung und Vollstreckung. In: HFR 2007, S. 229–239.
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2014 – VII ZB 28/13
  6. Europäischer Vollstreckungstitel – und die ordre public Rechtslupe.de, 27. Mai 2014.