Senatus consultum

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Senatus consultum (SC, Plural: senatus consulta, deutsch auch „Senatskonsult“) war im römischen Reich der übergeordnete, staatsrechtliche Begriff für das Ergebnis förmlicher Beschlussverfahren, die eine gesetzesgleiche Entscheidung des Römischen Senats nach sich zog.

Nach einer erwägenden Sitzung der Senatoren (consilium) wurden auf der Grundlage einer Mehrheitsfindung durch namentliche Abstimmung der Wille und die Überzeugung des Senats in einem Beschluss – dem senatus consultum – zusammengefasst. Das Ergebnis bestand darin, dass zu einem regelungsbedürftigen Fall, so auch bei der Mitwirkung des Gremiums im Rahmen der Volksgesetzgebung, ein empfehlendes Gutachten erstellt wurde. Die Anträge einzelner Personen, im Regelfall von Magistraten, konnten zum einen privat- und zum anderen staatsrechtliche Obliegenheiten betreffen. In der Römischen Republik zählten neben innenpolitischen Angelegenheiten auch die außenpolitischen Anliegen und Interessen regelmäßig zu den Gegenständen eines Beschlussverfahrens. In der Kaiserzeit, nach dem Ende der Volksgesetzgebung, ersetzten die senatus consulta sukzessive die vormals durch Volksbeschluss entstandenen leges. Schließlich traten sie an deren Stelle.

Römische Republik

SPQR senatus populusque romanus

Bevor ein Bewerber sich mit einem Wahlantrag oder ein Magistrat sich wegen der Ratifizierung eines Gesetzes an die Volksversammlung wenden konnte, wurde der Senat einberufen, um über die Sache als beratendes Gremium (consilium) zu befinden. Der Antragsteller erhielt nach der durch Mehrheitsbeschluss gefundenen Entscheidung einen Vorschlag des Senats, der für ihn zwar keine rechtsverbindliche, durch die hervorgehobene Stellung des Ältestenrats in der Römischen Republik jedoch eine zwingende, im mos maiorum gründende Bindung hatte. Das für eine Wahlaufstellung oder für Gesetzeseingaben eingeholte notwendige Einverständnis zeichnete den folgenden Antrag an das Volk als vom Römischen Senat gutgeheißen aus (auctoritas patrum). Die anfängliche Fassung des beantragten Anliegens konnte durch den Senatsbeschluss in einigen Punkten abgeändert sein. Die ursprünglichen Antragspunkte des Magistraten, die im Senatsbeschluss gänzlich berücksichtigt wurden, bezeichnete man inoffiziell als senatus decretum.

Beschlussverfahren

Darstellung einer Senatssitzung, die nicht in der Curia Hostilia, sondern in einem Tempel stattfand: Cicero greift den rechts isoliert sitzenden Catilina an (Fresko Cesare Maccaris aus dem Jahr 1888)

Die Senatoren konnten durch die obersten Magistrate, wie die Konsuln, Prätoren und Volkstribune, einberufen werden. Die förmliche Einbestellung benannte das Datum, das Tagungsgebäude in Rom – die Curia Hostilia oder einen Tempel – und die Geschäftsordnung der Sitzung. Die Beschlussfähigkeit wurde anfangs überprüft, indem auf Zuruf die notwendige Mindestanzahl an Senatoren ermittelt wurde. Einzelfallabhängig war für eine Beschlussfähigkeit die Anwesenheit des halben Ältestenrats oder ein Drittel der Senatoren erforderlich gewesen. Grundsätzlich durften während einer Abstimmung ausschließlich Senatoren anwesend sein; für die krisenhafte Spätzeit der Republik sind Fälle überliefert, in denen man versuchte, Beschlussfassungen zu verhindern, indem man beliebige Bürger von der Straße in die Curia holte.

Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit wurde durch den Initiator das Anliegen vorgestellt und die Debatte eröffnet. Das Wort wurde jedem durch die einzelne namentliche Befragung (interrogatio) erteilt. Die Reihenfolge war dabei absteigend nach Ansehen, Rang und Alter der Senatoren ausgerichtet. Der hoch angesehene Princeps senatus äußerte zuerst seine Meinung und sprach dann seinen Standpunkt aus. Es folgten die höheren aktuellen Amtsträger, also die Censoren, Konsuln, Prätoren, und danach die kurulischen und die plebejischen Ädilen sowie die Volkstribune. Anschließend wurden die übrigen Senatsmitglieder, ebenso nach dem jeweils höchsten bekleideten Amt und Alter geordnet, zur Sache angehört und nach ihrem Votum befragt. Die Form der Stimmabgabe (sententiae) konnte vom Vorsitzenden durch das Auseinandergehen (discessio) nach links oder nach rechts bestimmt werden.

Nach erfolgter Mehrheitsfindung wurde die Willensbildung des Senats durch den Beschluss (senatus consultum) verkörpert und für wirksam erklärt. Die Interzession eines Amtsträgers durch sein Veto während der Abstimmung konnte den trotzdem gefassten Beschluss (auctoritas senatus) nicht verhindern, jedoch wurde die Rechtswirkung in Teilen gehemmt bzw. der Beschluss nicht vor das Volk gebracht.

Beschlussaufzeichnung und Archivierung

Steintafel aus Rom mit dem Text des senatus consultum de Pago Montano[1]
Bronzetafel aus Tiriolo mit dem Text des senatus consultum de Bacchanalibus[2]

Die in indirekter Rede gehaltene, schriftliche Aufzeichnung der Sitzung, die während oder nach der Beschlussfassung erfolgte, war in vier Abschnitte unterteilt.

  1. Die Präambel beinhaltete namentlich, neben den Zeit- und Ortsangaben, den Vorsitzenden mit seiner Amtsbezeichnung sowie die bei der Niederschrift anwesenden Zeugen.
  2. Der dem Beschluss zugrunde liegende Verhandlungsgegenstand.
  3. Die Einleitung zur Beschlussfassung.
  4. Der gefasste Beschluss, entweder senatus consultum oder auctoritas senatus, mit dem Abstimmungszeichen C für censuere (sie haben geschätzt oder sie haben gestimmt).

Die Senatsbeschlüsse konnten durch die Schreiber auf verschiedenen Materialien wie Stein, Holz, Bronze oder Papyrusrollen aufgezeichnet werden. Sie wurden entweder im Staatsarchiv innerhalb des Saturntempels oder im Tempel der Ceres nach einer systematischen Registrierung, in Jahresbänden abgelegt, aufbewahrt. Bei Bedarf konnten Abschriften für den öffentlichen Aushang angefertigt werden.

Senatus consultum ultimum

An der Vorgehensweise orientierten sich nicht nur die patrizischen Amtsträger, sondern auch die plebejischen Beamten. In der späten und in der ausgehenden Republik wurde von den populares das vorherige Einholen der senatorischen auctoritas senatus bewusst ausgelassen, um die machtpolitischen Interessen gegen die optimates einfacher durchsetzen zu können.

Als Konsequenz dieser politischen Entwicklung konterte der Senat mit dem neu geschaffenen senatus consultum ultimum. Damit sollte einer drohenden Umwälzung der bestehenden Machtverhältnisse entgegengetreten werden. Der senatorische Adel beanspruchte damit für sich, den staatlichen Notstand ausrufen zu können, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch geeignete Mittel wiederherzustellen. Die Konsuln wurden mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet, damit sie effektiv und rechtlich autark gegen die Ursachen des Staatsnotstands und gegen die Verantwortlichen vorgehen konnten. So war es auch möglich, neben dem Verbot von Vereinen und großangelegten Freiheitsentziehungen, die beim Bacchanalienskandal im Jahr 186 v. Chr. zur Anwendung kamen, Hinrichtungen durchzuführen, wie sie anlässlich der catilinarischen Verschwörung 63 v. Chr. ohne vorhergehendes Gerichtsverfahren vollstreckt wurden. Das Provokationsrecht, die Anrufung des Volks um Beistand, das jedem römischen Bürger als Rechtsschutz zustand, der ohne Richterspruch durch einen amtlichen Akt an Leib und Leben bedroht wurde, war durch das senatus consultum ultimum ausgeschaltet. Die Maßnahmen, die nach Auffassung der anordnenden Konsuln im Rahmen der Staatsnotwehr geeignet sowie erforderlich erschienen, konnten erst nach Beendigung ihrer Amtszeit juristisch auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft und bei Verstößen strafrechtlich verfolgt werden. Dem Konsular Cicero, der die Hinrichtung von Staatsverschwörern zu verantworten hatte, drohte ein solches Verfahren.

Römische Kaiserzeit

Bronzeinschrift des kaiserlichen Vespasiangesetzes, das in der Form eines senatus consultum gehalten ist[3]

Durch den Prinzipat verlor der römische Senat seine politische Unabhängigkeit, da das immer noch in hohem Ansehen stehende Gremium zwar weiterhin für verschiedene Aufgaben und Bereiche zuständig war, sich letztlich jedoch dem Willen der römischen Kaiser unterzuordnen hatte.

Die verdeckte Ohnmacht offenbarte sich insbesondere bei der Gesetzgebung, bei der der Senat scheinbar seine Position nach der Republik verstärken konnte. Durch das anfängliche Abklingen und später gänzliche Verschwinden der Volksgesetzgebung kamen den Senatsgutachten (senatus consulta) zu den Rechtsanfragen der Magistrate nicht nur beratende, sondern bis in das 2. Jahrhundert auch indirekt gesetzesgleiche Wirkungen zu. Das war zwar anfänglich sehr umstritten, denn die leges, denen mit der Stärkung der Anliegen des gemeinen Volkes die Plebiszite gleichstanden, hatten in Rom überragende Bedeutung, weshalb die verbindliche Durchsetzbarkeit (legis vicem optinere) der Senatskonsulte zunächst in Frage stand. Spätestens seit Hadrian kann aber davon ausgegangen werden, dass Senatskonsulte die leges funktionell wohl abgelöst hatten.[4] Die Anträge und Anfragen der Prätoren wurden einer fachkundigen juristischen Prüfung unterzogen und leisteten damit zeitweise gewichtigen Anteil an der Weiterentwicklung des römischen Rechtswesens.

Die späteren direkten Eingaben der Kaiser (oratio principis) – insbesondere in der Periode der Antoninen –, die im Senat ein Quästor vorlas, wurden jedoch ausnahmslos, ohne ernsthafte rechtskundige Erörterung durch ein senatus consultum als rechtsgültig beschlossen. Der letzte bezeugte und als zivilrechtliche Quelle zitierte Senatsbeschluss, der nicht auf eine oratio principis zurückgeht, stammt aus dem Jahr 178 (senatus consultum Orfitianum). Im 3. Jahrhundert verloren die senatus consulta völlig an Bedeutung. Sie wurden durch die sich immer weiter entwickelnden, absoluten Kaiserkonstitutionen (constitutiones principum) ersetzt. Aber selbst die früheren selbständigen Eingaben der Magistrate waren faktisch immer von der Befürwortung des Kaisers abhängig gewesen.

Im Wesentlichen wurde das Verfahren – wie es schon in der Republik gehandhabt wurde – beibehalten. Die Beschlussaufzeichnung wurde um den Antragsteller, die Anzahl der abstimmenden Senatoren und um deren Abstimmungsverhalten erweitert.

Senatus consulta

Im Bereich des Privatrechts finden sich – beispielhaft aufgeführt – mehrere Senatsbeschlüsse (senatus consulta), die von den Juristen nach den initiierenden Magistraten benannt wurden, wie das des Rechtsgelehrten Pegasus aus den Jahren 69–79, der unter Vespasian als Stadtpräfekt von Rom diente. Nach ihm wurde das senatus consultum Pegasianum benannt, das – neben einem senatus Trebellianum aus dem Jahr 62 – die allgemeine Anwendung des Universalfideikommisses im römischen Recht regelte. Weitere bekannte erbrechtliche SCta. (SC im Singular) waren

  • das SC Iuventianum aus dem Jahr 129; das in der Zeit Hadrians entstandene Konsult regelte die Haftung des Erbschaftsbesitzers gegenüber dem Fiskus
  • die SCta. Tertullianum (während der Regentschaft Hadrians entstanden, wohl um 130) und Orfitianum (um 178): sie regelten Verbesserungen zur gesetzlichen Erbfolge zwischen Mutter und Kind. Vormals konnten Kinder von der Mutter nach ius civile nur erben, wenn sie in der Gewalt (manus) des Ehemannes stand,[5] was sich nun änderte (ziviles Erbrecht). Mit dem SC Tertullianum durfte in Regelungen der Zwölftafelgesetzgebung eingegriffen werden. Das SC Orfitianum verlieh den Kindern nach dem Tod der Mutter ein Erbrecht vor allen Agnaten, was eine Besserstellung weiblicher Abkömmlinge darstellte.[6]

Aus dem Schuld- und Darlehensrecht waren es

  • das SC Hosidianum (44); das SC kannte bereits die zivilrechtliche Nichtigkeit, das heißt, dass mittels restitutio in integrum vormals gültige Rechtszustände wiederhergestellt werden konnten.
  • das SC Velleianum (46); diente dem Schutz von Frauen; sie durften nicht in die Haftung aus Bürgschaft, Verpfändung und Darlehensgeschäften im Interesse Dritter herangezogen werden.
  • das SC Macedonianum (zwischen 69 und 79); Untersagung von Darlehensgeschäften mit gewaltunterworfenen, nicht eigenberechtigten Haussöhnen, die unter der patria potestas standen.

Das SC Silanianum befasste sich mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, eingeführt ab 10 n. Chr., zum Zwecke der Aufklärung gewaltsamer Todesfälle von römischen Hausvorstanden (domini). Dazu durften Sklaven gefoltert werden.

Mit den Edikten der Prätoren, den kaiserlichen Darstellungen (orationes Augusti) und den Kaiserkonstitutionen (Reden des Kaisers, Edikten des Kaisers, Reskripten, Dekreten und juristische Briefe des Kaisers) fanden die Senatsbeschlüsse Eingang in die juristischen Rechtsquellen.

Juristische Quellen

Literatur

  • Hans Volkmann: Senatus. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 5, Stuttgart 1975, Sp. 105 f.
  • Hans Volkmann: Senatus consultum. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 5, Stuttgart 1975, Sp. 109.
  • Dieter Medicus: Auctoritas. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 1, Stuttgart 1964, Sp. 729 f.
  • Max Kaser: Das Römische Privatrecht. 2. Auflage. C.H. Beck, München/Würzburg 1971, ISBN 3-406-01406-2, S. 199, 211, 213, 248, 481, 667, 671, 759–762.
  • Max Kaser: Römische Rechtsgeschichte. 2., neubearbeitete Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1976, ISBN 3-525-18102-7, S. 54, 66, 108, 133, 171, 188.
  • Wolfgang Kunkel, Martin Schermaier: Römische Rechtsgeschichte. 13. Auflage. Böhlau, Köln u. a. 2001, ISBN 978-3-8252-2225-3, S. 26, 69, 166–167.

Anmerkungen

  1. CIL 6, 03823
  2. CIL 1, 581
  3. CIL 6, 00930
  4. Max Kaser: Römische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode. in: Forschungen zum Römischen Recht Band 36. Verlag Böhlau, Wien, Köln, Graz, 1986. ISBN 3-205-05001-0. S. 16 f. (unter Verweis auf Quellen der Hoch- und Spätklassiker Gaius und Ulpian).
  5. Gaius, 3, 24.
  6. Max Kaser: Das römische Privatrecht. Erster Abschnitt: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht S. 585 f. In: Handbuch der Altertumswissenschaft 10, 3, 3, 1. C.H.Beck, München 1955.