Soncino-Gesellschaft
Die Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches e. V. war eine bibliophile Vereinigung, die sich der Pflege der jüdischen Buchkultur durch jährliche Treffen der Mitglieder und durch Herausgabe bibliophiler Drucke sowie der buchkundlichen Zeitschrift Soncino-Blätter[1] widmete. Sie wurde 1924 gegründet und in der NS-Zeit aufgelöst.
Geschichte
Die Soncino-Gesellschaft wurde am 15. Mai 1924 in Berlin gegründet. Die Namensgebung des Vereins erfolgte in Anlehnung an die ursprünglich aus Deutschland stammende, bedeutende Buchdruckerfamilie gleichen Namens, die in Italien seit ca. 1475 hebräischen Buchdruck betrieb. Die Initiative zur Vereinsgründung ging von dem damals 23-jährigen Studenten Herrmann (M. Zadok) Meyer aus, der die Verleger Abraham Horodisch und Moses Marx von seiner Idee überzeugen konnte. Der Verein erreichte innerhalb weniger Jahre die Zahl von ca. 800 Mitgliedern. Sie stammten vorwiegend aus Berlin, aber auch aus dem übrigen Deutschland, Europa und dem außereuropäischen Raum. Satzungsgemäß konnten auch Nichtjuden und nichtjüdische Einrichtungen „außerordentliches“ Mitglied in der Soncino-Gesellschaft werden. Davon haben sowohl Personen als auch Einrichtungen, wie Bibliotheken, Gebrauch gemacht. Schrift- und Geschäftsführer war Herrmann Meyer, die Geschäftsstelle befand sich in der Kaiser-Wilhelm-Str. 12 in Berlin. Vorsitzender war Siegfried Wolff, gefolgt von Heinrich Loewe.
Von der Soncino-Gesellschaft hervorgebrachte Drucke
Bibliografen zählen mehr als hundert Drucke, die von oder im Zusammenhang mit der Soncino-Gesellschaft entstanden sind,[2] Spenden- und Gelegenheitsdrucke, Vereinsdrucksachen und auch Periodika wie die Mitteilungen und Nachrichten und insbesondere die Soncino-Blätter, Beiträge zur Kunde des jüdischen Buches. Zu den Veröffentlichungen zählen Faksimile-Ausgaben wie 1925 die mit Holzschnitten illustrierte jiddische Fabelsammlung Sefer Meschalim (ursprünglich 1697) und 1927 das seinerzeit beinahe verschollene Lesebuch für jüdische Kinder von David Friedländer (ursprünglich 1779), oder Werke wie der Gedenkband für den Philosophen Franz Rosenzweig von 1930 sowie 1930–1932 das Chamischa Chumsche Thorah (Pentateuch) mit einer von Marcus Behmer gezeichneten hebräischen Type nach historischem Vorbild.
Zahlreiche dieser Drucke waren in der Ausstellung Die Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches e.V. (1924–1937) im Dezember 2006 im Rahmen der Kölner Antiquariatstage zu sehen.[3] Das Jüdische Museum Berlin besitzt eine „nahezu vollständige“ Sammlung aus dem Nachlass von Herrmann Meyer, die im Lesesaal zugänglich ist.[4]
Außerhalb des Buchhandels erschienen zum Beispiel in kleiner Auflage[5] die Minnelieder des Suezkint, der jude von trimberg. Nach der manessischen liederhandschrift zu heidelberg,[6] Druck Gebr. Mann Verlag, Berlin 1926, als Publikation der Soncino-Gesellschaft.
Literatur
- Abraham Horodisch: Die kulturelle Bedeutung der Bibliophilie (Festvortrag auf der Jahresversammlung der Soncino-Gesellschaft Berlin 1926), wieder in: Kalonymos. 11 (2008), Heft 4, S. 6–8 (steinheim-institut.de [PDF; 2,7 MB]).
- Abraham Horodisch: Ein Abenteuer im Geiste. Die Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches. In: Bibliotheca docet – Festgabe für Carl Wehmer. Verlag der Erasmus-Buchhandlung, Amsterdam 1963, S. 181–208.
- Michael Brenner: Jüdische Kultur in der Weimarer Republik. C.H. Beck, München 2000, S. 190–194.
- Ulrich Heider: Die Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches e. V. (1924–1937) (= Schriftenreihe der Kölner Antiquariatstage. Heft 1). Privatdruck, Köln 2006.
- Fritz Homeyer: Deutsche Juden als Bibliophilen und Antiquare. 2. Auflage. Mohr, Tübingen 1966, S. 67–69.
- Harald Lordick: Schlagt mich in van Geldern ein! Freude am schönen Buch und die Soncino-Gesellschaft. In: Kalonymos. 10 (2007), Heft 2–3, 2007, S. 1–4 (steinheim-institut.de [PDF; 1,5 MB]).
- Karin Bürger, Ines Sonder, Ursula Wallmeier (Hrsg.): Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte (= Europäisch-jüdische Studien. Beiträge. Band 17). de Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2014, ISBN 978-3-11-028928-2, doi:10.1515/9783110339208.
- Martin Schumacher: Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches. (PDF; 96 kB) Rezension. In: bsz-bw.de. Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg, 15. Juni 2014 (Quelle: Informationsmittel für Bibliotheken (IfB), digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft).
- Thomas Reinecke: Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches. Rezension. In: Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie. Hrsg. von der Pirckheimer-Gesellschaft. Band 221, 2016, Nr. 2, ISSN 0025-2948, S. 65–66.
Weblinks
- Harald Lordick: Digitale Spuren der Soncino-Gesellschaft. In: Deutsch-jüdische Geschichte digital, 15. Mai 2014
- Soncino-Blätter beim Digitalisierungsprojekt Compact Memory an der Universitätsbibliothek Frankfurt
Einzelnachweise
- ↑ Soncino-Blätter. Beiträge zur Kunde des jüdischen Buches. ZDB-ID 558288-X, urn:nbn:de:hebis:30:1-135849.
- ↑ Vgl. Heider 2006, S. 41–80.
- ↑ Vgl. Heider 2006.
- ↑ Publikationen der Soncino-Gesellschaft. Digitalisierung sämtlicher Publikationen der „Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches e. V.“ (1924–1937). In: jmberlin.de, Jüdisches Museum Berlin, abgerufen am 6. Juni 2022.
- ↑ 800 Exemplare.
- ↑ Diese Schreibweisen im Original.