Kolon (Rhetorik)

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Kolon (Plural: Kola; altgriechisch κῶλον kōlon, deutsch ‚Glied‘) heißt in der Rhetorik die rhythmische Elementareinheit von einem oder mehreren Wörtern. Zum Begriff des Kolons in der Verslehre siehe metrisches Kolon. Durch Zäsur (leichte Atempausen oder merkliche Einschnitte beim Sprechen) werden die Kola gebildet und bilden einen gliedernden Sprechtakt. Eine Folge von Kola bildet die Periode. Innerhalb eines Kolons können Kommata kleinste, unselbständige Sprechtakte abteilen. Somit steht das Kolon zwischen der übergeordneten Periode und den syntaktisch gänzlich unselbständigen Kommata.

Kolonlängen

In der Quantitativen Linguistik ebenso wie in der Quantitativen Stilistik wurde untersucht, ob die Häufigkeit, mit der Kola verschiedener Länge in Texten auftreten, sich als einem Sprachgesetz folgend erweisen lässt. Entsprechende Daten zu Marmontel, Rousseau und Voltaire stellt Karl Knauer unter dem Begriff „rhythmische Gruppe“ bereit.[1] Für zwei Textausschnitte von Marmontel konnte eine gesetzmäßige Verteilung der Kolonlängen ebenso nachgewiesen werden wie für die beiden anderen Autoren.[2]

An die Kolonlängen in den ersten beiden Kapiteln von Puschkins Pique Dame kann die verschobene negative hypergeometrische Verteilung angepasst werden:[3]

x n(x) NP(x)
3 47 52.80
4 95 175.64
5 426 348.62
6 568 529.54
7 663 671.71
8 757 739.05
9 663 715.83
10 615 609.95
11 473 449.82
12 237 275.92
13 142 128.69
14 47 35.44

Dabei ist x: Zahl der Silben pro Kolon, n(x) die beobachtete Zahl der Kola mit x Silben (absolute Werte); NP(x) die Zahl der Kola mit x Silben, die berechnet wird, wenn man die verschobene negative hypergeometrische Verteilung an die beobachteten Daten anpasst. Ergebnis: Die verschobene negative hypergeometrische Verteilung ist mit C = 0.0156 ein gutes Modell für die beobachteten Verhältnisse (C wird als akzeptabel verstanden, wenn C ≤ 0.02 ist).[4]

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Kayser: Das sprachliche Kunstwerk. Eine Einführung in die Literaturwissenschaft. 11. Auflage. Francke, Bern/ München 1965.
  • Heinrich Lausberg: Elemente der literarischen Rhetorik. 6. Auflage. Hueber, München 1979, ISBN 3-19-006508-X.
  • Adolf DuMesnil: Begriff der drei Kunstformen der Rede. Komma, Kolon, Periode, nach der Lehre der Alten. Frankfurt/Oder 1894.

Weblinks

Wiktionary: Kolon – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Karl Knauer: Ein Künstler poetischer Prosa in der französischen Vorromantik: Jean-François Marmontel. Habilitationsschrift. Druck: Heinrich Pöppinghaus, Bochum-Langendreer 1936.
  2. Karl-Heinz Best: Karl Knauer (1906–1966). In: Glottometrics 12, 2006, Seite 86–94 (PDF Volltext).
  3. Die Beobachtungsdaten wurden von dem russischen Literaturtheoretiker Boris V. Tomaševskij in den 1920er Jahren erarbeitet und sind als Prozentwerte angegeben in: Peter Grzybek, Emmerich Kelih: Zur Vorgeschichte quantitativer Ansätze in der russischen Sprach- und Literaturwissenschaft. In: Reinhard Köhler, Gabriel Altmann, Rajmund G. Piotrowski (Hrsg.): Quantitative Linguistik – Quantitative Linguistics. Ein internationales Handbuch. de Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015578-8, Seite 23–64, Tabelle und Graphik S. 45. Grzybek konnte die Prozentwerte aufgrund der Ausführungen Tomaševskijs in absolute Werte umrechnen und an diese Daten die verschobene negative hypergeometrische Verteilung anpassen. (Persönliche Mitteilung mit Mail an Karl-Heinz Best vom 20.10.13) Peter Grzybek: Kolonlänge. In: Reinhard Köhler, Peter Grzybek, Sven Naumann (Hrsg.): Formale und Quantitative Linguistik. Wörterbücher für Sprach- und Kommunikationswissenschaften Band 9. Mouton de Gruyter, Berlin/Boston (= Wörterbücher zur Sprach-und Kommunikationswissenschaft–Online) Bisher nicht verifiziert.
  4. Ausführlichere Erläuterungen zu Theorie und Verfahren am Beispiel der Verteilung von Wortlängen, die auf andere sprachliche Einheiten übertragen werden können, in: Karl-Heinz Best: Quantitative Linguistik. Eine Annäherung. 3., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2006, ISBN 3-933043-17-4, S. 27 ff.