Sonnenblumenölkrise

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Leeres Verkaufsregal für Sonnenblumenöl in Deutschland, März 2022
Fast komplett leeres Regal für Sonnenblumenöl in Deutschland, Mai 2022

Die sogenannte Sonnenblumenölkrise ist eine drastische Verknappung der Ware Sonnenblumenöl in Deutschland seit Mitte März 2022. Sie entstand infolge des am 24. Februar 2022 begonnenen russischen Überfalls auf die Ukraine und der dadurch verursachten Exportschwierigkeiten. Hinzu kamen ein Mangel an Düngemitteln aufgrund von höheren Gaspreisen, was weltweit eine Erhöhung der Preise für Speiseöle und Hamsterkäufe verursachte.[1]

Hintergründe

Etwa die Hälfte der weltweiten Sonnenblumenölexporte stammt aus der Ukraine; ein Viertel stammt aus Russland.[2]

Die Kosten für die Herstellung von Stickstoffdünger hängen zu 80 Prozent vom Gaspreis ab. Steigt der Gaspreis, wird auch Dünger teurer, oder seine Herstellung wird unrentabel, so dass sich dazu auch das Angebot verknappt.

In einem Bericht der Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo wurde bereits im August 2021 vor einem Düngermangel gewarnt. So äußerte der Wifo-Agrarexperte Franz Sinabell: „Der Düngerabsatz ist zuletzt um 20 Prozent zurückgegangen, dies hat die Gaskrise nochmal verschärft. Solche Preise für Düngemittel habe ich noch nie zuvor gesehen.“ Im Herbst 2021 gab es darüber hinaus Warnungen von Expertenseite, die Lebensmittelversorgung der Europäischen Union sei infolge der „steigenden Gaspreise, die wiederum eine Düngemittelkrise auslösten“, bedroht. Auf EU-Ebene wurde ein Notfallplan beschlossen, der darauf abzielte, mehr Dünger aus Russland importieren zu können, indem man etwa Antidumping-Zölle kippte.

Der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ), Josef Moosbrugger, fasste die Situation vor diesem Hintergrund folgendermaßen zusammen: „Es gab viele Düngemittelwerke, die aufgrund der steigenden Energie- und Gaspreise ihre Produktion zumindest teilweise eingestellt hatten. Somit ist Dünger weltweit nach wie vor ein knappes Gut.“ Moosbrugger betonte außerdem, nicht nur der „Düngermangel verursache hohe Preise am Weltmarkt für Pflanzenöle“. „Schlechte Raps-Ernten und eine Reduktion der Anbauflächen in der EU sowie Ernteausfälle, etwa durch Schädlingsbefall aufgrund fehlender Pflanzenschutzmittel, verknappen das Angebot, was zusätzlich die Preise antreibe. Die hohen Kosten für Dünger, Energie und Sprit, aber auch für Maschinen und Ersatzteile belasten wiederum die Landwirte. Deutlich höhere Produktpreise sind künftig notwendig, weil ihre Betriebsmittel teilweise um das Vier- bis Fünffache teurer als im Vorjahr geworden“ seien. Damit die „Betriebe die Produktion aufrechterhalten können“, forderte man vonseiten der Landwirtschaftskammer „dringend massive Entlastungsmaßnahmen“. Nach dem Überfall auf die Ukraine beschrieb Franz Sinabell vom Wifo die hinzukommenden Schwierigkeiten für die Produktion und den Export von Sonnenblumenöl folgendermaßen: „Lager in der Ukraine liefern in normalen Zeiten kontinuierlich Ware, jetzt sind Lkw-Transporte problematisch, Häfen blockiert, Diesel wird für Kriegsgerät gebraucht, Produktionsstätten sind zerstört.“ Weitere wichtige Erzeugerländer wie Serbien oder Ungarn reagierten daraufhin mit Exportbeschränkungen von Sonnenblumenöl, um einen Mangel daran im eigenen Land abzuwenden.[3] Auch Russland reagierte mit einem Exportverbot von Sonnenblumen- und Rapskernen.[4]

Verlauf

Nach Kriegsbeginn befürchtete der Einzelhandel, dass es bei Sonnenblumenöl zu Lieferengpässen kommen könnte. Erste Berichte über auf Sonnenblumenöl abzielende Hamsterkäufe gab es bereits am 9. März 2022 für Osthessen. Mitte März 2022 rief der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels die deutschen Verbraucher auf, trotz Meldungen über Engpässe bei einzelnen Nahrungsmitteln, wie Sonnenblumenöl und Mehl, wegen des Ukrainekriegs auf Hamsterkäufe zu verzichten. Verbandssprecher Christian Böttcher appellierte an die Kunden, Produkte nur in haushaltsüblichen Mengen einzukaufen.[5][6]

Aufgrund der starken Verknappung des Rohstoffes bei steigender Nachfrage reagierten zur selben Zeit die Händler mit einer Begrenzung der Abgabemenge von Speiseölen.[7][8]

Trotz der ergriffenen Maßnahmen klaffen seitdem bei verschiedenen Supermärkten, wie Aldi, Edeka und Rewe, Regallücken, wo sonst das Speiseöl stand. „Sonnenblumenöl ist das neue Klopapier“ (siehe auch: Klopapierkrise), fasste ein Frankfurter Filialleiter von Aldi Süd die Situation zusammen. Durch das Ausweichen vieler Kunden auf andere Ölsorten sind oftmals auch diese verknappt. Wie bei den Hamsterkäufen zu Beginn der Coronakrise kursierten in den sozialen Medien Bilder von leeren Ölregalen.[9]

Auch in der Gastronomie machte sich der Mangel an Sonnenblumenöl bemerkbar. Deshalb wurde zum Teil die Rezeptur von Frittieröl geändert, indem verstärkt auf Rapsöl statt Sonnenblumenöl zurückgegriffen wurde.[10]

Für Unmut bei den Kunden sorgen allerdings nicht nur die Regallücken, sondern auch die deutlich gestiegenen Preise. So kostet seit Anfang Mai 2022 etwa ein Liter Sonnenblumenöl bei Edeka fast sechs Euro.[11]

Mögliche Folgen

Der Geschäftsführer der Ölmühle Caspar Thywissen, Detlef Volz, sagte, bis zur nächsten Ernte im September 2022 würden 2,5 Millionen Tonnen Sonnenblumen-Rohöl aus der Ukraine erwartet. Da derzeit aber kein Schiff mehr aus der Ukraine komme, hingen weitere Lieferungen davon ab, wie lange der Krieg andauere. Da die Aussaat bei den Sonnenblumen im April sei, werde auch die Ernte 2022 ausfallen, sollte die Saat nicht möglich sein.

Laut dem Handelsverband Berlin-Brandenburg waren Mitte März 2022 die Lieferketten noch stabil und gut bestückt. Erst in den Wochen danach wurde mit Engpässen gerechnet, die nicht durch andere Importländer kompensiert werden können.

Der Branchenverband Ovid betonte, mittelfristig müssten die internationalen Warenströme neu ausgerichtet und bewertet werden.[2]

Unter deutschen Sonnenblumenöl-Bauern, die bislang aufgrund der niedrigen Preise für Sonnenblumenöl eine Randerscheinung waren, herrscht indes ein gewisser Optimismus, zu den Profiteuren des Sonnenblumenölmangels zu gehören.[12]

Da auf globaler Ebene nicht nur Sonnenblumenöl schwer verfügbar ist, sondern auch Sojaöl nach einer Dürre in Südamerika und Rapsöl wegen Missernten in Kanada rar sind, ist davon auszugehen, dass das verknappte Angebot Spekulanten die Preise für Speiseöle weiter nach oben treiben lässt.[13]

Weblinks

Commons: Leere Verkaufsregale in der Ukraine-Krise – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise