Schwarzhäupterhaus (Riga)

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Holzstich des Schwarzhäupterhauses auf einer Postkarte, 1891

Das Schwarzhäupterhaus (lettisch: Melngalvju nams) auf dem Rathausplatz der lettischen Hauptstadt Riga (lettisch: Rīga) wurde 1334 als das „Neue Haus der Großen Gilde“ erstmals urkundlich erwähnt.[1] Es diente sowohl den Kaufleuten als auch der vorwiegend deutschen Bürgerschaft Rigas für Zusammenkünfte. Es entspricht den in anderen Städten zur damaligen Zeit errichteten Artushöfen. Das im gotischen Stil errichtete Haus entsprach mit seinem steilen Giebeldach, dessen First die stattliche Höhe von 27 Metern erreichte, einem mittelalterlichen Wohnhaus. Die reich mit Skulpturen und Reliefs verzierte Giebelfassade des Gebäudes, das nach dem Vorbild holländisch-flämischer Zunfthäuser im manieristischen Stil umgestaltet wurde, ist nach ihrer originalgetreuen Rekonstruktion wieder Symbol und eine der Hauptsehenswürdigkeiten Rigas.

Namensursprung

Ansicht des Schwarzhäupterhauses, 1920

Die Compagnie der Schwarzen Häupter war aus der Ende des 13. Jahrhunderts tätigen Bruderschaft des Heiligen Georg hervorgegangen. Sie vereinigte junge, unverheiratete ausländische Kaufleute, die in Riga lebten, ohne das Bürgerrecht der Stadt zu besitzen. Anfangs war der Heilige Georg (Beschützer der Ritter und Krieger) der Schutzpatron dieses Bundes. Später nahm diese Rolle der Heilige Mauritius ein, dessen Symbol, der Mohrenkopf, in das Wappen der Schwarzhäupter eingegangen ist. Die Satzung der Compagnie von 1416 ist erhalten geblieben. Die Compagnie besteht heute noch mit Sitz in Bremen und ihre Mitglieder halten immer noch die alten Regeln ein. Im Jahre 1447 vermietete der Rigaer Rat den Paradesaal des Obergeschosses an die Schwarzhäupter. Der Name „Schwarzhäupterhaus“ wurde 1687 eingeführt, aber erst 1713 ging das Haus in deren Besitz über.

Zerstörung und Rekonstruktion

Schwarzhäupterhaus am Rathausplatz

Das Schwarzhäupterhaus wurde im Zweiten Weltkrieg am 29. Juni 1941 durch den Beschuss von deutschen Truppen bei der Einnahme Rigas zerstört.[2] 1948 wurde die verbliebene Ruine wegen der schweren Beschädigungen, aber auch aus ideologischen Gründen gesprengt.

Giebel des Schwabehauses, dahinter Giebel des Schwarzhäupterhauses

Die Fläche des Schwarzhäupterhauses wurde in den wesentlich vergrößerten Rathausmarkt einbezogen und blieb bis 1993 unbebaut. In Vorbereitung der 800-Jahr-Feier der Stadt wurde das Gebäude innerhalb von sieben Jahren (1993–1999) originalgetreu rekonstruiert. So wurde die in vergangener Zeit zwischen den Schwarzhäuptern und der Stadt Riga in Anerkennung der jahrhundertealten Beziehungen getroffene „Übereinkunft“ Wirklichkeit:

deutsch[2] lettisch[2]
Sollt ich einmal fallen nieder,
So erbauet mich doch wieder.
Ja man kādreiz sagrūt būs,
mani atkal celiet jūs!

Bei der Rekonstruktion des Schwarzhäupterhauses wurde der Keller, der bei der Sprengung zugeschüttet wurde, von den Gebäuderesten befreit. Manches Detail konnte gerettet werden und wird nun wieder in den Kellerräumen ausgestellt.

Zu dem Gebäudekomplex gehören auch das angrenzende Schwabe-Haus und der Speicher der Blauen Garde. Zwischen dem Schwarzhäupterhaus und dem gegenüberliegenden Rathaus befindet sich das Symbol für die städtische Freiheit – der Roland mit dem Rigaer Wappen und dem Schwert.

Im Schwarzhäupterhaus befindet sich heute neben städtischen Veranstaltungsräumen auch das Touristenbüro der Stadt Riga sowie ein Café.

Fassadeninschriften

  • Über der Uhr:
„ANNO 1334 – RENOV. ANNO 1999“
  • Linke Seite, unterhalb der Löwenskulptur:
„DEN GERECHTEN GOTT LIEBT UND EHRT,
SEIN GESCHLECHT ER SEGNET UND VERMEHRT.“
  • Rechte Seite, unterhalb der Löwenskulptur:
„WIDER GESETZ UND GEWISSEN HANDELN,
THUT GOTTES SEGEN IN FLUCH VERWANDELN.“
  • Über den Fenstern der 2. Etage:
„MELNGALVJU NAMS TIKA SAGRAUTS 1941. GADĀ.
PILSĒTAS ASTOŅSIMTGADEI PAR GODU NAMU UZ VECAJIEM PAMATIEM NO JAUNA UZCĒLA RĪGAS PILSĒTA.“
deutsch:
Das Schwarzhäupterhaus wurde zerstört im Jahre 1941.
Zu Ehren der 800-Jahr-Feier der Stadt wurde das Haus von der Stadt Riga wieder aufgebaut.

Fassadenschmuck

Astronomische Uhr am Schwarzhäupterhaus

Auf der Giebelspitze befindet sich die WetterfahneHeiliger Georg im Kampf mit dem Drachen“. Direkt darunter an der Giebelfassade befindet sich das Relief des König Arthus mit Zepter und Reichsapfel. Links von ihm auf der Fassade steht ein Löwe mit Schild und rechts von ihm ein Blumenstrauch mit Möwe.

Unter dem Relief von König Arthus befindet sich eine astronomische Uhr. Sie wurde 1626 vom Uhrmachermeister Matis als „Calendarium perpetuum“ (deutsch: Ewiger Kalender) hergestellt. Sie zeigt außer den Mondphasen, den Tierkreiszeichen und der Uhrzeit auch das jeweilige Datum und den Wochentag an. Die jetzige Uhr ist ein Nachbau, der in Regensburg hergestellt wurde.

Unter der Uhr befinden sich in einer Reihe die Stadtwappen der Hansestädte Riga, Bremen, Lübeck und Hamburg. Sie werden rechts und links von Löwen bewacht.

Jeweils unter den Stadtwappen befinden sich die Skulptur des Neptun, die Allegorien der Eintracht und des Friedens und die Skulptur des Merkurs.

An den beiden Giebelseiten des benachbarten Schwabe-Hauses befinden sich Figuren der Landsknechte.

Im unteren Bereich der Fassade des Schwarzhäupterhauses sind weiterhin zu finden: Löwen, das Rigaer Stadtwappen, das Wappen der Compagnie der Schwarzen Häupter, die beiden Schutzheiligen Maria und Mauritius, die Stadtwappen von Reval und Dorpat und die Skulptur des Heiligen Georgs im Kampf mit dem Drachen.

Innenausstattung

Schwarzhäupterhaus am Abend

Im Inneren des Schwarzhäupterhauses befindet sich das Zimmer des Maigrafen, der bei den regelmäßigen Umtrunken, die in der Gilde und bei den Schwarzhäuptern üblich waren, den Vorsitz hatte. Im Kabinett und Archivraum der Compagnie der Schwarzen Häupter sowie im Museum findet man eine Vielzahl von Exponaten und Leihgaben aus lettischen, deutschen und russischen Museen über die Schwarzhäupter.

Im Aufgang zum Großen Festsaal des Hauses befinden sich die Büsten von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Richard Wagner und Johannes Brahms. Im Februar 1830 sang hier Anna Pauline Milder-Hauptmann erstmals Franz Schuberts Gesangsszene Der Hirt auf dem Felsen.

Der Große Festsaal mit einer Fläche von 330 m² wurde in alter Pracht wiederhergestellt, mit allem Wand- und Deckenschmuck und den Gemälden der schwedischen Könige Gustav Adolf II., Karl XI. und Karl XII., der Königin Christine sowie der russischen Zarin Katharina II., dem Zaren Peter I. und dem Großfürsten Paul I.

Direkt an den Großen Festsaal grenzt der Lübecker Saal mit einer Fläche von 120 m². Ihn ziert das Lübecker Panorama.

Darüber hinaus gibt es einen Salon und den Lettischen Saal.

Literatur

  • Theodor Hirsch: Über den Ursprung der Preußischen Artushöfe. In: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde. Band 1, Heft 1, Berlin 1864, S. 3–32. (Volltext)
  • Gotthard Tobias Tielemann: Geschichte der Schwarzen Häupter in Riga nebst einer Beschreibung des Arthurhofes und seiner Denkwürdigkeiten. Häcker, Amsterdam 1970, ISBN 90-6129-101-1. (= Neudruck der Ausgabe Riga 1831)
  • Kunstsammlungen Böttcherstraße, Bremen (Hrsg.): Der Silberschatz der Compagnie der Schwarzen Häupter aus Riga. Katalog zu den Ausstellungen in Bremen, Roselius-Haus, 23. März – 1. Juni 1997, Bielefeld, Kunstgewerbesammlung der Stadt Bielefeld/Stiftung Huelsmann, 21. Juni – 28. September 1997. Hauschild, Bremen 1997, ISBN 3-931785-57-2. (= Die Sammlungen des Museums im Roselius-Haus, Nr. 1)
  • Jörg Hackmann: Metamorphosen des Rigaer Rathausplatzes, 1938–2003. Beobachtungen zur Rolle historischer Topographien in Nordosteuropa. In: Peter Oliver Loew, Christian Pletzing, Thomas Serrier (Hrsg.): Wiedergewonnene Geschichte: Zur Aneignung von Vergangenheit in den Zwischenräumen Mitteleuropas. Harrassowitz, Wiesbaden 2006, ISBN 3-447-05297-X, S. 118–144.

Weblinks

Commons: Schwarzhäupterhaus in Riga – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Robert Schediwy: Rekonstruktion: wiedergewonnenes Erbe oder nutzloser Kitsch? LIT Verlag, Münster 2011, S. 96 ISBN 978-3-643-50262-9
  2. a b c Schediwy, S. 97

Koordinaten: 56° 56′ 49,7″ N, 24° 6′ 24,9″ O