Selbstmedikation

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Als Selbstmedikation wird die Eigenbehandlung mit Arzneimitteln bezeichnet. Eine Selbstmedikation ist möglich mit verschreibungsfreien, sogenannten OTC-Präparaten[1] und ist besonders verbreitet bei Alltagsbeschwerden wie etwa Kopfschmerzen, Durchfall, Erkältungsbeschwerden oder Übelkeit. Selbstmedikation kann aber auch mit verschreibungspflichtigen Medikamenten erfolgen, sofern diese für den Patienten verfügbar sind, z. B. weil sie für eine frühere Erkrankung verordnet wurden oder illegal erworben wurden.

Dieses Vorgehen hat erhebliche Auswirkungen auf die Mittelverwendung im Gesundheitswesen.[2] Große Bedeutung kommt auch der Beratung durch Apotheker bei Fragen der Selbstmedikation zu. Oft zeigt sich in diesen Beratungsgesprächen, dass vor Selbstmedikation eine Beratung durch den Arzt nötig ist, weil Gesundheitsbeschwerden falsch gedeutet werden. Von ärztlicher Seite wird die Selbstmedikation mitunter kritisch gesehen.

Unterschied zur Selbstbehandlung

Unter Selbstbehandlung werden demgegenüber auch manuelle Therapien und andere Heilverfahren subsumiert, die der Leidende selbst gefahrlos an sich anwenden kann. Dazu zählen u. a. verschiedene Methoden der Gymnastik und von Therapeuten vorgezeigte Rehabilitations-Übungen, die Behandlung von Muskelschmerz durch Akupressur oder durch sanfte elektrische Verfahren wie TENS.

Auch die Traditionelle Europäische Medizin kennt viele seit langem bewährte Methoden, unter anderem die Anwendungen der Kneipp-Medizin und von Heilkräutern.

Arzneimittelabgabe nach Verordnung und in der Selbstmedikation

Jahr Verordnungen
(Mio. Packungen)
Selbstmedikation
(Mio. Packungen)
1992 1200 540
1995 1060 590
2000 960 600
2001 990 610
2002 1005 640
2003 1027 638
2004 845 651
2005 862 692
2006 834 676
nach: Medical Tribune, 2007[3]

Selbstmedikation bei Tieren

Tiere können durch das gezielte Fressen von z. B. Kräutern körperliche Probleme beheben.[4] Bekannt ist auch das Erdeessen bei Elefanten. Die Selbstmedikation bei Tieren wird wissenschaftlich als Zoopharmakognosie bezeichnet.

Infektionskrankheiten

Selbstmedikation mit Antibiotika ist in einigen Ländern, wie Griechenland, alltäglich.[5] In Ländern wie Nigeria besteht durch den unbedachten Gebrauch von Antibiotika ein erhöhtes Risiko Antibiotika-resistenter bakterieller Infektionen.[6]

In einem Fragebogen zur Schätzung der Selbstmedikations-Rate in der Bevölkerung von Khartum im Sudan berichteten 48,1 %, in den letzten 30 Tagen Antibiotika verwendet zu haben. 43,4 % der Befragten nahmen Antimalariamittel, und 17,5 % machten von beidem Gebrauch. Insgesamt gab es eine Prävalenz berichteter Selbstmedikation mit einer oder beiden antiinfektiösen Substanzen im vergangenen Monat von 73,9 %.[7]

Auch in einer Umfrage von Studenten in Süd-China berichteten 47,8 % der Befragten über Eigentherapie mit Antibiotika.[8]

Ärzte und Medizinstudenten

57 % der Medizinstudenten in West Bengal, Indien, berichteten in einer Befragung, sich selbst zu therapieren. Die am häufigsten eingesetzten Medikamente waren Antibiotika (31 %), Schmerzmittel (23 %), fiebersenkende Mittel (18 %), Mittel gegen Magen-/Darmulzera (9 %), Hustenmittel (8 %), Multivitamine (6 %) und Wurmmittel (4 %).[9]

Eine andere Studie stellte fest, dass sich 53 % Ärzte in Karnataka, Indien, selbst mit Antibiotika behandeln.[10]

Kinder

Eine Studie von Luo-Kindern im Westen Kenias zeigte, dass sich 19 % selbst therapierten. Sie verwendeten neben Arzneimitteln auch Kräuter. Die Mädchen vertrauten dabei eher der Kräutermedizin, während die Jungen sich auf die Schulmedizin verließen. Das Phänomen ist wahrscheinlich auf den Einfluss ihrer relativen Ertragsfähigkeit zurückzuführen.[11]

Literatur

  • R. Beitz, M. Dören, H. Knopf, H.-U. Melchert: Selbstmedikation mit Over-the-Counter-(OTC-)Präparaten in Deutschland. In: Bundesgesundheitsblatt 47, 1043–1050, 2004, doi:10.1007/s00103-004-0923-3.
  • Annette Bopp, Vera Herbst: Handbuch Rezeptfreie Medikamente. Stiftung Warentest, 2011, ISBN 978-3-86851-123-9. Pressemitteilung der Stiftung Warentest test.de, 19. September 2011
  • Uwe May: Selbstmedikation in Deutschland. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2002, ISBN 978-3-8047-1978-1.
  • David Werner: Where There Is No Doctor. Hesperian Health Guides. Richtet sich an Menschen in Entwicklungsländern oder in Situationen mit Ärztemangel.

Weblinks

Wiktionary: Selbstmedikation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. R. Beitz, M. Dören, H. Knopf, H.-U. Melchert: Selbstmedikation mit Over-the-Counter-(OTC-)Präparaten in Deutschland. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 2004, Jg. 47, Nr. 11 doi:10.1007/s00103-004-0923-3
  2. M. Schär: Selbstmedikation. In: Sozial- und Präventivmedizin/Social and Preventive Medicine, 1986, Jg. 31, Nr. 3. doi:10.1007/BF02083399
  3. Sinkende Preise und weniger verordnete Packungen.@1@2Vorlage:Toter Link/extranet.medical-tribune.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 143 kB) In: Medical Tribune, 42. Jahrgang, Juni 2007
  4. Selbstmedikation in Wald und Flur
  5. Eystathios Skliros, Panagiotis Merkouris, Athanasia Papazafiropoulou, Aristofanis Gikas, George Matzouranis, Christos Papafragos, Ioannis Tsakanikas, Irene Zarbala, Alexios Vasibosis, Petroula Stamataki, Alexios Sotiropoulos: Self-medication with antibiotics in rural population in Greece: a cross-sectional multicenter study. In: BMC Family Practice. Band 11, Nr. 58, 8. August 2010, doi:10.1186/1471-2296-11-58 (Online).
  6. Amy R. Sapkota, Morenike E. Coker, Rachel E. Rosenberg Goldstein, Nancy L. Atkinson, Shauna J. Sweet, Priscilla O. Sopeju, Modupe T. Ojo, Elizabeth Otivhia, Olayemi O. Ayepola, Olufunmiso O. Olajuyigbe, Laura Shireman, Paul S. Pottinger, Kayode K. Ojo: Self-medication with antibiotics for the treatment of menstrual symptoms in southwest Nigeria: a cross-sectional study. In: BMC Public Health. Band 10, Nr. 610, 15. Oktober 2010, doi:10.1186/1471-2458-10-610 (Online).
  7. Awad Abdelmoneim, Idris Eltayeb, Lloyd Matowe, Lukman Thalib: Self-medication with antibiotics and antimalarials in the community of Khartoum State, Sudan. In: Journal of Pharmacy & Pharmaceutical Sciences. 8. Auflage. Nr. 2, 12. August 2005, S. 326–331, PMID 16124943.
  8. Pan Hui, Binglin Cui, Dangui Zhang, Jeremy Farrar, Frieda Law, William Ba-Thein: Prior Knowledge, Older Age, and Higher Allowance Are Risk Factors for Self-Medication with Antibiotics among University Students in Southern China. In: Richard Fielding (Hrsg.): PLoS ONE. 7. Auflage. Nr. 7, 20. Juli 2012, doi:10.1371/journal.pone.0041314 (Online [abgerufen am 23. April 2015]).
  9. I. Banerjee, T. Bhadury: Self-medication practice among undergraduate medical students in a tertiary care medical college, West Bengal. In: Journal of Postgraduate Medicine. Band 58, Nr. 2, April 2012, ISSN 0972-2823, S. 127–131, doi:10.4103/0022-3859.97175, PMID 22718057 (Online).
  10. G. K. Nalini: Self-Medication among Allopathic medical Doctors in Karnataka, India. In: British Journal of Medical Practitioners. Band 3, Nr. 2, 2010 (Online).
  11. P.W. Geissler, K. Nokes, R. J. Prince, R. Achieng Odhiambo, J. Aagaard-Hansen, J. H. Ouma: Children and medicines: self-treatment of common illnesses among Luo school children in western Kenya. In: Social Science & Medicine. Band 50, Nr. 12, Juni 2000, S. 1771–1783, doi:10.1016/S0277-9536(99)00428-1, PMID 10798331.